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IAG-Chef Willie Walsh

«Eurowings fehlt tiefe Kostenbasis einer Billigairline»

Willie Walsh ist Chef der British-Airways- und Iberia-Mutter IAG. Im exklusiven Interview verrät er, was er für das Problem von Eurowings hält, warum er Golfairlines nicht verteufelt und warum Aer Lingus sogar zwei A380 vertragen könnte.

Angefangen hat alles mit einem großen Knall: Als British Airways und Iberia sich im Jahr 2011 unter der Holding International Consolidated Airlines Group zusammenschlossen, entstand mit einem Schlag eines der größten Luftfahrtunternehmen der Welt. Das Portfolio ist seither stetig gewachsen, zuletzt stieß im letzten Jahr die irische Aer Lingus hinzu. Qatar Airways glaubt an das Modell. Die Airline aus Doha erhöhte ihre Beteiligung an IAG in den vergangenen Monaten immer weiter, inzwischen liegt sie bei rund 15 Prozent.

Qatar Airways hat die Beteiligung an IAG auf 15 Prozent hochgefahren. Ist jetzt eine vertiefte Zusammenarbeit zwischen den IAG-Airlines und Qatar zu erwarten?
Willie Walsh: Qatar Airways ist sehr glücklich mit der Investition in IAG. Das machen sie auch immer wieder klar. Sowohl die Entwicklung des Aktienkurses als auch die Dividende bestätigen sie darin, dass es finanziell eine gute Entscheidung war. Aber mir ist wichtig, dass man das Investment von Qatar und die Zusammenarbeit zwischen ihnen und uns getrennt voneinander betrachtet.

Warum?
Ob es nun geplante weitere Codeshare-Flüge sind oder Kooperationen im Frachtverkehr – das würden wir tun, ob Qatar Airways nun Anteile an IAG besitzt oder nicht. Es geht darum, dass wir durch die Kooperation beide stärker werden. IAG etwa erhält ein stärkeres Netzwerk nach Asien und in den Nahen Osten. Qatar profitiert im Gegenzug von unserem Netzwerk in Lateinamerika, wo Iberia sehr stark ist, aber auch in Nordamerika und Europa.

IAG arbeitet mit Qatar zusammen, Air France KLM denkt laut über ein Bündnis mit Etihad nach… Golfanbieter scheinen nicht mehr das Feindbild zu sein – außer für einige wenige wie etwa Lufthansa.
Ich kann Lufthansas Abneigung schon verstehen. Für sie sind die Golfanbieter ein viel gefährlicherer Konkurrent, weil sich die gemeinsamen Märkte deutlich mehr überschneiden als bei uns. Für Lufthansa ist Asien bedeutender, wir sind da eher leicht aufgestellt. Iberia fliegt etwa erst ab diesem Juli nach Shanghai, im Oktober kommt Tokio hinzu. Lufthansa steht da mehr im direkten Wettbewerb mit den Golfairlines. Ich kann also schon verstehen, dass sie genervt sind.

Für Lufthansa sind die Golfanbieter ein viel gefährlicherer Konkurrent.

Aber?
Aber was man derzeit von verschiedenen Seiten über die Golfanbieter hört, erinnert mich daran, wie man früher die Billigflieger kleingeredet hat. Sie würden schon nach einer Weile wieder verschwinden. Meine Meinung ist auch heute: Diese Typen sind jetzt da und sie bleiben da und sind ein fester Bestandteil der Branche. Und ich habe großen Respekt vor ihnen und davor, wie sie Geschäfte machen. Emirates ist seit 1987 unser Konkurrent und ich habe das Gefühl, sie handeln sehr rational. Ich habe überhaupt kein Problem mit Golfairlines. Im Gegenteil. Mit ihnen zusammenzuarbeiten bringt uns voran.

In Zeiten von immer mehr bilateralen Kooperationen wie sie gerade auch durch die Golfanbieter entstehen – mal ganz ehrlich: Braucht es noch Allianzen?
Allianzen existieren, weil es in unserer Branche Beschränkungen bei Fusionen und Übernahmen gibt. Gäbe es die ganzen Restriktionen bei Eigentümerschaft und Kontrolle nicht, dann glaube ich nicht, dass es Allianzen gäbe. Aber weil es diese Regeln eben gibt, brauchen wir die Bündnisse. Sie geben uns die Möglichkeit, gemeinsam zusätzliche Umsätze zu erwirtschaften und so auch für die Kunden Vorteile zu schaffen.

Ein notwendiges Übel also?
Ich sage es mal so: Allianzen sind wichtig, aber ich würde es vorziehen, wenn wir die volle Konsolidierung verfolgen könnten.

Das klingt, als hätten Sie Appetit auf Zukäufe. Bekommen die sieben Airlines in ihrem Portfolio bald neue Geschwister?
Wir glauben, dass die Konsolidierung weiter geht und haben eine Struktur, die es uns erlaubt, daran aktiv teilzunehmen. Aber wir befinden uns gerade nicht in konkreten Verhandlungen.

Welche Regionen interessieren Sie denn besonders?
Am einfachsten ist es sicherlich immer noch in Europa und hier passiert auch viel. Aber wenn es an der Zeit ist und sich etwas auftut, dann schlagen wir auch außerhalb Europas zu. Deshalb haben wir die Struktur gewählt, die wir als IAG auch haben.

Teil von Konsolidierung ist aber auch, dass gewisse Marken vom Markt verschwinden. Denken Sie manchmal darüber nach, alle ihre Marken unter einem Hut zusammenzufassen?
Die Identitäten unserer einzelnen Marken sind matchentscheidend. Iberia zum Beispiel ist in Lateinamerika eine sehr starke Marke, und British Airways ist dort ehrlich gesagt kaum präsent und hat keine Tradition. Dafür kennt man Iberia in anderen Teilen der Welt wie etwa Asien kaum. Als wir damals IAG gegründet haben, wollten wir von diesen Unterschieden profitieren. Wir wussten, wenn wir eine neue und einheitliche Marke aufbauen, würden wir in vielen Märkten sehr viel Markenwert aufgeben. Also haben wir uns für eine Struktur entschieden, die den einzelnen Marken die Möglichkeit gibt, sich weiter zu entfalten und ihre Identität zu wahren.

Naja – bei BMI lief das anders. Sie wurde in British Airways integriert.
Das Ganze macht natürlich nur Sinn, wenn die Marken einen Wert haben. Als wir BMI kauften, hatte die Marke so gut wie keinen Wert, außerhalb von Großbritannien kannte sie quasi niemand. Der Wert, den wir in ihr sahen, waren die Slots in Heathrow. In solchen Fällen macht es schon Sinn, eine Marke in eine andere zu integrieren.

Die Identitäten unserer einzelnen Marken sind matchentscheidend.

Viele Gemeinsamkeiten der Marken gibt es wiederum bei der Flotte. Warum setzen Sie dort auf Einheitlichkeit?
Wir haben damit jetzt mal bei der Kurzstreckenfamilie angefangen. Iberia, British Airways, Vueling – alle operieren Flieger der A320-Familie. Aber alle hatten, oft aus historischen Gründen, verschiedene Konfigurierungen und Zulieferer. Also haben wir uns dafür entschieden, effizienter zu werden und für die Kurzstreckenflotte auf eine einheitliche Spezifizierung zu einigen. Das hat drei zentrale Vorteile: Wir haben erstens eine ganze Menge Dinge aus den Flugzeugen entfernt, die nicht mehr nötig waren. Daraus ergibt sich der zweite Vorteil: Die Flugzeuge werden leichter. Und dann ist da der dritte Vorteil: Wir sparen Kosten. Denn das alles ermöglicht es uns, gemeinsam Flugzeuge zu bestellen. Und wenn man das alles einmal erreicht hat, kann man plötzlich Flugzeuge in der Gruppe mit sehr wenig Aufwand umherbewegen.

Auch bei den Airbus A380? Sie haben kürzlich laut darüber nachgedacht, den Superjumbo auch bei Aer Lingus und Iberia einzusetzen.
Es ist eines dieser Szenarios, mit denen wir spielen und in denen wir durchaus eine gewisse Logik sehen. Kaufen würden wir die A380 aber nicht. Neu sind sie zu teuer.

Aber warum für Aer Lingus?
Es könnte für Aer Lingus durchaus Sinn machen, mit einem oder sogar zwei Airbus A380 zu fliegen. Um von positiven Skaleneffekten zu profitieren, muss man eine Flotte von mindestens 10 bis 12 Fliegern haben. Das kann Aer Lingus alleine nicht erreichen. Wenn es aber eine Flotte von IAG-A380 gäbe, sähe das Ganze anders aus. Das ist jetzt nichts, was wir direkt tun. Aber wir hätten die Option, es zu tun, wenn sich etwas Günstiges ergibt.

Ganz unwahrscheinlich ist das ja nicht – einige Airlines wollen sich von ihren A380 trennen…
Und wir wurden auch von einigen von ihnen kontaktiert. Aber Sie müssen auch sehen: Nicht alle A380 kommen in Frage. Wir gucken uns aus Effizienzgründen nur solche mit Rolls-Royce-Triebwerken an.

Auf welchen Routen würde sich der A380 denn bei Aer Lingus lohnen?
Etwa im Sommer auf der Strecke Dublin-New York. Die Nachfrage ist dann riesig.

Es könnte für Aer Lingus durchaus Sinn machen, mit einem oder sogar zwei Airbus A380 zu fliegen.

Aer Lingus gehört erst seit vergangenem Jahr zum IAG-Portfolio. Sie selbst saßen dort schonmal im Chefsessel. Das Modell von Aer Lingus ist dem von Lufthansas Billigtochter Eurowings nicht unähnlich – eine Billigairline mit Langstreckenangebot. Warum läuft das bei Aer Lingus inzwischen gut und bei Lufthansa weniger gut?
Aer Lingus war von Anfang an genau dafür strukturiert. Sie hat eine effiziente Kostenbasis und einen guten Mix an Transatlantikflügen und europäischen Destinationen. Die Marke ist in den USA unglaublich stark. Außerdem profitiert sie vom Drehkreuz Dublin, über das man aus Europa in die USA fliegen kann. Die Pre Clearance, die es Reisenden ermöglicht, die US-Passkontrolle schon in Dublin hinter sich zu bringen und in den USA als Inlands-Reisender anzukommen, ist ein zusätzlicher Grund, warum viele Passagiere Aer Lingus wählen. Und: Wir haben auch einen starken Punkt-zu-Punkt-Verkehr zwischen den USA und Irland, in den USA leben 40 bis 50 Millionen Menschen mit irischen Wurzeln.

Gut – Jetzt weiß ich also, was Aer Lingus alles anbietet…
Und Eurowings hat all das nicht (lacht). Nein, im Ernst: Die Struktur von IAG gibt den individuellen Airlines die Möglichkeit, relativ autonom zu arbeiten. Und ein Teil des Problems von Eurowings ist, dass alle sie immer noch als einen Teil von Lufthansa sehen und auch die Gewerkschaften so organisiert sind. Eurowings fehlt aus all diesen Gründen die tiefe Kostenbasis, die man bräuchte, um im Billigmarkt wirklich Erfolg zu haben.

Ganz im Gegensatz zu Ryanair. Sie hatten vor Kurzem angedeutet, dass es ein Kooperations-Abkommen geben könnte, durch das Ryanair als Zubringer für die Langstreckenflüge von Aer Lingus dienen würde – gibt es da Neuigkeiten?
Ich bin optimistisch, dass wir in sehr naher Zukunft etwas eintüten und wäre sehr überrascht, wenn sich vor Ende des Sommers nichts ergibt. Wir reden bereits mit ihnen über Details und wissen, dass ein solcher Codeshare funktionieren würde und Sinn macht.

Aber eigentlich sind Ryanair und Aer Lingus doch Erzrivalen.
Kommerziell macht das Ganze einfach viel Sinn. Auch der Flughafen Dublin unterstützt die Idee. Ryanairs Netzwerk in Europa ist vielleicht größer als das von Aer Lingus. Aber die beiden Airlines ergänzen sich gut.

IAG-Vorstandsvorsitzender Willie Walsh hat Kerosin im Blut. Die Karriere des Iren startete bei der Nationalairline Aer Lingus als Pilot und schließlich Boeing-737-Kapitän. Zeitgleich absolvierte er ein Wirtschaftsstudium am Trinity College. Nach und nach arbeitete er sich im Management hoch – bis ganz an die Spitze. 2005 ernannte British Airways Walsh zum Chef. In dieser Position zog er die Strippen bei der Fusion mit Iberia und übernahm nach der Gründung von IAG dort das Steuer.