Interview mit Andreas Gruber, Laudamotion
«Mehr als 40 Airbus-Jets im Sommer 2021»
Geschäftsführer Andreas Gruber verrät im Interview, dass Laudamotion jetzt mit zehn Airbus A320 mehr rechnet und er spricht über die Konkurrenz in Wien, über Ryanair und den Kampf gegen Lufthansa.
Andreas Gruber: «Unsere Preise steigen nicht.»
Andreas Gruber: «Unsere Preise steigen nicht.»
Vor einem Jahr waren Sie noch bei der Air-Berlin-Tochter Niki für die Netzwerkplanung verantwortlich. Heute sind Sie Chef der Billigairline und Ryanair-Tochter Laudamotion. Hätten Sie das vor zwölf Monaten erwartet?
Andreas Gruber*: Nein! Aber es ist eine tolle Erfahrung. Das Jahr war echt unglaublich aufregend und es kommt eben oft anders, als man glaubt.
Im Fall von Laudamotion sogar ziemlich anders. Zuerst sollte ja Lufthansa Niki übernehmen, dann IAG, dann Niki Lauda, am Ende war Ryanair der Besitzer…
Natürlich hat sich der Businessplan dadurch deutlich geändert. Ursprünglich hatten wir ja eine Lösung mit Lufthansa und Condor geplant. Mit dem neuen Partner Ryanair ergaben sich ganz neue Voraussetzungen. Wir mussten nochmal ganz neu planen.
Kurzfristig sorgte der Einstieg der Iren doch sicher auch für Stress.
Klar. Die Partnerschaft mit Condor brach ja leider auseinander, als der Einstieg von Ryanair publik wurde. Die deutsche Fluglinie hätte uns die operative Infrastruktur und die Vertriebssysteme bereitgestellt. Von einem Tag auf den anderen standen wir plötzlich ohne das da. Uns gelang es dann aber innerhalb von wenigen Wochen, ein eigenes Operations Control Center aufzubauen. Das Buchungssystem übernahmen wir von Ryanair. Natürlich gab es dadurch am Anfang ein paar Startprobleme, man muss sich ja mit einem neuen Partner erst einspielen. Doch von Tag zu Tag, von Woche zu Woche, wurde es deutlich besser.
Und dann kam der katastrophale Sommer 2018.
Der betraf bedauerlicherweise die ganze Branche – uns natürlich massiv, weil 80 Prozent unserer Flüge nach Palma de Mallorca gingen und wir von den Streiks im Flugsicherungs-Sektor Marseille besonders stark betroffen waren. Unsere Pünktlichkeitswerte waren daher nicht zufriedenstellend. Im Sommer lagen wir etwas unter 70 Prozent. Jetzt im Winter sind wir mit zwischen 80 und 90 Prozent ganz gut unterwegs, dennoch müssen wir auch da besser werden. Wir sind mit Hochdruck daran, das deutlich zu verbessern. Aber: An der Infrastruktur der Luftsicherung kann man als Airline wenig machen. Luftfahrtgipfel wie der in Hamburg im Oktober sind schon wichtig. Aber jetzt müssen die Ergebnisse umgesetzt werden. Es wird ja nicht plötzlich weniger geflogen, der Markt wächst.
Was haben Sie konkret aus den ersten Monaten des Betriebs gelernt?
Wir haben bei den Basen einiges umgestellt. Im letzten Sommer betrieben wir acht Basen, teils nur mit einem Flugzeug. Das sorgte für einen unglaublich herausfordernden Flugplan. Wir haben das umgestellt, und operieren nur noch im Punkt-zu-Punkt-Verkehr. Die Anzahl der Basen haben wir von acht auf vier halbiert, die Präsenz dort aber massiv ausgebaut. In Wien sind wir mit acht Flugzeugen präsent, in Düsseldorf mit sieben, in Stuttgart mit drei und in Palma mit zwei.
Als kleines österreichisches Start-up wären wir für Leasingfirmen nicht so interessant.
Ihre Wachstumspläne bleiben aber ambitioniert. Der Plan war, bis 2020 schon 30 Airbus A320 in der Flotte zu haben. Sind Sie da im Plan?
Mehr als das. Im letzten Sommer sind wir mit neun eigenen Jets gestartet und zusätzlich mit 10 Boeing 737-800 unseres Partners Ryanair, in diesem Sommer werden es 21 Flugzeuge sein, alles Airbus A320 mit 180 Sitzen, alle mit unserer neuen Bemalung. Zu den 21 Airbus A320 werden auch noch bis zu sechs Boeing 737-800 von Ryanair eingesetzt. Im Sommer 2020 werden es bereits mehr als 30 eigene Airbus-Flugzeuge sein, 2021 schon über 40. Das sind also zehn mehr als die 30, die wir bisher im Visier hatten.
Und an die Flugzeuge kommen Sie problemlos ran?
Wir stehen in intensiven Verhandlungen mit Leasingfirmen. Natürlich spielt da auch unsere Partnerschaft mit Ryanair eine positive Rolle. Als kleines österreichisches Start-up wären wir für die Leasinggeber nicht so interessant wie als Teil der Ryanair-Gruppe. So haben wir viel mehr Sicherheiten und bekommen die Flieger schneller und zu wesentliche attraktiveren Konditionen.
Wo profitieren Sie noch von der Partnerschaft?
Natürlich auch beim Vertrieb. Und es ist auch kein Geheimnis, dass es einen Unterschied macht, ob man Treibstoff für zehn oder mehr als 450 Flugzeuge kauft. Dasselbe gilt für Verhandlungen mit Geschäftspartnern wie Flughäfen und Bodenabfertigungsfirmen.
Im vergangenen Sommer sind mehrere kleine Airlines daran gescheitert, dass es ihnen an dieser kritischen Größe fehlte. Hätte Laudamotion 2018 ohne Ryanair überlebt?
Es wäre sicherlich unglaublich herausfordernd gewesen. Auch gerade angesichts dessen, dass man mit Partnern wie Condor oder Lufthansa Abmachungen hatte, die nicht zustande kamen. Auf langfristige Sicht ist die Partnerschaft mit Ryanair also sicher die nachhaltigste und gesündeste Lösung für Laudamotion. Die Entwicklung im letzten Sommer hat gezeigt, dass wieder einige Mitbewerber gezwungenermaßen den Markt verlassen mussten, wovon wir teilweise auch profitiert haben, weil Personal am Markt verfügbar war, das wir dringend für unsere Expansionspläne gesucht haben.
Niki is sowas wie ein Nationalheld hier in Österreich
Mit Ihren Wachstumsplänen in Wien sind Sie nicht allein. Wizz Air, Easyjet, Level, Vueling – alle wollen sich in der österreichischen Hauptstadt behaupten. Hätten Sie damit gerechnet, dass so viele Billigairlines gleichzeitig angreifen?
Dass alle gleichzeitig hier hereindrängen, das war sicher nicht so geplant. Aber es haben eben alle gesehen, was für eine klaffende Lücke Niki und Air Berlin hinterlassen haben. Und alle haben damit gerechnet, dass es sich lohnen kann, hier zu investieren. Die starke Entwicklung gerade von Laudamotion am Standort war jedoch für andere Airlines im Vorfeld sicher nicht absehbar.
Aber es hat doch sicher nicht Platz für alle.
Ich glaube, das Wachstum wird 2019 weitergehen. Aber es wird sich auf weniger Anbieter verteilen. Man sieht ja auch jetzt schon, dass die Konkurrenten reagieren, wenn wir neue Routen ankündigen. Sie lassen selbst welche fallen. Wir sind aber gekommen, um zu bleiben. Als österreichische Fluglinie ist für uns der Standort Wien immens wichtig. Zudem profitieren wir natürlich davon, dass der Name Lauda in Österreich unglaublich stark ist. Niki ist sowas wie ein Nationalheld hier in Österreich.
Wie wollen Sie sich denn gegen die Konkurrenten durchsetzen – außer durch die Marke?
Wir bieten das beste Preis-Leistungs-Verhältnis an. Und wir profitieren dabei natürlich von der Vertriebskraft von Ryanair. Immerhin haben wir 2018 bereits drei Millionen Passagiere befördert, und das mit einer Auslastung von über 90 Prozent. Und: Airline-Chefs haben letztes Jahr immer wieder gesagt, dass die Preise wieder steigen. Das kann ich so nicht nachvollziehen. Was die Konkurrenz macht, ist uns egal, wir werden günstig bleiben.
Das heißt, Ihre Preise steigen nicht?
Unsere Preise steigen nicht und wir werden weiterhin unsere Flüge zum besten Preis- Leistungsverhältnis anbieten.
Der Neustart muss in den Köpfen des Personals stattfinden
Sie selbst haben gesagt: In Wien ist zwar Raum für Wachstum, aber für Unmengen an Fliegern hat es keinen Platz. Dennoch stellte Michael O´Leary auch schon die Menge von 100 Airbus-Jets für Laudamotion in den Raum.
(lacht) The sky is the limit. Wir haben sehr ambitionierte Pläne, aber nun wollen wir erst einmal profitabel wachsen und nachhaltig aufgestellt sein. Da ist die Zahl von 40 Flugzeugen ein guter Anfang, aber 100 Flugzeuge sind natürlich das erklärte Ziel.
Sie denken dabei sicher auch über andere Basen als die vier bestehenden nach.
Wenn wir mehr Flugzeuge bekommen, werden wir sicher auch auf den bestehenden wachsen. Aber klar schauen wir uns auch konstant an, wo wir sonst wachsen können. Wir wollen mehr Basen, ja.
Wo denn zum Beispiel?
Das kann überall sein, auch außerhalb von Deutschland und Österreich.
Zum Beispiel in der Schweiz? Sie hatten ja ursprünglich Flüge ab Zürich geplant, die Pläne aber dann wieder begraben.
Leider wurden uns damals von Lufthansa Flieger versprochen, die wir nicht bekamen. Auf das mussten wir aber reagieren und das Programm entsprechend zurückfahren. Zürich ist ein unglaublich interessanter Markt. Das weiß ich auch noch aus meinen Zeiten bei Niki, die ja dort sehr aktiv war.
Wie viel von der alten Niki steckt eigentlich noch in Laudamotion?
Klar – wir sind aus Niki hervorgegangen. Aber wir sind deswegen keine Niki 2.0. Wir sind eine komplett neue Fluggesellschaft mit neuen Flugzeugen. Ganz ehrlich: Was gab es denn am Ende von Niki, was wertvoll war? Aktiva ja weniger. (Gruber zeigt auf die rote Ledercouch, auf der er sitzt und grinst) Die ist ja eher nicht der Burner. Die Mitarbeiter und Slots waren wertvoll, Flieger gab es nicht. Der Neustart musste und muss daher vor allem auch in den Köpfen des Personals stattfinden. Und so ist mir auch wichtig, dass das Air-Berlin-Logo Zug um Zug von den Maschinen verschwindet. Auch die Uniformen tauschen wir aus und wir ziehen bald aus den alten Niki-Büroräumen aus und in ein neue eingerichtetes State of the Art Büro.
Es gibt keine Pläne, eine Ryanair Deutschland-Österreich-Schweiz zu schaffen
Niki 2.0 also nicht. Aber wie unabhängig sind Sie denn von der Mutter in Dublin?
Wir stimmen uns schon sehr eng ab. Ich bin mindestens zwei Mal im Monat in Dublin und nehme dort an den Managementrunden teil. Das ist super, weil ich Laudamotion so Gehör verschaffen kann. Ich genieße die Zusammenarbeit mit Persönlichkeiten wie Michael O’Leary und David O’Brien. Es ist sehr eindrücklich, was sie geschaffen haben – immerhin die größte Airline der Welt, was internationale Passagiere betrifft. Was sie bisher noch nicht gemacht hatten, waren Zukäufe im großen Stil. Laudamotion ist da nun das erste Projekt und daher ist es wichtig, das Projekt zum Erfolg zu bringen.
Laudamotion bleibt Laudamotion?
Ja. Es gibt keine Pläne, eine Ryanair Deutschland-Schweiz-Österreich zu schaffen.
Gibt es dafür Garantien?
Da kann ich Ihnen nur meine Garantie geben. Laudamotion ist als Marke ein wichtiger Wert. Es wäre nicht sehr intelligent, diesen aufzugeben, wir haben ja daher auch in das neue Design investiert. Hätte man eine Ryanair DACH schaffen wollen, hätte man sich das Redesign auch schenken können. Es ist ein absolut ernster Plan, Laudamotion nicht nur am Leben zu halten, sondern zu entwickeln.
Das heißt auch, sie bleiben bei Ihrer Airbus-Flotte und wechseln nicht zu Boeing 737, die Ryanair betreibt?
Ja, wir bleiben Airbus-Betreiber. Das ist wichtig – auch, um nicht abhängig von einem Flugzeugbauer zu sein.
Und wo liegen die Unterschiede zwischen Laudamotion außer bei der Bemalung und dem Flugzeugtyp?
Wir bieten unseren Passagieren den österreichischen Charme und die Gastlichkeit an Bord an. Ein großer Teil der Mitarbeiter kommt natürlich aus Österreich, alle sprechen Deutsch. In Stuttgart oder Düsseldorf sind aber natürlich nicht nur Österreicher stationiert. Unsere Ausbildner aber sind von hier. Wir wollen Ryanair nicht eins zu eins kopieren, sondern das Beste aus beiden Welten zusammenführen. Daher investieren wir auch weiter ins Bordprodukt.
Es ist uns wichtig, Monopole zu verhindern.
Wachstum ist immer möglich. Aber man muss auch Geld verdienen. Das gelang bisher nicht. Im ersten Jahr hat Laudamotion 150 Millionen Euro verbrannt. Wie sieht es 2019 aus?
Da waren sehr viele Anlaufkosten mit drin. Sie dürfen nicht vergessen, dass wir erst Mitte April begonnen haben, Tickets für den Sommer zu verkaufen. Dennoch haben wir unsere Flieger gefüllt. Um das zu schaffen, mussten wir auch preislich aggressiv sein. Gerade sind wir bei der Budgeterstellung für das kommende Jahr. Das Ergebnis wird 2019 wesentlich besser ausfallen. Die Gewinnschwelle planen wir im dritten Jahr zu erreichen und wir sind zuversichtlich, dass wir das auch schaffen werden
Ist es im Rahmen der Konsolidierung in Europa auch möglich, dass Laudamotion selbst als Käufer von Fluggesellschaften auftritt?
Wir sind ja selbst noch ein Start-up. Nun geht es uns darum, aus eigener Kraft und ohne große Zukäufe zu wachsen.
Wo findet das wichtigste Wachstum 2019 statt?
Wir schauen auf alle unsere Basen, aber in Stuttgart bauen wir gerade viel auf. Wir hatten da erst nur die Route nach Palma und jetzt kommt der Cityshuttle-Verkehr hinzu. Mit Wien – Stuttgart bieten wir unsere erste Route zwischen Deutschland und Österreich an. Auf solchen Strecken war die Lufthansa-Gruppe bisher allein. Auch in Düsseldorf waren wir bisher vor allem bei Palma und den Kanaren stark. Auch dort bauen wir den Städteverkehr nun stark aus, um nicht mehr so stark vom saisonalen Ferienverkehr abhängig zu sein. Unser seit Winterflugplan 2018/19 bestehendes Geschäftsmodell in Wien dient hier als klares Vorbild auch für unsere anderen Basen.
Wie wichtig sind dabei Geschäftsreisende?
Wir wollen alle Reisenden ansprechen. Aber wenn wir auf einer Strecke Stuttgart – Wien mit Preisen ab 9,90 Euro reingehen, dann überlegen sich vor allem Geschäftsleute aus Baden-Württemberg sicher zwei Mal, ob sie weiter bei unserer Konkurrenz fliegen. (lacht)
Ist die Lufthansa-Gruppe also der Konkurrent, den Sie am meisten spüren?
Es ist uns sicher wichtig, Monopole zu verhindern. Ein wichtiger Grund für Niki Lauda, damals wieder einzusteigen, war genau das: Er liebt den Wettkampf und für ihn war es unvorstellbar, dass Verbraucher einem Anbieter nahezu ausgeliefert sein können. Wir respektieren natürlich alle Konkurrenten, aber eine unserer Hauptaufgaben ist es, einen klaren Wettbewerb und eine bessere Alternative zu vorhandenen Produkten durch Laudamotion in unseren Heimatmärkten sicherzustellen.
* Andreas Gruber studierte Tourismusmanagement an der FH Wien. In dieser Zeit schnupperte er als Aushilfskraft am Flughafen Wien bereits erste Luftfahrt-Luft. Nach dem Master-Abschluss begann er als Mitarbeiter am Boden von Niki zu arbeiten und stieg danach nach und nach auf. Am Ende war er Chef der Netzwerkplanung. Seit März 2018 ist Gruber Geschäftsführer von Laudamotion.