Letzte Aktualisierung: um 17:46 Uhr

Nicosia International Airport

Ein Flughafen, verloren in der Weltgeschichte

Seit dem Krieg 1974 liegt der einstige Flughafen Zyperns in der von der Uno kontrollierten Pufferzone. Ein Besuch am Nicosia International Airport, der vor 50 Jahren von einem Tag auf den anderen den Betrieb einstellen musste.

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Adamos Marneros war der erste Zypriote, der Kapitän bei Cyprus Airways wurde. 27 Jahre alt war er bei seiner Beförderung. Und zwei Monate später wurde er Teil eines weiteren historischen Ereignisses. Nur wusste er das noch nicht, als er 20. Juli 1974 in Rom zu Flug CY314 startete. Es wurde der letzte Linienflug, der am Nicosia International Airport landete.

Erst als er Kurs auf die zyprische Hauptstadt nahm, bemerkte Marneros, dass etwas nicht stimmte. Vom Cockpit seiner Hawker Siddeley Trident aus sah er, wie türkische Kriegsschiffe von Norden her auf die Insel zusteuerten. Die Invasion Zyperns hatte begonnen.

Eine blutige Schlacht am Flughafen

Um 3:55 Uhr landete Marneros mit der Trident mit dem Kennzeichen 5B-DAE am Flughafen von Nicosia. Dort hatte bereits die Evakuierung begonnen. Als er mit seinem Auto als einer der letzten vom Gelände fuhr, sah er bereits türkische Truppen in der Nähe landen. «Ich konnte die Augäpfel der Fallschirmjäger sehen», erzählte er einmal der Nachrichtenagentur AP, «und die an ihrer Ausrüstung befestigten Gewehre.»

Bald gingen am Nicosia International Airport heftige Kämpfe los. Die türkischen Invasoren wollten den strategisch wichtigen Flughafen unbedingt einnehmen. Doch die zyprische Nationalgarde, unterstützt von griechischen Elitetruppen, leistete heftigen Widerstand. Der Angriff scheiterte. Die Zahl der Toten dieser Schlacht ist bis heute nicht offiziell bekannt – vor allem die türkische Armee soll aber hohe Verluste erlitten haben.

Die Uno übernahm das Gelände

Die Friedenstruppen der Vereinten Nationen griffen ein. Sie umfassten damals 6000 Soldaten. Ein Teil von ihnen war bereits seit 1963 neben dem Airport stationiert, weil es zuvor wiederholt zu Massakern zwischen den beiden Volksgruppen auf Zypern gekommen war. Die Uno übernahm das Gelände und erklärte es zu einer Schutzzone. Niemand durfte es fortan mehr betreten.


Der Flughafen 1970, zwei Jahre nachs einer Eröffnung. Bild: Costas Farmakas, Foto Cine Studios Cyprus

Der Nicosia International Airport wurde damit schlagartig zum Geisterflughafen. Und dies nur sechs Jahre nach seiner Eröffnung im Jahr 1968. Das deutsche Planungsbüro Dorsch und Gehrmann hatte ihn im Auftrag des noch jungen Staates Zypern entworfen.

Ein Vorzeigeprojekt des noch jungen Staates Zypern

Bei der Einweihung galt er als einer der modernsten der Region. Er überzeugte nicht nur durch modernistische Architektur mit klaren Linien, großzügige, aufgeräumte Räume, in die das Sonnenlicht durch große runde Öffnungen in der Decke einfällt und so für natürliches Licht sorgt. Auch technologisch war der Flughafen fortschrittlich. So gab es unter anderem eine automatische Gepäckförderanlage, was damals noch nicht üblich war. Doch an diesem 20. Juli 1974 wurde das alles obsolet.

Am traurigen Status des Flughafens hat sich in den vergangenen 50 Jahren nichts verändert. Kein ziviles Flugzeug hob seit damals mehr vom Nicosia International Airport ab. Heute liegt er in der Pufferzone, die Nordzypern von Zypern trennt. Sie ist ein Niemandsland. Der 180 Kilometer lange, zwischen wenigen Metern bis einige Kilometer breite Streifen quer durch die Insel wird von der Uno kontrolliert.

Hoffnungen auf Wiedereröffnung platzen

Die inzwischen etwas über 1000 Männer und Frauen umfassende Friedenstruppe hat die Aufgabe, den Status quo zu sichern. Und so darf auch niemand etwas am Gelände und an den Gebäuden des Nicosia International Airport verändern. «Wir müssen alles erhalten, bis eine Lösung gefunden ist», erklärt Aleem Siddique, Sprecher der Friedenstruppe der Vereinten Nationen in Zypern oder UNFICYP.

Nachdem vor 30 Jahren ernsthafte Bemühungen zu einer Wiedereröffnung scheiterten, hat aber inzwischen niemand mehr die Hoffnung, dass der Flughafen je wieder eröffnet werden könnte. «Dafür ist es zu spät», so der Uno-Sprecher. Das liegt nicht nur an der Politik und am Fakt, dass der Flughafen für die heutigen Passagierzahlen viel zu klein geworden ist. Der Zahn der Zeit nagte an der Infrastruktur.

Die riesigen Buchstaben fallen nach und nach vom Dach

In besonders schlechter Verfassung befindet sich das Terminal. Der aktuelle Zustand lässt sich am besten an der großen Beschriftung auf dem Dach ablesen. Die riesigen Buchstaben, die einst Nicosia International Airport über fast die gesamte Front schrieben, und jedem Gast zeigten, wo er gerade angekommen ist, fallen nach und nach ab. Heute steht da nur noch N – INTE – NA – AIR – R.


Die zentrale Halle des Terminals sieht heute so aus. Bild: aeroTELEGRAPH

Viele Fenster des rund 100 Meter langen und 60 Meter breiten Gebäudes sind zerborsten. Die Abdeckungen der Oberlichter sind an vielen Stellen gesprungen oder ganz verschwunden. Statt Licht lassen sie jetzt Regen herein. Und überall hängen Verkleidungen und Kabel von der Decke.

Im Gebäude nisten jetzt Vögel

«An vielen Stellen besteht Einsturzgefahr», warnt Uno-Sprecher Siddique. Inzwischen haben sich auch überall im Gebäude Vögel eingenistet. Auf den Böden liegt eine zentimeterdicke Schicht aus Staub. Dreck und Vogelkot. Dennoch lässt sich beim Durchschreiten noch immer erahnen, wie angenehm der Flughafen mit seiner transparenten und geräumigen Architektur und seinen klaren, kurzen Wegen einst für Reisende gewesen sein muss.

Auch vor dem Terminal zeigen sich die Folgen des abrupten Betriebsstopps. Der ein paar hundert Meter südöstlich vom Terminal liegende, aus Sandstein gebaute Kontrollturm, von dem aus einst das Geschehen am Nicosia International Airport überwacht wurde, zerfällt ebenso. Im Innern liegen nur noch Trümmer und Dreck.

Pistenmarkierung kaum mehr auszumachen

Die 2700 Meter lange Haupt-Start- und Landebahn 14/32 von NIC, so der ehemalige Iata-Code des Flughafens, ist zwar noch gut sichtbar. Neben ihr wachsen aber Büsche immer höher und Gras pflügt sich vom Rand her langsam in den Asphalt. Und wo sich Risse im Belag aufgetan haben, ragen inzwischen Büschel empor. Die weißen Pistenmarkierungen sind kaum mehr auszumachen.

Ähnlich sieht es bei den Rollwegen aus, die langsam aber sicher überwachsen werden. Auch das Vorfeld, auf dem einst elf Flieger gleichzeitig Platz fanden, spürt die Kraft der Natur, die sich ihren Platz wieder zurück erkämpft. Nordwestlich davon steht noch immer die ehemalige Wartungshalle von Cyprus Airways. Sie ist auf der einen Seite deutlich höher als auf der anderen. So konnte man Platz für die hohen Leitwerke schaffen, welche die Ende der Sechzigerjahre noch neuen Düsenjets von den Propellerfliegern unterschieden.

Eine einsame Hawker Siddeley Trident

Auch sie zerfällt nach und nach, nachdem sie zuvor noch einige Zeit von den Uno-Soldatinnen und -Soldaten als Sporthalle genutzt worden war. Vor ihrem riesigen Tor steht noch eine Hawker Siddeley Trident von Cyprus Airways. Als die Schlacht um den Flughafen tobte, war sie einst auf die Piste gerollt worden, damit die türkischen Truppen dort nicht landen konnten. Das tat ihr allerdings nicht gut.

Damit drei andere gestrandete Flieger der zyprischen Nationalairline später ausgeflogen wurden, musste die Maschine mit dem Kennzeichen 5B-DAB als Ersatzteilspender in Zypern bleiben. Sie steht deswegen bis heute als letzter Zeuge einer anderen Ära am Nicosia International Airport.

In der oben stehenden Bildergalerie sehen Sie viele weitere aktuelle Fotos und Videos des Nicosia International Airports von Simeon Lüthi sowie einige weitere historische Aufnahmen. Ein Klick aufs Foto öffnet die Galerie im Großformat.