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Adnan Kazim, Emirates

«Wünschen uns, dass der Airbus A380 wieder auf den Markt kommt»

Emirates-Vorstand Adnan Kazim spricht im Interview über den Nachfrageboom, die Konkurrenz durch Riyadh Air, den Airbus 380 Neo und zwei Wunschziele in Deutschland.

Die Luftfahrt ist zurück. Stärker als viele erwartet haben. Waren Sie überrascht?
Adnan Kazim: Wir haben erwartet, dass die Nachfrage zurückkommen wird und dass sie viel stärker zurückkommen wird als sie je war. Ich denke, dass wir vielleicht zu den wenigen Fluggesellschaften gehören, die eine Erholung in V-Form vorhergesagt haben.

Was stimmte Sie so zuversichtlich?
Die Entscheidung der Regierung von Dubai im Juli 2020, als sie die Stadt wieder öffnete, aber flankiert mit der richtigen Maßnahmen. Die Buchungen nach Dubai sind damals sprunghaft angestiegen, die Leute wollten unbedingt wieder reisen. Das hat uns geholfen, unser Netzwerk rasch wieder auszubauen. Wir konnten deshalb den Betrieb schneller wieder hochfahren als die Konkurrenz in der Region und waren ihr um ein paar Monate voraus. Wir konnten auf der Nachfragewelle reiten.

Welche Kapazität wird Emirates kommenden Winter anbieten?
Wir sollten bis zum Sommer eine Kapazität von 90 Prozent erreichen. Wir haben alle unsere Boeing 777 wieder in Betrieb genommen, das sind ungefähr 140 Flugzeuge. Wir werden bis zum Sommer auch wieder 93 Airbus A380 einsetzen. Bis zum Ende des Winters werden wir ungefähr 95 Prozent der Kapazität von vor der Pandemie erreicht haben. Dann werden 96 oder 97 unserer A380 wieder fliegen. Und wir sind wirklich sehr optimistisch, dass sich die Entwicklung fortsetzen wird. Im zweiten Quartal 2024 glauben wir, wieder 100 Prozent zu erreichen.

Ein viel leichterer, neu designter A380 wäre schön.

Werden Sie je alle Airbus A380 wieder einsetzen? Rund 30 Exemplare stehen immer noch am Boden.
Die 97 oder 96 Airbus A380, die ich nannte, sind die rechnerische Anzahl. Um so viele Flieger betreiben zu können, brauchen wir mindestens zwölf Ersatzflieger, weil sich immer einige in der Wartung befinden. Tatsächlich werden also fast 110 Airbus A380 wieder fliegen.

Emirates-Präsident Tim Clark wiederholt bis heute, dass er gerne einen Airbus A380 Neo sehen würde. Wünschen Sie sich das auch?
Wir gehören sicher zu den wenigen Fluggesellschaften, die an den A380 glauben. Er hat für uns wirklich eine wichtige Rolle gespielt, was den Kapazitätsaufbau angeht. Wir haben dank ihm mehr Touristen nach Dubai gebracht und wir haben mit ihm einen Wow-Faktor geschaffen, der uns viel positives Feedback einbrachte. Er ist ein wunderschönes Flugzeug, und unser Wunsch war es, mehr A380 für die Zukunft zu bekommen. Mit den Boeing 777X und Airbus A350 sind wir recht beschränkt, was den Kapazitätsausbau anbelangt. Ein viel leichterer, neu designter A380 wäre daher schön.

Wird dieser neue A380 je gebaut?
Das ist nicht unsere Entscheidung. Ich denke, dass es wichtig ist, dass wir unseren Standpunkt vertreten und darlegen, wie sich dieses Flugzeug entwickeln sollte. Man kann immer noch viel bei den Triebwerken und der Struktur machen, um ihn leichter und effizienter zu machen. Wir haben unsere Meinung mehrfach geäußert und wünschen uns, dass der Airbus A380 irgendwann wieder auf den Markt kommt.

Airbus A380 von Emirates am Gate: Die Golfairline hätte gerne eine Neuversion. Bild: aeroTELEGRAPH

Welches Flugzeug hat nun, da der A380 nicht mehr produziert wird, den Wow-Faktor, ?
Ich will mich nicht auf ein Modell festlegen. Wir versuchen auf jeden Fall, die Messlatte mit Innovationen weiterhin höher zu legen, mit neuen Dingen, die den Wow-Faktor erhöhen – in der Boeing 777X und im Airbus A350.

Und sind Sie immer noch zuversichtlich, dass Sie die Boeing 777X ab 2025 bekommen werden?
Das ist der heutige Stand der Dinge. Wir planen zusammen mit Boeing mit 2025. Ich bin zuversichtlich, dass das klappen wird.

Sie haben noch eine Bestellung für Boeing 787 offen. Emirates hat mehrmals erwähnt, dass man nicht sicher ist, ob man sie noch will. Wie sieht es aktuell aus?
Dies ist Teil des Dialogs, den wir mit Boeing führen. Aktuell ist keine Entscheidung gefallen.

Wie werden Sie die Boeing 777X nutzen und wie den A350?
Der Airbus A350 wird uns definitiv einen Vorteil verschaffen, wenn es darum geht, in Märkte einzudringen, die wir heute nicht erschließen können. Er wird mit 300 Sitzplätzen ausgestattet sein. Das gibt uns die Flexibilität, in viele Märkte in Afrika oder sogar in Europa oder Asien einzutreten, wo es eine mittelgroße Nachfrage gibt. Ferner bietet uns der A350 die Möglichkeit, weit entfernte Märkte zu erschließen, die mittelgroß sind. Oder wir können anderswo mit dem A350 unsere Frequenzen ergänzen. Wir haben viele Orte in den USA oder in Australien oder sogar in Europa, für die er bestens passt.

Wir haben immer noch riesige Möglichkeiten.

Und die Boeing 777X?
Die 777X wird zum Teil die 777-300 ER ersetzen und zum Teil die Airbus A380 kompensieren. Sie hat eine viel größere Kapazität, eine gute Reichweite und eine gute Nutzlast.

Und wo wollen Sie Ihr Netzwerk ausbauen?
Wir haben immer noch riesige Möglichkeiten. In Afrika fehlen noch viele Punkte, weil die Boeing 777-300 ER mit 350 Sitzen zu groß für diese Märkte ist. In Osteuropa und in Asien sehen wir ebenfalls Chancen.

Sie haben das Modell mit dem Umsteigeverkehr via Persischen Golf sehr erfolgreich umgesetzt. Es gibt nun in Saudi-Arabien mit Riyadh Air einen sehr potenten neuen Wettbewerber. Wie reagieren Sie darauf?
Wir glauben, dass das, was um uns herum passiert, gesund ist. Wir betrachten alles, was neu auf diesen Markt kommt, immer als eine Möglichkeit, uns gegenseitig zu ergänzen.

Aber Emirates hat selbst sehr viele saudische Kundinnen und Kunden. Da drohen Sie etwas zu verlieren.
Ich würde es eher als ein gesundes Umfeld betrachten, das mehr Menschen in diese Region lockt und sich gegenseitig ergänzt, während wir Fortschritte machen. Vielleicht werden wir eines Tages auch mit diesen neuen Fluggesellschaften zusammenarbeiten. Für mich ist das Glas halb voll. Das ist gut für die Region.

Sie bekommen in den kommenden acht Jahren noch 200 neue Flugzeuge. Wenn Sie weiter wachsen, braucht Emirates dann nochmals zusätzliche Flieger?
Wir brauchen definitiv mehr Flugzeuge. Die Vision Dubai Economic Agenda D33 sieht ein enormes Wachstum in der Zukunft vor. Sie will, dass die Stadt bis zum Jahr 2030 mit 350 bis 400 Destinationen verbunden ist. Flydubai wird einen Teil davon übernehmen, wir einen Teil, und viele andere Fluggesellschaften, die Dubai anfliegen, übernehmen ebenfalls einen Teil. Dubai wird definitiv als Drehscheibe der Region fungieren und noch mehr Menschen anziehen. Um dieses Wachstum zu unterstützen, müssen wir mehr Flugzeuge bestellen.

Boeing 777-300 ER von Emirates. Bild: aeroTELEGRAPH

Wann wird Emirates denn die nächste Bestellung aufgeben, die Rede ist ja von bis zu 150 Jets?
Ich denke, es wird nicht so lange dauern.

Wie sieht es mit der Konsolidierung in der Golfregion aus? Sehen Sie jemals ein Szenario, in dem zum Beispiel Emirates und Etihad Teil einer einzigen Gruppe sein könnten?
Logistisch ist das nicht möglich, weil die beiden Airlines zwei verschiedene Drehkreuze besitzen. Abu Dhabi ist weit weg von Dubai. Mit zwei Flughäfen, die eine 1:30 Stunden voneinander entfernt sind, ist es schwierig, eine gemeinsame Basis zu schaffen. Aber was wir tun, ist mehr Austausch von Know-how. Sie können als Fluggast zudem neuerdings an einem Ort einreisen und vom anderen Ort abreisen, das haben wir im Hinblick auf Reisende aus Asien und Europa getan. Aber ich glaube nicht, dass es darüber hinaus einer weiteren Verstärkung der Zusammenarbeit geben wird.

Sie arbeiten schon lange mit Flydubai zusammen. Kürzlich gab die Fluglinie bekannt, in ihrer Business Class richtige Flachbett-Sitze einzuführen. Brauchen Sie das, damit Umsteiger ein einheitliches Produkt erhalten und nicht enttäuscht werden?
Flydubai bringt uns definitiv einen Mehrwert, da sie Märkte bedienen kann, die für Emirates mit den Boeing 777 zu klein sind. Wir decken dank Flydubai 120 zusätzliche Ziele ab, insgesamt kommen wir also auf 260 Ziele. Wir ergänzen uns gegenseitig. Wir sind sehr transparent und zeigen den Reisenden, was sie auf welchem Flug erwartet. Flydubai hat ihr Produkt aber wirklich hochgefahren. Wir haben so versucht, das Angebot der beiden Fluggesellschaften anzugleichen, damit die Leute keinen Unterschied spüren.

Stuttgart ist eine weitere Möglichkeit für Emirates in der Zukunft.

Der Frachtmarkt hat in letzter Zeit gelitten. Sie haben sich dennoch zwei  Boeing 747 F beschafft. Warum?
Kurzfristig gibt es sicherlich eine gewisse Schwäche, die vor allem von einigen europäischen Märkten ausging. Aber wir glauben, dass dies nur von kurzer Dauer ist. Asien entwickelt sich immer noch recht gut, Indien entwickelt sich gut. China kommt jetzt allmählich wieder. Wir sehen auch, dass zum Beispiel Vietnam sehr stark anzieht. Die Rentabilität gerät aufgrund der aktuellen Lage unter Druck. Die Tonnagen wachsen aber.

Katar hat ein Opensky-Abkommen mit Europa. Sind Sie darauf neidisch?
Wir haben recht gute bilaterale Beziehungen zu den Ländern Europas. Wir erreichen mit 43 Destinationen rund 90 bis 95 Prozent des Marktes. Bei den Zielen, die wir nicht erreichen, da versuchen wir die Lücken über bilaterale Abkommen oder durch die Partnerschaft mit den anderen Fluggesellschaften zu schließen.

Sie dürfen aktuell nur vier deutsche Städte anfliegen. Wenn Emirates weitere ansteuern dürfte, welche wären es?
Wir haben es bereits mehrmals gesagt: Berlin wäre interessant. Berlin ist die Hauptstadt und groß. Ich sehe viel Punkt-zu-Punkt-Verkehr zwischen der Stadt und Region und den Vereinigten Arabischen Emiraten. Stuttgart ist eine weitere Möglichkeit für Emirates in der Zukunft. Aber auch hier warten wir auf den Moment, in dem die deutsche Regierung dies erlauben wird.

Könnten Sie sich vorstellen, mit europäischen Konzernen wie Lufthansa zusammenzuarbeiten?
Wir waren und sind als Unternehmen offen für Kooperationen. Wir arbeiten mit vielen Fluggesellschaften zusammen, von denen nicht einmal wir erwartet hatten, dass wir eines Tages mit ihnen zusammenarbeiten würden. Die Kooperation muss einfach für beide einen Mehrwert bringen. Bis jetzt gibt es keine Gespräche mit dieser Fluggesellschaft, die Sie erwähnt haben, aber wir sind immer offen, Möglichkeiten zu erkunden.

Adnan Kazim studierte an der Al Ain University in den Vereinigten Arabischen Emiraten. Er kam 1992 zu Emirates. Seine Karriere entwickelte sich geradlinig und unter anderem leitete er die Regionen Naher Osten und Afrika, später war er für Flottenplanung, Marktausbau und Regierungsbeziehungen mitverantwortlich. Seit 2019 sitzt er im Vorstand der Golfairline, wo er als Chief Commercial Officer für den Vertrieb zuständig ist.