Pradeep Pinakatt und Lars Redeligx, Flughafen Düsseldorf
«Uns fehlen in Düsseldorf im Vergleich zu früher eine Flybe, eine Easyjet oder eine Ryanair»
Lars Redeligx und Pradeep Pinakatt bilden die Geschäftsführung des Flughafens Düsseldorf. Im Interview sprechen sie über den Verlust der Delta-Air-Lines-Flüge, europäische Billigflieger und das große Interesse an der geschlossenen Besucherterasse.
Pradeep Pinakatt (l.) und Lars Redeligx: Führen den Flughafen Düsseldorf.
Pradeep Pinakatt (l.) und Lars Redeligx: Führen den Flughafen Düsseldorf.
Seit Anfang des Jahres hat der Flughafen Düsseldorf eine neue Geschäftsführung: Lars Redeligx ist Vorsitzender, Pradeep Pinakatt verantwortet die kaufmännischen Ressorts und ist Arbeitsdirektor. aeroTELEGRAPH traf die beiden Manager zum gemeinsamen Interview.
Sie haben kürzlich die unangenehme Nachricht erhalten, dass Delta Air Lines ihre Route nach Atlanta einstellt und Düsseldorf damit seine einzigen Flüge in die USA verliert.
Lars Redeligx*: Es war vor allem eine überraschende Nachricht. Denn der Flug war sehr gut nachgefragt mit mehr als 90 Prozent Sitzladefaktor ab Düsseldorf.
War also die Nachfrage aus den USA das Problem?
Redeligx: Ich habe verstanden, dass die Nachfrage sehr stark aus dem Raum Düsseldorf kam und der Verkaufsanteil in den USA niedriger war als zu anderen europäischen Flughäfen. Hinzu kommt: Im Moment ist der Dollar sehr stark und amerikanische Verkäufe sind daher besonders wichtig für die Profitabilität einer solchen Strecke. Aber das ist eine Momentaufnahme.
Pradeep Pinakat**: Das gilt auch, weil aktuell die begrenzte Verfügbarkeit von Flugzeugen und Personal stark in die Netzwerkplanungen der Fluggesellschaften hineinspielt.
Sie wollen Delta also zurückgewinnen.
Redeligx: Wir sind im Gespräch mit mehreren US-Airlines. Zumal sich ja nicht nur der Flughafen für den Flug eingesetzt hat, sondern die ganze Region, von der Industrie- und Handelskammer oder der American Chamber of Commerce bis zur Stadtspitze. Viele Entscheidungsträger haben betont, wie wichtig dieser Flug ist. Denn Düsseldorf ist nicht nur Landeshauptstadt, sondern hat vor allem ein Einzugsgebiet mit 18,5 Millionen Einwohnern und mehr als 700.000 kleinen und mittleren Unternehmen im Radius von 100 Kilometern. Der Flughafen hat zwei tägliche Flüge von Emirates, bald zwei tägliche von Qatar Airways und drei wöchentliche von Etihad. Das zeigt das Interkontinental-Potenzial – in diesem Fall in den Mittleren Osten und nach Asien. Und genauso werden wir in Düsseldorf in Zukunft wieder Interkontinentalverkehr nach Amerika haben.
Macht Ihnen die Nähe zu den Megahubs Amsterdam und Frankfurt das Leben dabei so schwer?
Redeligx: Der Wiederaufbau der Langstrecke wird prioritär aus den Hubs betrieben und das ist auch nachvollziehbar. Das heißt aber nicht, dass es keinen Raum für Direktverbindungen gibt, im Gegenteil. Die Frage ist immer, wie groß das Potenzial für eine Direktverbindung ist. Und da haben wir mit unserem Einzugsgebiet die beste Position unter den Flughäfen, die keine Hubs sind. Wobei Berlin eine besondere Situation hat durch die Bedeutung als Hauptstadt und den Incoming-Verkehr.
Kommen für Sie nur die großen US-Airlines infrage, oder auch ein kleinerer Anbieter wie Norse?
Redeligx: Wir sprechen immer mit allen Airlines. Natürlich haben Netzwerk-Carrier, die auf einer Seite der Verbindung ein Drehkreuz betreiben, einen Vorteil. Auch Deltas Atlanta-Flug hatte viele Umsteiger, etwa Richtung US-Westküste. Und das ist ein Potenzial, das es auch in Zukunft zu nutzen gilt. Zumal in absehbarer Zeit mit dem Airbus A321 XLR ein Flugzeug auf den Markt kommen wird, das perfekt passt für einen Standort wie Düsseldorf.
Bald können Airlines Routen mit dem XLR einführen und später auf ein größeres Modell wie einen A330 hochtauschen.
Abgesehen von den USA: Welche Strecken erhoffen Sie sich vom A321 XLR?
Redeligx: Wir sehen auch Potenziale nach Asien, Indien oder China. Durch die Effizienz und die kleinere Röhrengröße ist der XLR geeinigt, ein sehr attraktives Produkt aus Airline-Sicht mit einer vergleichsweise geringen Kostenbasis in den Markt zu bringen. Er ist auch das perfekte Flugzeug, um eine Strecke zu starten. Denn Airlines wägen ab, wie hoch die Investitionen ausfallen, bis eine Strecke Bekanntheit erlangt. Bald können sie Routen mit dem XLR einführen und später auf ein größeres Modell wie einen A330 hochtauschen.
Sehen Sie Chancen, dass ANA All Nippon Airways bald wieder nach Düsseldorf fliegt?
Redeligx: Dafür sehen wir im Moment keine Anzeichen. Die ANA sagt explizit, dass die Strecke nach Düsseldorf nur pausiert ist. Auch weil wir eine große japanische Community haben, die sich den Flug sehnlichst zurückwünscht. Ebenso die Düsseldorfer Wirtschaft. Aber solange Russlands Krieg gegen die Ukraine weitergeht, kann die ANA den russischen Luftraum nicht für Überflüge nutzen und das ist ein erheblicher Kostenfaktor. Wir hoffen, dass sie bald zurückkehrt, können aber nicht in Aussicht stellen, dass es nächsten Sommer schon soweit ist.
Sie haben hier am Flughafen wenig echte Billigflieger. Warum ist das so?
Redeligx: Das beschränkt sich nicht auf Düsseldorf. Deutschland liegt bei der Erholung des Luftverkehrsangebotes hinter den meisten anderen Märkten in Europa zurück. Ein Grund ist, dass europäische Low Cost Carrier mit Kapazitätsentscheidungen nach Deutschland sehr zurückhaltend sind. Das liegt auch an den Standortkosten, die uns Sorgen machen.
Zum Beispiel?
Redeligx: Deutschland hat die dritthöchste Luftverkehrsteuer und auch bei den Flugsicherungsgebühren – nach fast 80 Prozent Erhöhung in den vergangenen Jahren – die dritthöchsten Kosten in Europa. Bei den Sicherheitsgebühren stehen schon die nächsten Gebührenerhöhungen an. Zwar erholen sich die deutschen Fluggesellschaften wie Eurowings, Condor und Tui sehr gut. Aber uns fehlen in Düsseldorf im Vergleich zu früher eine Flybe, eine Easyjet oder eine Ryanair, die mit der Lauda hier war vor der Pandemie. Ich glaube allerdings, auch das wird sich perspektivisch wieder nivellieren.
Flugzeug von Flybe in Düsseldorf: Die Airline gibt es nicht mehr. Bild: KDN/aeroTELEGRAPH
Ryanair hat Ihren Abschied aus Düsseldorf aber nicht nur mit hohen Gebühren in Deutschland begründet, sondern auch mit den hohen Abgaben, die speziell an Ihrem Flughafen anfallen.
Redeligx: Ich stelle fest, dass Ryanair weiterhin nach Hamburg fliegt und unsere Flughafengebühren sehr vergleichbar sind mit denen von Hamburg. Das kann also nicht der Grund sein.
Wie wird der Flughafen Düsseldorf dieses Jahr abschneiden bei Passagierzahlen und wirtschaftlich?
Pinakatt: Wir werden nicht die 20 Millionen Passagiere erreichen, die wir uns erhofft hatten. Besonders der Winterflugplan sieht anders aus, als wir das zu Jahresbeginn erwartet und Airlines es angekündigt hatten. Das hat erhebliche Auswirkungen auf die Erlössituation. Dennoch werden wir verkehrlich ein signifikantes Wachstum hinlegen und schwarze Zahlen schreiben. Wir sind auf dem Pfad der Erholung und sehen positiv in die Zukunft. Es muss jedoch eine neue Einordnung erfolgen, wenn wir uns ansehen, wie die Erholung in Deutschland abläuft im europäischen Vergleich.
Das müssen Sie bitte genauer erklären
Pinakatt: Lars hat gerade schon ein paar Punkte angesprochen. Ein wesentlicher Faktor ist, dass die Rahmenbedingungen in Deutschland nachteiliger sind als in vielen anderen europäischen Ländern. Auch Verfügbarkeit von Flugzeugen und Personal spielen eine Rolle. Und speziell in Deutschland verändert sich der Inlandsverkehr durch ein gestiegenes Nachhaltigkeitsbewusstsein, andere Dienstreiseregelungen und die Förderung der Bahn.
Redeligx: Die Airlines schreiben 2023 zum Teil wieder Rekordgewinne, auch weil die Preise bei eher knapper Kapazität deutlich gestiegen sind. Aber die Flughäfen partizipieren an dieser Entwicklung nicht, im Gegenteil. Fluggesellschaften stellen selektiv Kapazität in den Markt, vor allem dort, wo es eine starke Übernachfrage gibt, besonders im Sommer. In den verkehrsschwächeren Monaten erholt sich das Angebot aber deutlich weniger gut. Das ist eine operative Herausforderung. Denn wir können uns ja nicht dimensionieren auf eine Größe, die im Sommer bald das Niveau von 2019 erreicht, und diese Kapazität für den Winter vorhalten, wo das Angebot eher bei 60 Prozent des Vorkrisenniveaus liegt. Das auch für andere deutsche Flughäfen abseits der Hubs eine strukturelle Herausforderung.
Hat das auch Folgen für die Geschäfte im Flughafen? Wenn die Menschen für ihre Flüge anderthalbmal so viel bezahlen wie vor der Pandemie, gebe sie dann weniger im Flughafen aus? Oder ist das der sprichwörtliche Tropfen auf den heißen Stein?
Redeligx: Wir werden das noch eine Weile beobachten müssen, um eine Aussage treffen zu können. Wir hatten Fluggäste teilweise auch sehr lange im Terminal, weil sie immer noch sehr früh angereist sind. Das ist ein Vorteil für die Geschäfte. Aber im Endeffekt hat eine Familie mit zwei Kindern ein Reisebudget für den Urlaub und je mehr sie für Flug und Hotel zahlt, desto mehr muss sie sich an anderen Stellen überlegen, was sie sich leistet und was nicht.
Wann werden Sie die für 2023 anvisierten 20 Millionen Fluggäste erreichen?
Redeligx: Im nächsten Jahr.
Und wie viele werden es in diesem Jahr?
Redeligx: Etwa 20 Prozent mehr als im letzten Jahr, also rund 19 Millionen.
Wenn wir die Steuerung der Sicherheitskontrollen nach dem Frankfurter Modell übernehmen, erheben wir eine Gebühr von den Airlines. Aber das ist ein Risiko, wenn weniger Passagiere abfliegen als geplant.
Ihr Vorgänger Thomas Schnalke hat immer darauf gedrängt, dass der Flughafen selber die Verantwortung für die Sicherheitskontrollen übernimmt. Auch der Flughafen Berlin hat sich jetzt für dieses sogenannte Frankfurter Modell entschieden. Sie wollen das nicht. Wieso?
Pinakatt: Wir haben ernsthaft geprüft, die Verantwortung für die Sicherheitskontrollen zu übernehmen, was aufgrund von laufenden Verträgen ab 2025 möglich wäre. Parallel haben wir zusammen mit der Bundespolizei und den Dienstleistern das bestehende System verbessert. Etwa mit Maßnahmen wie DUS Gateways, unserem System, mit dem Reisende sich Zeitfenster für die Sicherheitskontrolle reservieren können. Die Kundenzufriedenheit ist enorm gestiegen. Durchschnittlich 90 Prozent aller Passagiere gelangen mittlerweile in weniger als 10 Minuten durch die Sicherheitskontrollstellen. Der zweite wichtige Aspekt ist: Wir müssen eine neue Einordnung der verkehrlichen Entwicklung für dieses Jahr und die nächsten Jahre vornehmen. Das hat auch Auswirkungen wirtschaftlicher Natur.
Mit welchen Folgen für die Entscheidung zu den Sicherheitskontrollen?
Pinakatt: Wenn wir die Steuerung der Sicherheitskontrollen nach dem Frankfurter Modell übernehmen, erheben wir eine Gebühr von den Airlines. Aber das ist ein Risiko, wenn weniger Passagiere abfliegen als geplant. Daher haben wir uns aktuell dagegen entschieden – aber wir schließen nicht aus, dass wir es in Zukunft doch tun.
Wie sieht der Zeitplan aus für die Anschaffung von CT-Scanner, die es überflüssig machen, Geräte wie Laptops und Flüssigkeiten bei den Kontrollen auszupacken?
Pinakatt: Im November kommt der erste, im Januar folgen weitere sechs. Alle an den Flugsteigen A und B. Das wird den Durchsatz spürbar erhöhen. Und dabei wird es nicht bleiben. Wir sind dazu im engen Austausch mit Bundesinnenministerium und Bundespolizei.
Ein Nadelöhr Ihres Flughafens sind auch die Passkontrollen bei der Ankunft in Flugsteig C. Haben Sie da einfach ein Platzproblem?
Pinakatt: Wenn ich aus der Heimat meiner Eltern zurückkomme, komme ich auch oft dort an. Wir sehen an dieser Stelle durchaus noch Potenzial. Wir haben sogenannte Easypass-Anlagen, die automatisch und ohne Mitarbeiter der Bundespolizei funktionieren. Aber wir sehen, dass bisher viele Reisende, die einen Aufenthaltstitel in Deutschland haben, das nicht nutzen, obwohl sie es könnten. Da ist die Bundespolizei aktiv in der Kommunikation. Aktuell gibt es zum Beispiel einen Beitrag bei einem türkischen TV-Sender.
Es gibt auch andere enge Bereiche, wie etwa der Non-Schengen-Bereich für London-Flüge in Flugsteig A. Hätten Sie eigentlich die Möglichkeit, den Flughafen in Zukunft baulich zu erweitern? Ist das Platz für vorhanden?
Redeligx: Die Fläche ist die, die wir heute haben. Der Flughafen wird sich nicht ausdehnen können. Aber wir können die Nutzung der Fläche optimieren. Aktuell bauen wir eine neue Feuerwache. Und auf dem Vorfeld haben wir die Möglichkeit, das Terminal an der Seite von Flugsteig C zu erweitern. Da könnten 8. wir zum Beispiel weitere Abfertigungskapazitäten schaffen. Dazu könnte das Gebäude verlängert oder eine Struktur ums Eck gebaut werden. Insgesamt kann man aber sagen, dass wir vor allem durch intelligente Konzepte wachsen wollen.
Zum Beispiel?
Redeligx: Wir incentivieren über die Entgeltstruktur sowohl hohe Auslastung als auch, dass Airlines größere Flugzeuge mit mehr Plätzen einsetzen. Und das sehr erfolgreich. Würden wir in diesem Jahr mit der gleichen Anzahl von Passagieren pro Flug fliegen wie im Jahr 2019, hätten wir 8000 Flüge mehr gebraucht, um die gleiche Verkehrsleistung zu erzielen. Und in unserem Änderungsantrag zum Planfeststellungsverfahren akzeptieren wir die heutige Kapazitätsobergrenze, streben aber einen erhöhten Stundeneckwert an und eine flexiblere Nutzung der zweiten Start- und Landebahn an, unter Wahrung des Angerlandvergleiches.
Pinakatt: Wir schauen uns auch an, wie wir den Betrieb im Terminal verändern können durch neue Technologien – Biometrie, noch mehr Digitalisierung und Automatisierung. Der Flächenbedarf eines traditionellen Check-ins ist zum Beispiel viel größer als bei einem hohen Anteil von Online-Check-ins. Ein anderes Beispiel sind Automaten für die Gepäckaufgabe. All das wird uns helfen, in der bestehenden Infrastruktur viel mehr zu leisten.
Air-Berlin-Jet, fotografiert von der Düsseldorfer Besucherterrasse im Jahr 2017. Bild: aeroTELEGRAPH
Seit der Pandemie ist Ihre Besucherterrasse geschlossen, die zuvor ohne Glaswände auskam, dafür einen Sicherheitscheck hatte. Wann eröffnen Sie sie wieder – und in welcher Form?
Redeligx: In diesem Jahr war für uns die Priorität Nummer eins, die Wartezeiten an den Sicherheitskontrollen zu reduzieren. Aber natürlich ist auch die Besucherterrasse sehr wichtig für den Flughafen. Das ist eine emotionale Frage. Wir alle haben Geschichten in Erinnerung, wie man als Kind zum Flughafen gefahren ist und die Welt da draußen bestaunt hat. Ich glaube, Flughäfen müssen auch in Zukunft erlebbar bleiben und Erlebnisse bieten. Allerdings haben Sie den neuralgischen Punkt angesprochen. Die Frage ist, wie man die Besucherterrasse wirtschaftlich betreiben kann. Wir befassen uns damit.
Und wann wird es soweit sein?
Redeligx: Einen Zeitpunkt können wir nicht nennen. Wir können nur sagen, wir haben den Anspruch, die Terrasse wieder zugänglich zu machen. Und dazu wird auch eine Veränderung baulicher Art gehören. Denn in der Tat: Man braucht dann einen Überwurfschutz, um den Zugang ohne Sicherheitskontrolle anbieten zu können.
Das ist der Plan?
Redeligx: Das kann nur so gehen. Aber die Umsetzung ist nicht trivial.
Interessiert das Thema viele Leute?
Pinakatt: Es ist ein hochemotionales Thema. Ich komme aus dem Ruhrgebiet und mein bester Kumpel hat noch VHS-Kassetten von 1986, die zeigen, wie die ganze Familie hier ist. Wir werden von allen Seiten darauf angesprochen. Ob es eigene Mitarbeiter sind, Politiker, Geschäftsleute oder Familien, die diesen Ort in der Vergangenheit besucht haben.
Dann könnte auch die Flächen davor wieder bezogen werden, wo in der Vergangenheit kleine Reisebüros waren.
Redeligx: Das ist eine sehr prominente Fläche und wir haben durchaus Ideen, was man dort im Zuge einer Neueröffnung der Terrasse als neues Erlebnis schaffen könnte.
Sie wollen also gar nicht an kommerzielle Geschäfte vermieten, sondern etwas vom Flughafen selber dort umsetzen?
Redeligx: Das kann sein, muss aber nicht. Wir nehmen uns die Zeit, um ein Gesamtkonzept zu entwickeln.
Als wir Ihren Vorgänger Thomas Schnalke nach der größten Herausforderung für seine Nachfolger – also Sie – gefragt haben, sagte er: «Vor allem die Frage, wie wir künftig mit dem stark Peak-getriebenen Geschäft umgehen.» Nun geht Ihr Planfeststellungsverfahren im Tagesverlauf sogar noch stärker in diese Peaks, also die Spitzen beim Verkehr. Wie organisieren Sie und die Unternehmen am Flughafen das, etwa in Sachen Mitarbeitende?
Redeligx: Darauf gibt es nicht die eine Antwort. Wir müssen uns der Nachfrage dort stellen, wo sie ist. Wir können nicht sagen: Wir wollen keine Starts mehr morgen um 6 Uhr. Daher setzen wir in Zeiten, in denen schon heute die Kapazität schon knapp ist, aber die Nachfrage weiterhin groß, auf Technologie und bessere Prozesse. Und parallel arbeiten wir mit den Airlines daran, die Flugzeiten zu optimieren und die Spitzen zu entzerren.
Pinakatt: Zudem wollen wir Airlines weiterhin davon überzeugen, dass sie auch in den Tälern sinnvolle Slots auswählen, die dann zum Beispiel zu einer höheren Prozessstabilität beitragen können.
Wir haben einen Alarmdraht in unserem Zaun, der den gesetzlich geforderten Sicherheitsstandard übererfüllt und den es nur an wenigen Flughäfen gibt.
Auch bei Ihnen am Flughafen gab es Klimaprotest auf dem Rollfeld. Was mir dabei oft zu kurz kommt: Wenn die Letzte Generation dort eindringen kann, können das doch auch gefährlichere Leute. Sind unsere deutschen Flughäfen sicher genug?
Redeligx: Eindeutig ja. Ein Sicherheitskonzept besteht aus mehr als einem Zaun. Zum Beispiel aus dem Alarm- und Meldesystem, wenn ein Zaun überwunden wird, und dem, was danach passiert. Wir haben einen Alarmdraht in unserem Zaun, der den gesetzlich geforderten Sicherheitsstandard übererfüllt und den es nur an wenigen Flughäfen gibt. Dadurch haben wir in dem Moment, in dem die Aktion gestartet ist, erkannt, dass ein Eindringversuch stattfindet. Die Sicherheitszentrale hat über Kameras identifiziert, wo diese Stelle in der Nähe des Fernbahnhofs liegt, und wir hatten innerhalb von vier Minuten die ersten Einsatzkräfte vor Ort. Das hat dazu geführt, dass zwei von neun Aktivisten sich nicht festkleben konnten. Die anderen hatten keine Zeit, sich auf dem Gelände zu verteilen. Parallel hat unsere Verkehrszentrale die Flugsicherung informiert, damit wir den Flugbetrieb gar nicht erst starten. Das heißt, es war nie ein Flugzeug auch nur in der Nähe.
Trotzdem wurde der Zaun überwunden.
Redeligx: Und daher müssen wir uns fragen: Kann man die Sicherheit am Zaun noch erhöhen? Dazu sind wir in der Diskussion mit der Bundespolizei. Wir haben Ideen, wie wir die Sicherheit noch weiter erhöhen können. Mir ist aber noch eine Anmerkung wichtig.
Bitte.
Redeligx: Wir haben im Paragraf 315 des Strafgesetzbuches eine sehr hohe Bewertung des Straftatbestandes des gefährlichen Eingriffs in den Luftverkehr. Aber hier gibt es Lücken in der Definition des Straftatbestands. Denn während die Bundespolizei bisher jeden Eindringversuch an deutschen Flughäfen zur Anzeige gebracht hat, ist kein einziger Aktivist nach Paragraf 315 verurteilt worden. Wir haben maximal Verurteilungen für Sachbeschädigung, Hausfriedensbruch und so weiter. Damit hält man niemanden davon ab, diese Aktionen zu wiederholen. Das führt dazu, dass die Täter oft Wiederholungstäter sind.
Was fordern Sie?
Redeligx: Die Forderung der deutschen Luftverkehrswirtschaft ist, Paragraf 315 weiterzuentwickeln und einen abstrakten Straftatbestand zu schaffen, damit nicht erst jemand an Leib und Leben gefährdet werden muss, damit es zu einer Verurteilung kommt. Hier gibt es ja inzwischen auch Vorstöße aus der Politik, was uns freut.
Und wie sieht ihr Zeitplan aus, den Flughafen weniger klimaschädlich zu machen?
Pinakatt: Von 2010 bis 2022 hat der Flughafen durch eine Reihe von Maßnahmen den C02-Ausstoß halbiert. Bis 2030 werden wir bei einem Drittel von dem sein, was wir 2010 hatten. Bis spätestens 2035 wollen wir C02-neutral sein. Dazu stellen wir für die Elektrifizierung auf dem Vorfeld Ladeinfrastruktur bereit. Wir haben bei den neuen Ausschreibungen für die Bodendienstleister Vorgaben gemacht, bis zu welchem Grad die Fahrzeugflotte nachhaltiger werden muss und bis wann. Wir werden eine Wasserstoff-Tankstelle errichten an der Grenze Luft- und Landseite, so dass sie sehr flexibel genutzt werden kann. Es geht aber natürlich auch um Kerosin, wenn man wirklich etwas erreichen will in Sachen Nachhaltigkeit. Daher wollen wir hier am Flughafen Sustainable Aviation Fuel verfügbar machen. Kurzfristig muss man schauen, dass man es hierhin geliefert bekommt. Mittel- bis langfristig können wir uns vorstellen, dass man hier in der Region produziert.
*Lars Redeligx, 53, ist Luftverkehrskaufmann und studierter Betriebswirt mit einer langjährigen Karriere im Lufthansa-Konzern. Er war Kommerzchef von Brussels Airlines und Sprecher der Geschäftsführung von LSG Europa Lufthansa Service. Vor seinem Wechsel zum Flughafen Düsseldorf arbeitete Redeligx als Geschäftsführer beim privaten Bahnfrachtunternehmen Lineas in Brüssel.
**Pradeep Pinakatt, 44, ist Industriekaufmann und Betriebswirt. Nach seinem dualen Studium bei Hochtief und verschiedenen Positionen beim Baukonzern war er beim Flughafen-Gesellschafter Avi Alliance tätig und dort unter anderem für die Beteiligung am Flughafen Düsseldorfer Airport zuständig. 2017 wurde Pinakatt Geschäftsführer von Flughafen Düsseldorf Ground Handling.