Großkunde
Warum Ryanair-Chef O’Leary bei Boeing ein Kamel vermutet
Der irische Billigflieger ist für Boeing ein wichtiger Kunde. Nun kritisiert Ryanair-Chef Michael O'Leary ungewöhnlich detailliert Management und Strategie des Flugzeugbauers.
Michael O’Leary (Zweiter von links) und Stan Deal (ganz rechts) bei der Unterzeichnung einer großen Bestellung 2023: Da war die Laune noch gut.
Michael O’Leary (Zweiter von links) und Stan Deal (ganz rechts) bei der Unterzeichnung einer großen Bestellung 2023: Da war die Laune noch gut.
Michael O’Leary liebt die Provokation. «Die Umwelt interessiert mich einen Dreck», sagte er 2011 in einem Interview. 2020 verglich er Lufthansa mit einem «Crack-Kokain-Junkie». Es gibt unzählige weitere Beispiele. Denn wenn solche Statements die Runde machen und für Empörung sorgen, macht das O’Learys Airline Ryanair noch bekannter und das freut ihn.
So ist es auch nicht verwunderlich, dass der Chef des irischen Billigfliegers nun gegenüber dem Magazin Skift sagt: «Boeing liebt es, Corporate Bullshit zu reden», was Konzernfloskeln bedeutet, wobei «Bullshit» aber mit «Scheiß» oder «Schwachsinn» treffender übersetzt ist. Überraschend ist vielmehr, wie sehr O’Leary dieses Mal ins Detail geht bei seiner Kritik.
«Sie sind eh bis 2030 komplett ausverkauft»
Auf die Frage, ob er Vertrauen in Stan Deal habe, den Chef von Boeings Zivilflugzeugsparte, antwortete der Ryanair-Chef: «Ich denke, Stan Deal muss beweisen, dass er in der Lage ist, den Betrieb in Seattle wieder auf die Beine zu stellen». Deal sei ein sehr guter Verkäufer, aber Boeing brauche aktuell nicht unbedingt einen Verkäufer, so O’Leary
«Sie brauchen keine Verkäufe, sie sind eh bis 2030 komplett ausverkauft», sagte der Airline-Chef. Boeing brauche Führung und «jemanden, der täglich dort sitzt und die Arbeit erledigt», der die Gründe für Verzögerungen finde und die Lieferketten in Ordnung bringe. Deal müsse «täglich in Seattle sitzen und Flugzeuge produzieren».
Kritik auch an Aufteilung im Management
Dass O’Leary in diesem Zusammenhang zwei Mal namentlich Seattle nennt, könnte auch als Kritik daran verstanden werden, dass Boeings Hauptquartier bei Washington D.C. liegt, obwohl sich die 737-Produktion sich beim historischen Standort Seattle befindet.
Boeing-737-Großkunde O’Leary kritisiert auch die Strategie bei den jüngsten Wechseln im Management des Flugzeugbauers. Nach dem 737-Max-Vorfall bei Alaska Airlines hatte Boeing Katie Ringgold zur neuen Chefin des 737-Max-Programmes ernannt und Elizabeth Lund erhielt den neuen Posten der Chefin der Qualitätskontrolle.
«Ein Komitee, das ein verdammtes Kamel entwirft»
O’Leary lobte die Managerinnen, sprach sich aber gegen die Trennung der Aufgaben aus. «Sie beauftragen jemanden mit der Verantwortung für die 737 und jemanden mit der Sicherheit», so der Ryanair-Chef. «Warum ist die Person, die für die 737 verantwortlich ist, nicht auch für die verdammte Sicherheit verantwortlich?»
«Das riecht nach Corporate Bullshit», sagt der Ryanair-Chef. «Boeing liebt es, diesen Corporate Bullshit zu reden, dass sie ein Führungsteam von 3500 Leuten haben, aber das ist ein Komitee, das ein verdammtes Kamel entwirft.» Damit bezieht er auf das Sprichwort «A camel is a horse designed by a committee» – «Ein Kamel ist ein Pferd, das von einem Komitee entworfen wurde.» Es steht für einen Entwurf, an dem viele Beteiligte gearbeitet haben, denen aber ein vereinender Plan und eine vereinende Vision fehlen.
Offene Bestellungen für mehr als 200 Jets
Ryanair betreibt eine reine Boeing-737-Flotte. Ende Februar standen im Orderbuch des Flugzeugbauers offene Bestellungen für 216 Boeing 737 Max für den irischen Billigflieger.