Zwei Techniker von Delta Air Lines haben durch einen explodierten Reifen einer Boeing 757 das Leben verloren. Wie kann es am Boden zu so etwas kommen?
Dass bei der Landung von Verkehrsflugzeugen Reifen platzen, geschieht nicht oft, aber doch ab und an. Am Dienstag (27. August) ist allerdings ein Reifen einer Boeing 757 von Delta Air Lines in Atlanta nicht etwa bei der Landung explodiert, sondern bei der Wartung im Hangar. Das hat zwei Angestellte der Airline das Leben gekostet und einen weiteren schwer verletzt.
Nach Angaben von Delta ereignete sich die Explosion, als Radkomponenten zu Wartungszwecken demontiert wurden. Die Teile waren zu diesem Zeitpunkt nicht an einem Flugzeug befestigt, so die Fluggesellschaft laut der Nachrichtenagentur AP.
Aber wieso explodiert ein Reifen, der dafür gebaut ist, dass ein Flugzeug mit mehr als 90 Tonnen Gewicht darauf landet, in der Wartung? Im konkreten Fall haben sich Delta und die zuständigen Behörden noch nicht dazu geäußert. Dennoch lassen sich einige generelle Dinge zu Flugzeugreifen und die sie betreffenden Risiken bei der Wartung sagen.
Zuerst einmal gibt es Sicherheitsmaßnahmen. So sind Flugzeugreifen etwa mit Stickstoff gefüllt, statt mit normaler Luft. Denn diese könnte aufgrund des Sauerstoffgehaltes einen Brand anfachen und aufgrund von enthaltener Feuchtigkeit zu Korrosion führen.
Zusätzlich haben Flugzeugreifen ein Überdruckventil sowie ein temperaturabhängiges Schmelzventil. Darin schmilzt ab einer gewissen Temperatur ein metallener Kern, sodass der Stickstoff aus dem Reifen entweichen kann, ohne dass dieser explodiert.
Dennoch warnt der Reifenhersteller Goodyear in einem Handbuch zu Pflege und Wartung: «Flugzeugreifen sind für den Betrieb bis zum oder bei dem angegebenen Reifendruck ausgelegt. Wird dieser Druck überschritten, kann das Flugzeugrad oder der Flugzeugreifen explodieren, was zu schweren oder tödlichen Verletzungen führen kann.» Daher sollten immer Druckregler verwendet werden, «um Verletzungen oder Todesfälle zu verhindern». Reifen von Verkehrsflugzeugen werden auf einen Druck von rund 200 PSI (fast 14 Bar) aufgepumpt. Das ist ein Vielfaches des Drucks von Autoreifen, der meist unter 3 Bar liegt.
Es folgt im Handbuch als extra markierte Warnung der Hinweis: «Neu montierte Reifen und Räder sollten in Sicherheitskäfigen aufgepumpt werden.» Bei diesen Sicherheitskäfigen handelt es sich um Metallkäfige, die dem Schutz Technikerinnen und Techniker dienen.
Einer der wichtigsten Punkte: Reifen müssen vor Schäden geschützt werden. «Reifen sollten sauber und frei von Verunreinigungen wie Öl, Hydraulikflüssigkeiten, Fett, Teer und Entfettungsmitteln gehalten werden, die eine zersetzende Wirkung auf Gummi haben», schreibt Hersteller Goodyear. Außerdem gilt: «Lagern Sie Reifen fern von Leuchtstoffröhren, Elektromotoren, Batterieladegeräten, elektrischen Schweißgeräten und elektrischen Generatoren, da diese Ozon erzeugen, das Gummi schädigen kann.»
Ebenfalls ist darauf zu achten, dass alle wichtigen Bereiche am Flughafen frei sind von Fremdkörpern, die Schäden an den Reifen verursachen könnten. Ebenso ein möglicher Auslöser für Schäden an den Reifen sind Löcher, Risse oder Stufen im Bodenbelag.
Es gilt: «Untersuchen Sie keine Risse, Schnitte oder eingebettete Fremdkörper, während der Reifen aufgepumpt ist. Dies könnte dazu führen, dass der Gegenstand zu einem Projektil wird oder der Reifen explodiert, was zu Schäden, schweren Verletzungen oder zum Tod führen kann.» Es muss also zuerst der Stickstoff abgelassen werden. Dafür muss der Reifen Umgebungstemperatur haben - was nach dem Flug rund drei Stunden Abkühlzeit benötigt.
Denn die Reifentemperatur kann im Betrieb um mehr als 93 Grad Celsius über die Umgebungstemperatur steigen. Und extrem hohe Temperaturen verringern die Festigkeit der Reifen-Lagen aus gummibeschichtetem Gewebe, was laut Handbuch ebenfalls zu «einer Explosion mit schwerwiegenden oder tödlichen Verletzungen führen könnte».
Sollte ein Reifen sogar Anzeichen von Beschädigungen aufweisen, «welche die strukturelle Integrität beeinträchtigen könnten», sollen sich Mitarbeitende diesem Reifen wegen des hohen Risikos nicht einmal nähern. Es müssen dann spezielle Sicherheitsabläufe befolgt werden.
Zur Stärke solche einer Explosion zitiert das Magazin Quartz aktuell aus einem alten Artikel der Zeitschrift SAE Transactions. Das berichtetet 1996 über Versuche, bei denen Reifen von F-16-Kampfjets und Boeing B-52 (die einen noch höheren Druck haben als die Reifen von Verkehrsflugzeugen) absichtlich zum Platzen gebracht wurden. «Ein platzender Reifen ist wie eine explodierende Bombe», schrieb SAE Transactions damals über die Ergebnisse. Die freigesetzte Energie könnte mit der von Dynamit verglichen werden.