Letzte Aktualisierung: um 14:45 Uhr

Coole Pflaster

Das kleine Bordeaux ist ein großer City-Diamant

Bordeaux ist nicht bekannt wie Paris. Dabei hat die Stadt viel zu bieten. Ein Streifzug durch weniger bekannte Viertel der französischen Weinstadt.

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Mit bloß 250.000 Einwohnern gilt Bordeaux als City-Zwerg. Die Wein-Metropole im Südwesten Frankreichs rangiert erst an neunter Stelle der größten Städte der Grande Nation. Aber um Größe im konventionellen Sinne geht es bei den Coolen Pflastern sowie nie. Worum es hier geht: Um Vielfalt fernab der großen globalisierten Ketten, um Schaffenskraft, die lokal entsteht und regional verwurzelt ist.

In dieser Hinsicht ist Bordeaux stark. Ganz stark. Kaum je haben wir eine Stadt dieser Größe gesehen, die auf kleinem Raum so viel zu bieten hat. Bordeaux, etwa hundert Kilometer vom Atlantik entfernt, wird oft auf die Rolle als einst sehr wichtige Hafenstadt und als Welthauptstadt des Weins reduziert. Aber in der Altstadt lässt sich auch jede Menge entdecken.

Bordeaux Altstadt: Grosses Angebot auf kleinem Raum

Unser Cooles Pflaster Bordeaux beginnt mit einem wunderbaren Eingangstor, der Grosse Cloche. Das massive Bauwerk ist der Glockenturm des ehemaligen Rathauses und damit eines der wenigen bürgerlichen Denkmäler, welche sich die Stadt aus dem Mittelalter bewahren konnte. Wer durch das Tor der «dicken Glocke» schreitet, macht in Bordeaux schon mal ziemlich viel richtig. Denn jetzt geht es über die Rue Saint-James hinunter bis zur lauschigen Place Fernand Lafargue, die hier ebenfalls noch eine dicke Rolle spielen wird.

Drei Dinge noch, bevor wir losziehen. Die Rue Saint-James klingt zwar recht anglophil, aber in englischer Art und Weise spricht das in Bordeaux niemand aus. Lege Dir in ein näselndes «ä» bereit und sage dann: «Sän Schaam». Das trifft es schon mal ziemlich gut. Zweitens: Bedenke beim Abschreiten der Rue Saint-James mit einer gewissen Ehrfurcht, dass Du hier auf einem Abschnitt des Pilgerwegs nach Santiago de Compostella wandelst. Und drittens: die Rue Saint-James ist auch deshalb so speziell, weil sie gleich drei Quartiere von Bordeaux streichelt. Saint-Michel und La La Victoire liegen westlich, Saint-Pierre östlich.

Bordeaux Rue Saint James: Ein Halt

Die unbestrittene Pole Position für dieses Coole Pflaster war früher das kleine Frühstücks-Café Pain de Soleil. Nirgends sass es sich schöner mit einer Tasse Kaffee als hier. Getarnt als einfache Sandwich-Bude war das Pain de Soleil der Ort in Bordeaux, wo sich Quartieranwohner wie Touristen einander ewig lange ihre Geschichten erzählen konnten. Leider ist nun aber dass das Pain de Soleil Vergangenheit. An dessen Stelle hat Khaan Burger übernommen. Aber immerhin: die Aussicht auf die Place Fernand Lafargue ist weiterhin gegeben.

Bordeaux Altstadt: Noch ein Laden

Bonendroi gehört zur Sorte Läden, für die man vor allem auf Städtereise Zeit hat. Eine Menge an Krimskrams, die von Seife über Bürsten bis hin zu Dekogegenständen aus Frankreich und der ganzen Welt reicht. Bonendroit selber nennt sich «La Droguerie moderne».

Was mir an der Rue Saint-James und in ganz Bordeaux auffällt: Die Auswahl an Männermode ist ungewöhnlich groß. Alleine an der kurzen Rue Saint-James habe ich fünf Herrenausstatter der unterschiedlichsten Bereiche gezählt. Being Human etwa hält alles bereit, was Monsieur beim Rendez-vous an der Garonne, bei einer Landpartie oder auf dem Elektro-Scooter gut aussehen lässt. Wie man «being human» hier richtig ausspricht? Nun, ich würde es im englischen Original versuchen. Vielleicht etwas näseln dabei.

Bordeaux Rue Saint James: Ein Drink

Ja, das Wetter kann schon mal etwas frisch sein in Bordeaux, Niederschlag ist nicht unbekannt. Am stilvollsten kannst Du der garstigen Meteo im Books & Coffee bei einem Tee trotzen. Oder bei mehreren Tees. Die Tee-Auswahl in diesem charmanten Coffee- und Tea-Room ist riesig, wir haben bei Nummer 50 aufgehört zu zählen. Wir hatten auch deshalb keine Lust zum Zählen mehr, weil uns längst vor numéro 50 ein hübscher Brunch serviert wurde.

Vor allem abends übt diese «Bar musical» magische Ausstrahlung auf aus alle, die über die Place Fernand Lafarge gehen. Das Apollo in Bordeaux ist eine Wohlfühl-Höhle des Soul und Funk und R&B, besucht von Menschen, die nur eines haben wollen. Und zwar dies: A good time. Ja, das wird auch in Frankreich verstanden. Und im L’Apollo sowieso.

Zum Einstieg empfiehlt sich ein Platz nahe des Billardtisches, weil da immer viel los ist. Angenehmerweise mit einem «French Garden» in der Hand, wie man hier den Mix aus Zedersirup, Enzian-Likör, Gin, Tonic und einer Prise gespraytem Basilicum nennt.

Bordeaux Altstadt: Eine Mahlzeit

Du hast keine Zeit, eines der berühmten Wein-Châteaux im Umland von Bordeaux zu besuchen? Kein Problem. Dann kommt das Château halt in die Stadt. So jedenfalls lautet die Philosophie des Château en Ville. Allerlei Degustationsplatten, übervoll mit Brie und Camembert, Ente, Wurst und anderen ruralen Köstlichkeiten sorgen fürs Wohlbefinden. Welches sich natürlich vor allem dann einstellt, wenn zum Essen auch die guten Tropfen vom Château ausgeschenkt werden.

Bordeaux ist ein Paradies für Krimskrams-Shopping. Die Innenstadt ist proppenvoll mit Shops – pardon: magasins und boutiques – die einen magisch anziehen. Es sollte also kein Problem sein, ein Souvenir zu finden. Auch solche, die sich außerhalb der gängigen Wein-Kategorien bewegen.

Souvenir aus Bordeaux: Seife

Es ist nach menschlichem Ermessen nahezu unmöglich, die Krimskrams-Landschaft namens Bonendroi (siehe oben) mit leeren Händen zu verlassen. Hier habe ich ein hübsches Mitbringsel gefunden: handgemachte Seife, 3.50 Euro das Stück. Ich mag hübsch verpackte Seifenstücke als Mitbringsel, auch für Menschen, die sich lieber mit Flüssigseife frisch halten im Leben. So ein Seifenstück macht in jeder Schublade und in jedem Schrank gute Figur. Und vor allem: Es verbreitet guten Geruch.

Bei einer späteren Visite im Frühling 2022 fällt mir ein Neuzuzüger an der Rue Saint-James auf: Marcel Travelposters, ein Spezialist für touristische Nostalgie. Im Laden drin wimmelt es nur so von Posters und Postkarten, die – wohl mit modernster Computertechnik hergestellt – im romantischen Flair des letzten Jahrhunderts daherkommen. Natürlich hat sich der Künstler namens Marcel vor allem auf Bordeaux und die unmittelbare Umgebung wie Biarritz oder Lacanau spezialisiert. Aber auch weitere populäre französische Destinationen sind hier verewigt, vereinzelt blitzen auch Schweizer Motive auf. Die Postkarten gehen weg für zwei Euro pro Stück.

Bordeaux Altstadt: ein Hotel

Nur gerade zehn Gehminuten entfernt von der Rue Saint-James befindet sich das enorm quirlige Hotel Mama Shelter. Wer es gerne jugendlich-verspielt mag, liegt hier richtig. Zumal sich im Mama Shelter gleich drei Dinge treffen, die uns immer gefallen. Erstens Tischtennis-Tische im Souterrain. Zweitens eine Dachterrasse mit tollem Ausblicken. Essen, Trinken, Aussicht – auch in Bordeaux ein unschlagbares Duo. Und drittens die ganze Art des Hotels, die ganz klar in die Kategorie jener Häuser gehört, die einen jeden über 40 gleich zehn Jahre jünger machen. Wer früh bucht, ist im Mama Shelter mit einem Zimmer ab 79 Euro dabei.

Bordeaux Rue Saint James: Die Anreise

Mit der Tramlinie A (Bordeaux weist eine unglaubliche Dichte an Trams auf, gefühlt jede Sekunde kommt jederzeit eine Tramway ums Eck) bis Station Sainte-Catherine. Von dort aus schnurstracks an die Place Fernand Lafargue – et voilà. Besonders am Abend entfaltet die kurze Straße ihren ganz eigenen Zauber. Wer seinen Lieben zu Hause einen schönen Foto-Gruss schicken will, zielt kurz nach Sonnenuntergang zum großen Glockenturm. Magnifique!

Sehenswürdigkeiten in der Nähe der Rue Saint James Bordeaux Altstadt

In nur wenigen Gehminuten gelangst Du von der Rue Saint-James zur Garonne hinunter. Majestätisch liegt der Fluss mitten in der Stadt, seine Ufer eignen sich hervorragend, um per Mietvelo entdeckt zu werden. Mal ein bisschen Histoire schnuppern? Dann aber ab ins Musée Aquitaine, das prallvoll ist von Geschichten aus der Region Aquitanien. Und der bewegenden Story des Hafens Bordeaux in seinen Glanzzeiten von 1800 bis 1939.

Histoire schnuppern in Bordeaux, aber lieber nicht im Museum? Dann aber ab an die Place de la Bourse. Der Platz gilt als eines der Wahrzeichen der Stadt. Zuerst Histoire schnuppern und dann abkühlen? Auch gut. Gleich an der Place de la Bourse liegt der Miroir d’Eau. Eine spiegelglatte Wasserfläche mit geringer Tiefe sorgt dafür, dass für einmal jeder und jede tatsächlich übers Wasser gehen kann. Dass zwischendurch in regelmäßigen Wasserspiel-Einlagen Fontänen und Nebel-Effekte auftreten, auch gut.

Bild: Google Maps

In «Coole Pflaster» porträtieren wir städtische Straßen aus aller Welt, die nicht globalisiert sind. Kein Starbucks, kein H&M, kein McDonald’s – sondern lokale und regionale Anbieter aus Gastronomie, Hotellerie, Shopping und Kultur. Hier werden Straßen geehrt, die Einheimische und Zugereiste gleichermaßen glücklich machen.

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