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Sechs Jets reserviert

Lufthansas gescheiterte Überschall-Pläne

Deutschlands größte Fluglinie hatte einst nicht nur drei Concordes bestellt. Auch aus den USA wollte Lufthansa Überschalljets beziehen. Doch dann kam alles ganz anders.

Wer auf Online-Marktplätzen die Suchworte Lufthansa und Concorde eingibt, wird tatsächlich fündig. So gibt es etwa kleine Metallmodelle des Überschallflugzeugs in Lufthansa-Bemalung aus den 1960er-Jahren. Doch wie kann das sein? Lufthansa hat nie auch nur eine einzige Concorde in der Flotte gehabt. Um die Existenz der Modelle zu verstehen, muss man einen Blick in die Historie der deutschen Fluglinie werfen.

«Ich verrate Ihnen kein Geheimnis, wenn ich Ihnen sage, dass sich unsere Ingenieure und Techniker schon jetzt mit den Problemen des kommenden Überschallverkehrs beschäftigen», erklärte Lufthansa-Vorstand Wolfgang Kittel im Oktober 1961 im Vorstandsbericht. Lufthansa sollte «zur Erhaltung ihrer Wettbewerbsfähigkeit solche Flugzeuge nicht später als die Konkurrenz in Betrieb nehmen», schrieb Kittel.

Frühere Vorstellungen vom Überschalljet

Tatsächlich beschäftigte man sich bei Lufthansa schon seit 1959 intensiv mit der Option Überschall. Ende dieses Jahres stellte ein Ingenieur der Fluglinie im Firmenmagazin Lufthansa Nachrichten eine Prognose, wie der Luftverkehr 1970 aussehen wird. Zum erwarteten Überschall-Passagierflieger schrieb er: «Das äussere Bild dieser Flugzeuge dürfte allerdings für unsere heutigen Begriffe etwas ungewöhnlich sein. z. B. wird vermutlich das Höhenleitwerk an der Rumpfnase weit vor dem Flügel angeordnet sein.»

Weiter hieß es: «Da es unwirtschaftlich ist, mit einer Geschwindigkeit zu fliegen, die nur knapp über der Schallgrenze liegt, wird das Überschall-Verkehrsflugzeug vermutlich gleich den Sprung auf doppelte bis dreifache Schallgeschwindigkeit tun müssen, um die Kosten pro Kilometer niedrig zu halten.» Die Prognosen zeigen: Es war eine Übergangszeit. Zwar hatte der erste militärische Überschallflug schon 1947 stattgefunden, doch die Planungen für einen entsprechenden Passagierflieger steckten noch in den Kinderschuhen.

Lufthansa reservierte 1964 in den USA

In den folgenden Jahren ging es dann aber schnell voran. 1962 unterzeichneten Frankreich und Großbritannien ein Regierungsabkommen, das die gemeinsame Entwicklung eines Überschall-Passagierfliegers auf den Weg brachte – der Concorde. Und in den USA gab Präsident John F. Kennedy 1963 den Startschuss für ein staatlich hoch subventioniertes Überschallprogramm. Lufthansa verfolgte all dies genau, wurde aber nicht direkt aktiv.

Erst im März 1964 sicherte sich die deutsche Airline Optionen für drei Flugzeuge des amerikanischen Entwicklungsprojektes Supersonic Transport, abgekürzt SST. Aus Sicht des Magazin Der Spiegel kam dieser Schritt sehr spät. Es unterstellte Lufthansas technischem Direktor Gerhard Höltje eine «Bierruhe», die «nicht immer die richtige Taktik» sei.

Zusätzlich Optionen für drei Concorde

«Erst drei Jahre später als die amerikanische Konkurrenz wird voraussichtlich die Deutsche Lufthansa mit Überschallgeschwindigkeit nach New York fliegen können», so Der Spiegel. «Drei Jahre lang wird sie ihren Transatlantik-Passagieren acht Stunden Flugzeit offerieren, während die Maschinen der amerikanischen Gesellschaften nur noch zwei benötigen.»

Doch in den USA kam man mit dem Bau des SST nicht wie geplant voran. So sicherte sich Lufthansa genau drei Jahre später, im März 1967, zusätzlich Optionen für drei Concorde zur Lieferung ab 1973. Das Unternehmen verwies auf die Verspätungen in den Vereinigten Staaten und erklärte zudem zur Concorde: «Anfängliche Bedenken der Lufthansa wurden durch Konstruktionsänderungen, die die Hersteller inzwischen vorgenommen hatten, zerstreut.»

Konkurrenz auf dem Weg ins Überschall-Zeitalter

Die Fluglinie machte aber klar, dass ein Restzweifel blieb. Sie stellte klar: «Ein Kaufvertrag wird erst abgeschlossen, wenn die erste Concorde ihre Flugtüchtigkeit bewiesen hat und die von Lufthansa Technik geforderten Leistungsbedingungen erfüllt werden.»

So machte Der Spiegel auch den Konkurrenzdruck verantwortlich für Lufthansa Concorde-Vorbestellung: «Das gnadenlose Tempo, mit dem sich die großen internationalen Luftverkehrsgesellschaften gegenseitig ins Überschall-Zeitalter treiben, zwang die Lufthansa-Planer, erneut Order zu zeichnen», schrieb das Heft.

Die Skepsis an der Concorde wächst

Die Concorde legte 1969 ihren Erstflug hin und flog noch im gleichen Jahr schneller als der Schall. Ende der 1960er-Jahre entstanden auch die Metallmodelle der Concorde in Lufthansa-Bemalung, wie eine Sprecherin des Herstellers Schuco bestätigt. Zu dieser Zeit ging man davon aus, dass solch ein Jet in den nächsten Jahren abheben wird.

Während in den USA das Überschallprojekt SST 1971 eingestellt wurde, gab es auch bei der Concorde Verzögerungen, die Entwicklungskosten schossen in die Höhe und die Bedenken wuchsen. 1972, ein Jahr vor der ursprünglich geplanten Indienststellung bei Lufthansa, erklärte Technik-Direktor Höltje, man habe keine «irgendwie geartete Torschlußpanik». In «weiser Voraussicht» habe man einst die weit hinten liegenden Lieferoptionen 59, 67 und 73 gewählt. Daher bestehe kein Entscheidungszwang, so der Manager, denn es stehe nicht zu erwarten, dass die ersten 58 Concorde-Exemplare reißenden Absatz finden würden.

«Würde sie nicht nehmen, wenn man sie mir schenken würde»

Auch allgemein wurden Airlines und Beobachter skeptischer. «Die Concorde kostet doppelt soviel wie Boeings Jumbo-Jet, transportiert aber nur ein Drittel seiner Passagiere», schrieb Der Spiegel 1973. «Mit 5700 Kilometer Reichweite schafft sie die Strecke Paris-New York nonstop nur mühsam, und ihre Rolls-Royce-Olympus-Düsen pfeifen lauter als die veralteten Triebwerke der ersten Jet-Generation.» Das Magazin zitierte Lufthansa-Technik-Vorstand Reinhardt Abraham zur Concorde mit den Worten: «Zu klein. zu laut, zu teuer.»

Ihre ersten kommerziellen Flüge führte die Concorde schließlich Anfang 1976 durch. Da war bei Lufthansa schon klar, dass man die Optionen für den Überschalljet nicht nutzen wird. Lufthansa-Chef Herbert Culmann erklärte 1975 in einem Interview über die Concorde: «Ich würde sie nicht nehmen, wenn man sie mir schenken würde. Dieses Flugzeug verbietet sich nicht aus Prinzipienreiterei, sondern aus wirtschaftlicher Vernunft.»