Eine BAC 1-11 von Ryanair im Jahr 1987: Es war das erste Düsenjet-Modell der irischen Fluglinie.

Eine BAC 1-11 von Ryanair im Jahr 1987: Es war das erste Düsenjet-Modell der irischen Fluglinie.

Flickr/Aero Icarus/CC BY 2.0

35 Jahre Ryanair

Wie eine irische Regionalairline zur Macht in Europa aufstieg

Mit einem 15-plätzigen Flugzeug und einer Route startete Ryanair im Juli 1985. Der Aufstieg in den nächsten 35 Jahren verlief rasant und provokativ.

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Als Ryanair im Juli 1985 den Betrieb aufnahm, war keine der Flugbegleiterinnen größer als 158 Zentimeter. Denn während die heute größte europäische Airline ganz auf Boeing 737 setzt, startete sie damals mit einer Embraer EMB 110 Bandeirante. Der Turbopropflieger aus Brasilien verfügte über eine nur 160 Zentimeter hohe Kabine mit Platz für 15 Passagiere. Ryanair flog damit zwischen London-Gatwick und der Stadt Waterford in Südwest-Irland.

1986 erhielt die von der Familie Ryan und einem Geschäftspartner gegründete Fluggesellschaft die Rechte für Flüge zwischen Dublin und London. Dafür schaffte sie zwei Avro 748 mit jeweils 46 Plätzen an. Heute nimmt Ryanair für sich in Anspruch, man habe damals den ersten «Preiskrieg in Europas Luftfahrt» begonnen und British Airways und Aer Lingus auf der Strecke um die Hälfte unterboten.

Southwest Airlines als Vorbild

Allerdings war Ryanair damals noch keine Billigairline im heutigen Sinne. An Bord gab es noch gratis Verpflegung. Rund ein Jahr lang versuchten sich die Iren sogar erfolglos an der Etablierung einer Business Class. Die Flotte wuchs auf sechs Jets des Typs BAC 1-11, geleast von der rumänischen Tarom, und eine ATR 42. So baute die Fluglinie ihr Streckennetz aus und nahm mit Brüssel und München auch Ziele auf dem europäischen Festland auf.

Ryanair häufte in ihren ersten Jahren Verluste an, so dass die Gründerfamilie Ryan 1990 nochmals 20 Millionen Pfund nachschießen musste. Die damit einhergehende Umstrukturierung war der Startschuss für den Billigflieger Ryanair. Man beschloss, das Konzept von Southwest Airlines aus den USA zu kopieren, die Ticketpreise weiter zu senken, eine Einheitsflotte zu schaffen und Gratis-Verpflegung zu streichen.

Erste Boeing 737 und Start in Brüssel

1994 wurde nicht nur Michael O'Leary neuer Chef. Ryanair erhielt auch ihre erste Boeing 737 und ersetzte ihre alten BAC 1-11. In den folgenden Jahren wuchsen Flotte, Netzwerk, Mitarbeiter- und Passagierzahlen weiter. Der Start der eigenen Webseite mit Buchungsfunktion kurbelte das Geschäft zusätzlich an. Alleine im August 2001 flogen mehr als eine Million Reisende mit Ryanair - mehr als im ganzen Jahr 1993.

2001 eröffnete Ryanair in Brussels-Charleroi ihre erste Basis in Kontinentaleuropa - mit einer Provokation. Mit Anspielung auf das Manneken Pis, Brüssels berühmte Brunnenfigur eines urinierenden Jungen, warb die Airline mit dem Slogan: «Pissed off with Sabena's high fares?» - also «Sauer über die hohen Preise von Sabena?» Belgiens Nationalfluglinie klagte gegen die Werbung und verschaffte Ryanair damit noch mehr Bekanntheit.

Provokationen als Teil des Geschäftsmodells

Sich durch Provokationen und gewagte Aussagen Aufmerksamkeit zu verschaffen, wurde Teil von Ryanairs Geschäftsmodell. Jahre später kündigte Airline-Chef O'Leary sogar einmal an, künftig die WC-Nutzung im Flieger kostenpflichtig zu machen. Eine Woche später erklärte er, er habe dies nur gesagt, um Ryanair und ihr neues Check-in-Verfahren gratis in die Presse zu bringen.

Ryanairs zweite Basis auf dem Kontinent wurde derweil 2002 der deutsche Flughafen Hahn, den Ryanair als Frankfurt bewarb. Dass der Airport mit dem Auto rund 125 Kilometer von der Stadt Frankfurt entfernt und in einem anderen Bundesland liegt, sorgte besonders zu Beginn für Verwirrung bei Reisenden. Dennoch geht die Fluggesellschaft bis heute so vor: Den Flughafen Niederrhein in Weeze bezeichnet Ryanair zum Beispiel als Düsseldorf Weeze, obwohl Düsseldorf und Weeze etwa 80 Kilometer Autofahrt auseinander liegen.

Erstmals mehr als 100 Millionen Passagiere

2003 kaufte Ryanair in Großbritannien zu: Sie verleibte sich die KLM-Tochter Buzz mit Basis am Flughafen London-Stansted ein. In den folgenden Jahren wuchs Ryanair weiter und 2014 orderte sie bei 100 Boeing 737 Max 200 und sicherte sich Optionen für 100 weitere der Jets. Später wandelte die Airline 35 der Optionen ebenfalls in feste Bestellungen um. Erhalten hat sie aufgrund des Groundings bis heute noch keine einzige 737 Max.

Im Geschäftsjahr 2015/16 durchbrach Ryanair erstmal die Grenze von 100 Millionen Passagieren. 106.431.130 Reisende nutzten den Billigflieger. 2018 beendete Ryanair ihre Strategie, nur eine einzige Airline zu betreiben. In Polen startete sie die Tochter Ryanair Sun, die mittlerweile unter dem Namen Buzz firmiert. Ebenso übernahm sie in Wien Laudamotion und verkürzte den Namen im folgenden Jahr auf Lauda.

Schwieriges Verhältnis zu Gewerkschaften

Mit Malta Air schaffte sich Ryanair 2019 ein Standbein auf der Mittelmeer-Insel, die steuerliche und gesetzliche Vorzüge bietet. 120 von Ryanairs Jets sind mittlerweile über Malta Air registriert. Da auch die Beschäftigung der deutschen Piloten auf die neue Tochter überging, warfen Gewerkschaften der Airline vor, Tarifverträge zu unterlaufen.

Generell ist die Beziehung zwischen Ryanair und Arbeitnehmervertretern schwierig. Erst Ende 2017 erkannte die Airline erstmals Pilotengewerkschaften an. Dennoch gestalten sich Verhandlungen oft kompliziert. Die Fluggesellschaft steht dabei unter anderem immer wieder wegen schlechter Bezahlung und schlechten Arbeitsbedingungen in der Kritik. Einerseits weist die Airline solche Vorwürfe meist von sich, andererseits verglich Ryanair-Chef O'Leary schon mehr als ein Mal seine Piloten mit Taxifahrern.

Fehlende 737 Max und Corona-Krise

Unter Druck stand Ryanair vor der Corona-Krise wegen der ausbleibenden Lieferungen der gegroundeten Boeing 737 Max. Mit Verweis drauf kündigte sie im vergangenen Herbst die Schließung von Basen an, darunter auch die am Flughafen Hamburg. Die Pandemie belastet den Billigflieger nun wie die gesamte Branche. Anfang Mai kündigten die Iren an, rund 3000 Jobs zu streichen, hauptsächlich von Piloten und Flugbegleitern.

Dennoch ist die kleine Fluglinie, die einst 15 Passagiere von London nach Waterford bracht, in den vergangenen 35 Jahren zu einem wahren Riesen herangewachsen. Die Ryanair-Gruppe betreibt heute mehr als 460 Flugzeuge und beförderte im Geschäftsjahr 2020, das im März endete, fast 149 Millionen Passagiere. Ihre Jets starten und landeten in 40 Ländern.

In der oben stehenden Bildergalerie sehen Sie Fotos aus der Geschichte von Ryanair.

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