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Michael Arthur, Präsident Boeing International

«Für die 777X-Kunden wie Lufthansa tut es uns leid»

Michael Arthur ist Präsident von Boeing International. Im Interview spricht er über die 737 Max in China, die Verspätungen der 777X und den Zeitplan für die Suche nach einem klimaneutralen Zukunftsflieger.

Wenn der Kongress Boeing keine Verlängerung gewährt für die Zertifizierung der 737 Max 10, ist es dann wirklich eine Option für Boeing, ganz auf die Max 10 zu verzichten?
Michael Arthur*: Wir arbeiten eng mit der US-Luftfahrtbehörde FAA zusammen, um die Zertifizierung der 737 Max 10 zu erreichen. Aber die Entscheidung liegt natürlich bei der Behörde. Wenn wir es nicht bis Ende des Jahres schaffen, gibt es die Option, dass der Kongress uns etwas mehr Zeit gewährt. Vielleicht brauchen wir das aber auch gar nicht.

Wenn Boeing es nicht schafft und der Kongress Ihnen nicht mehr Zeit einräumt, müssen Sie neue Regeln einhalten und das Cockpit der 737 Max 10 nachrüsten.
Das wäre ein deutlicher Rückschlag. Aber kommt Zeit, kommt Rat. Die 737 Max 10 ist ein wichtiges Mitglied der Familie. Die Max 8 und die Max 9 fliegen schon sehr erfolgreich, die Max 7 ist nahe dran an der Zertifizierung.

In China, einem der wichtigsten Märkte der Welt, darf die Boeing 737 Max wieder fliegen, aber die Airlines setzen das Modell trotzdem noch nicht wieder ein. Woran liegt das?
Die Luftfahrtbehörde Civil Aviation Administration of China hat das Flugzeug zertifiziert und uns das erneut bestätigt. Jetzt entscheiden die Fluggesellschaften, wann sie die 737 Max wieder einsetzen wollen. Und das wird geschehen, wenn der Markt wieder anzieht. Denn aktuell liegt die Anzahl der Flüge in China lediglich bei rund 30 oder 35 Prozent des Vor-Covid-Niveaus. Wir hoffen, dass sich das bald ändert. In einem Auslieferungscenter, das wir in einem Joint Venture mit Comac in Zhoushan betreiben, haben wir aktuell auch ein Flugzeug, das ausgeliefert wird, sobald der Kunde bereit ist.

Die 777X wird für eine Generation das große Flugzeug am Himmel sein

Inwieweit ist Boeing noch in China präsent?
Unser Wettbewerber sagt gerne, dass er groß ist in China, aber wir sind dort auch groß. Wir haben ein weiteres Joint Venture mit Comac, in dem wir Verbundwerkstoffe herstellen. Wir verfügen über eine Wartungseinrichtung, eine große Pilotentrainingseinrichtung und acht Umbaufrachter-Linien.

Ist das aktuell eine große Herausforderung mit den chinesischen Covid-Regularien?
Die Leute müssen teilweise unter schwierigen Bedingungen arbeiten. Die Mitarbeitenden in der Wartungseinrichtung in Shanghai mussten im vergangenen Monat im Hangar schlafen, weil sie nicht nach Hause durften aufgrund der Covid-Regularien. Wir haben dann Essen angeliefert.

Zu einem anderen Boeing-Modell: Wann können Sie wieder 787 ausliefern?
Das liegt in den Händen der amerikanischen Luftfahrtbehörde FAA. Aber wir gehen davon aus, dass es bald sein wird.

Auch die Boeing 777X kommt verspätet …
Weil wir uns entschieden haben, sie später zu bringen, um uns zuerst auf andere Arbeiten konzentrieren zu können. Für die 777X-Kunden wie Lufthansa tut es uns leid. Aber wenn das Flugzeug fliegt, wird es für eine Generation das große Flugzeug am Himmel sein. Denn da wir die 747-Produktion einstellen und Airbus die A380-Produktion eingestellt hat, gibt es nichts anderes, was so groß ist.

Sie hatten aber auch vorher schon Schwierigkeiten und Verspätungen mit dem Flugzeug und dem Triebwerk.
Es befindet sich in der Entwicklung. Da passieren solche Dinge.

Manche Leute sprechen von Wasserstoffflugzeugen ab 2030. Das halten wir nicht für realistisch.

Mit der neuen Software Cascade sucht Boeing nach einem Flugzeug fürs emissionsfreie Fliegen. Wann wird es soweit sein?
Unsere jetzige Generation von Flugzeugen erzeugt rund 25 Prozent weniger CO2 als die vorherige Generation. Durch digitale Lösungen, etwa für Triebwerke und Treibstoffverbrauch, kann man den Flug noch effizienter machen – daran arbeiten wir auch in Deutschland und Polen. Hinzu kommt Sustainable Aviation Fuel SAF, in das wir investieren. Das wird sehr wichtig sein bis 2040 oder 2050. Dann kommen neue Technologien ins Spiel. Wir gucken uns an, welche Rolle Wasserstoff spielen kann. Wir haben schon Flugzeuge mit Wasserstoff getestet und zusammen mit der Nasa Raketen mit Wasserstoff ins All gebracht. Wir kennen Wasserstoff. Aber wir sind realistisch. Manche Leute sprechen von Wasserstoffflugzeugen ab 2030. Das halten wir nicht für realistisch.

Wird es schon vor diesem großen Schritt ein neues Flugzeugmodell von Boeing geben?
Es ist noch zu früh, um das zu beantworten.

Boeing hat in Deutschland rund 1000 Angestellte …
… Sogar etwas mehr und die Zahl steigt weiter. Und wir wurden von der deutschen Regierung für Chinook-Helikopter ausgewählt. Der Vertrag ist noch nicht unterschrieben. Aber wenn das vorankommt, könnten wir im großen Stil ausbauen, zusammen mit unseren Industriepartnern, inklusive Airbus Helicopters.

Aber ist der Standort Deutschland vor allem für den Defence-Bereich wichtig, oder auch für die kommerzielle Luftfahrt von Boeing?
Beides. In Neu-Isenburg bei Frankfurt befindet sich beispielsweise eines unserer wenigen Zentren weltweit für die Erforschung, Entwicklung und Produktion von digitalen Lösungen.

Also besteht keine Gefahr, dass Boeing seine Kräfte in einem anderen europäischen Land bündelt und aus Deutschland Jobs abzieht?
Nein, überhaupt nicht.

*Sir Michael Arthur, geboren 1950, ist Präsident von Boeing International. Er ist verantwortlich für internationale Strategie und Unternehmensaktivitäten außerhalb der USA. Er leitet die 18 regionalen Büros in den wichtigsten globalen Märkten. Zudem ist Arthur als erster Nicht-US-Bürger Mitglied des Executive Council des Konzerns. Bevor er 2014 zu Boeing kam, war er drei Jahrzehnte im internationalen Regierungsdienst tätig, unter anderem als britischer Botschafter in Deutschland.