Letzte Aktualisierung: um 10:11 Uhr

Nach Scheitern des Boeing-Deals

Embraer sucht keinen neuen Partner

Der gescheiterte Deal mit Boeing und die Corona-Pandemie machen dem Flugzeugbauer das Leben schwer. Embraer verhandelt um Finanzhilfen und setzt operativ Prioritäten.

Die Absage kam für Embraer zu einem wirklich unglücklichen Zeitpunkt. Mitten in der Corona-Krise kündigte Boeing vor rund einer Woche den Übernahmevertrag für die Passagierflieger-Sparte des brasilianischen Flugzeugbauers. Damit gehen Embraer 4,2 Milliarden Dollar genau in dem Moment verloren, in dem Liquidität wichtiger ist denn je.

Damit Embraer die aktuelle Krise übersteht, verhandelt das Unternehmen laut lokalen Medien mit der brasilianischen Entwicklungsbank BNDES über Hilfen. Demnach könnte die staatliche Bank, die bereits Minderheitsaktionär beim Flugzeugbauer ist, ihren Anteil aufstocken. Eine andere Option sind Kredite. Spekuliert wird über eine Höhe von umgerechnet zwischen 900 Millionen und 1,4 Milliarden Euro. Embraer-Chef Francisco Gomes Neto hatte vergangene Woche gesagt, man habe für 2020 Reserven von umgerechnet rund 900 Millionen Euro.

Turboprop zumindest aufgeschoben

Derweil arbeitet Embraer auch operativ an einer neuen Zukunftsplanung. John Slattery, Chef der für den Deal mit Boeing ausgegliederten Passagierflieger-Sparte, sagte laut dem Magazin Aviation Week in einer Online-Konferenz, man sei nicht auf der Suche nach einem neuen Partner. Man mache die Arbeiten zur Abtrennung rückgängig, um wieder Synergien mit den eigenen Verteidigungs- und Business-Jet-Sparten nutzen zu können. So wurden beispielsweise IT-Systeme, Gelände, Zutrittssysteme oder Personal bereits aufgeteilt.

Slattery machte klar, dass die Entwicklung eines neuen Turbopropfliegers aktuell kein Thema ist. «Ich werde nicht sagen, dass wir ihn nicht bauen werden», so der Manager. Aber in der derzeitigen Situation müsse man pragmatisch sein und daher sehe er dieses Projekt nicht unmittelbar am Horizont. Slattery erklärte, Embraer verbrenne momentan Geld, habe aber im März einen Kredit in Höhe von umgerechnet 550 Millionen Euro aufgenommen.

Embraer baut beide Generationen

Slattery erwartet, dass die Luftfahrt drei bis fünf Jahre brauchen wird, um sich von der Corona-Krise zu erholen. Allerdings würden kurze Routen und die entsprechenden Flugzeuge sich wohl schneller erholen als die Langstrecke. Flugzeuge mit 75 bis 100 Sitzen wie die eigenen Modelle E175 und E190 sieht der Embraer-Manager daher im Vorteil.

Man sei bereit, sowohl Jets der neuen Generation E2 als auch der bisherigen Generation zu produzieren. «Was immer der Markt will, wir werden die Flugzeuge bauen», sagte Slattery. So könnte sich etwa die herkömmliche Embraer E175 in den USA länger halten, da die neue E175-E2 bisher die zugelassenen Maße nicht erfüllt. Derzeit fokussiere man sich rücksichtslos auf die Liquidität, so Embraers Passagierflieger-Chef. «Mehr E1 verkaufen, mehr E2 verkaufen und für das Unternehmen Geld machen. Das ist mein Fokus.»