Anschlag von 1985
Als Terroristen am Flughafen Wien ein Blutbad anrichteten
Das Ereignis ist heute fast vergessen: Am 27. Dezember 1985 verübte ein arabisches Terrorkommando einen Anschlag auf die Check-in-Schalter von El Al am Flughafen Wien. Es richtete unter Passagieren ein Blutbad an.
Das Terminal nach dem Anschlag: Ein Bild des Grauens.
Das Terminal nach dem Anschlag: Ein Bild des Grauens.
Kurz vor 9 Uhr früh stürmten an jenem Freitag drei mit Handgranaten und Sturmgewehren vom Typ Kalashnikov bewaffnete Männer die Abflughalle des Flughafens Wien im Bereich des heutigen Terminals 2. Sie griffen die beim El-Al-Schalter auf den Check-in wartenden Passagiere an. Die Terroristen waren über eine Treppe an der Ostseite des Terminals eingedrungen.
Ehe sie am 27. Dezember 1985 das Feuer aus ihren automatischen Waffen eröffneten, warfen sie mehrere Rauch- und Handgranaten in Richtung der wartenden Passagiere. Nahezu zeitgleich kam es auf dem Flughafen Rom-Fiumicino ebenfalls zu einem Terrorangriff durch Araber, bei dem 16 Menschen getötet und 99 verletzt wurden.
Sicherheitspersonal von El Al griff in den Feuerkampf ein
Am Flughafen Wien stellte sich ein als Sprengstoffexperte ausgebildeter Beamter der Polizei als erster dem Terrorkommando entgegen und erwiderte von der Balustrade oberhalb der Schalterebene mit seiner Dienstwaffe, einer Glock 17 (Kaliber 9mm, Standardmagazinkapazität 17 Patronen), das Feuer. Unmittelbar darauf griffen ein weiterer Polizist sowie das bewaffnete Sicherheitspersonal von El Al in den Feuerkampf ein.
Bei dem Schusswechsel zwischen den Angreifern, die sich bei der zur Abflughalle führenden Treppe verschanzt hatten, der österreichischen Polizei und den bewaffneten Sicherheitsleuten der israelischen El Al, fielen über 200 Schüsse. Außerdem detonierten drei Handgranaten und eine Rauchgranate.
«Überall war Blut»
Dabei starben der Österreicher Eckehard Karner und der Israeli Elias Jana. 39 Personen wurden verletzt, 20 von ihnen schwer. Ein Polizist verhinderte durch seine Geistesgegenwart noch Schlimmeres, indem er eine scharfe Handgranate mit dem Fuß von der Menschenmenge wegkickte. Der beherzten und raschen Reaktion der Polizisten und Sicherheitsleute war es zu verdanken, dass die Terroristen nicht weiter in die Halle vordringen konnten.
Der Check-in-Bereich nach dem Anschlag. Bild: Heinrich Huber
«Überall war Blut, die Schreie der Verwundeten durchdrangen den Flughafen, es herrschte absolutes Chaos», erinnerte sich ein Augenzeuge später. «Ich kann mich an einen Mann erinnern, der vor der Abflughalle mit einem Wirbelsäulensteckschuss gelegen ist», sagte Alfred Kaff, ehemaliger Chefarzt der Wiener Berufsrettung in einem Interview mit dem ORF.
Große Verfolgungsjagd
Am 22. Januar 1986, knapp ein Monat nach dem Anschlag, erlag die erst 26-jährige Lehrerin Elisabeth Kriegler ihren durch Granatsplitter verursachten Verletzungen. Die Attentäter flüchteten nach dem Angriff mit einem gestohlenen PKW auf der Pressburger Straße (B9) in Richtung Fischamend. «Revierinspektor Peter P. von der Hundestaffel nahm in einem VW Käfer die Verfolgung auf», wie Oberst i. R. Alfred «Django» Rupf sich für dieses Buch erinnerte.
Zwischen Flughafen und Fischamend konnten die Terroristen schließlich von der Polizei gestellt werden. Dabei kam es erneut zu einem Feuergefecht. In der Zwischenzeit waren Dutzende Exekutivbeamte von umliegenden Dienststellen alarmiert und zum Flughafen befohlen worden.
Lange im Gefängnis
Terrorist Abdel Aziz Merzoughi wurde bei diesem letzten Gefecht nahe Fischamend getötet, zwei weitere Angreifer, Mongi Ben Abdollah Saadaoui und Tawfik Ben Ahmed Chaovali, erlitten schwere Verletzungen und bekannten sich nach ihrer Einlieferung ins AKH Wien zur Fatah-Splittergruppe Abu Nidals. Diese Terrororganisation wird für mehr als 100 Anschläge mit hunderten Todesopfern in über 20 Ländern verantwortlich gemacht.
Die Attentäter von Wien-Schwechat wurden 1987 zu lebenslangen Haftstrafen verurteilt. Tawfik Ben Ahmed Chaovali war im November 1996, rund 11 Jahre nach dem Attentat, an der Geiselnahme in der Justizanstalt
Graz-Karlau beteiligt, wofür er eine Zusatzstrafe von 19 Jahren erhielt. Auch später war der Terrorist weiter gewaltbereit und auffällig. Nachdem er im Jahr 2015 Justizwachebeamte bedroht und sich selbst als Mitglied der Terrororganisation Islamischer Staat bezeichnet hatte, wurde eine bedingte Entlassung abgelehnt.
Einsatzbesprechung in der Schweiz
Der zweite überlebende Terrorist, Mongi Ben Abdollah Saadaoui, wurde dagegen im Jahr 2008 im Alter von 58 Jahren aus der Haft entlassen, mit einem 10-jährigen Einreiseverbot für Österreich belegt, und konnte anschließend nach Jordanien ausreisen.
Bei den Männern handelte es sich Informationen der Nachrichtenagentur APA zufolge «um palästinensische Flüchtlinge aus den Lagern Sabra und Schatila, die im Libanon für den Einsatz ausgebildet worden waren und sich in einer Einsatzbesprechung in der Schweiz versammelt hatten, bevor sie die zeitgleichen Anschläge in Wien und Rom durchführten».
Attentat mit Vorgeschichte
Die genauen Absichten der Angreifer konnten nie eindeutig geklärt werden ‒ es wurde unter anderem vermutet, dass sie vorhatten, Israelis als Geiseln zu nehmen und das entführte Flugzeug von El Al über Israel in die Luft zu sprengen.
Laut Angaben ehemaliger Polizeioffiziere hatte sich der Anschlag bereits abgezeichnet, denn am 1. Mai 1981 wurde der Wiener Stadtrat und Präsident der Österreichisch- Israelischen Gesellschaft, Heinz Nittel, vor seinem Reihenhaus in der Hietzinger Bossigasse von einem arabischen Terroristen erschossen. Und am 29. August 1981 kam es vor der Synagoge in der Wiener Innenstadt zu einem Terroranschlag.
Man wusste nur nicht wann
Zwei Araber warfen eine Handgranate auf die Synagoge und schossen aus Maschinenpistolen auf Besucher. Zwei Menschen (nach einigen Quellen 4 Todesopfer) starben, 20 weitere, darunter auch Kinder, wurden verletzt. Einer der gefassten Attentäter gestand den Behörden später den Mord an Heinz Nittel.
Ein pensionierter Polizist sagte angesichts dieser Vorgeschichte des Anschlages am Flughafen Wien einmal gegenüber dem Autor: «Jeder wusste, dass noch etwas kommen würde, nur keiner wusste, was und wann. Am 27. Dezember 1985 wussten wir es dann schließlich.»
Attentatsbereich lange gesperrt
Der Flugbetrieb wurde noch am gleichen Tag kurz nach 11 Uhr unter strengsten Sicherheitsvorkehrungen wieder aufgenommen, während die Polizei den Flughafen und die Umgebung noch mehrere Stunden lang nach möglichen weiteren Terroristen absuchte. Die Blutspuren sowie die Einschläge der Granatsplitter und Kugeln waren noch über mehrere Wochen sichtbar. Der Bereich des Anschlages blieb längere Zeit abgesperrt und ungenutzt.
Eine der Konsequenzen aus dem Anschlag war die Aufstockung und Vergrößerung der am Flughafen seit 1980 bestehenden Polizeispezialeinheit Kranich (zum Zeitpunkt der Gründung 1980 trug die Einheit noch den Namen Alarmzug Flughafen), die unter anderem einen, mittlerweile ersatzlos ausgemusterten, Radpanzer Pandur erhielt. Bis die zusätzlichen Kraniche ausgebildet waren, versahen Polizisten aus umliegenden Dienststellen gemeinsam mit Mitgliedern dieser Sondereinheit Dienst am Flughafen und zeigten verstärkt Präsenz.
Jedes Fahrzeug kontrolliert
«Man hat die Polizei aufgerüstet, man hat die Kontrollen verschärft, man hat Mittel dazu bekommen, soweit sie vorhanden waren», so der ehemalige Polizist Robert Sturm im ORF-Interview. Ein anderer Polizist erinnerte sich im Gespräch mit dem Autor: «In den Wochen nach dem Anschlag wurden bei jedem Air France-, El Al- und Pan Am-Flug mehrere Stunden zuvor schon die Flughafenautobahn und die Bundesstraße gesperrt. Jedes einzelne Fahrzeug haben wir kontrolliert.»
Das Check-in für El Al Flüge nach Israel wird seither nicht nur weiter durch eigenes israelisches Sicherheitspersonal permanent überwacht, sondern auch durch noch mehr mit Sturmgewehren vom Typ STG 77 bewaffnete Polizisten, die sich in unmittelbarer Nähe der Check-in-Schalter aufhalten und so im ‒ seit jenem Schicksalstag vor fast 38 Jahren glücklicherweise nicht mehr eingetretenen ‒ Ernstfall sofort eingreifen können.
Ebenfalls als Reaktion auf den Anschlag wurde ein großer Teil des damals noch bestehenden alten Besucherdecks geschlossen.
Klage von 25 Personen
Und ‒ heute eine Selbstverständlichkeit auf internationalen Flughäfen ‒ nach dem Anschlag erhielt der Airport Wien eine Flughafensanität, die rund um die Uhr mit einem Notarzt sowie weiterem medizinischen Personal besetzt ist und über mehrere Rettungsfahrzeuge verfügt.
28 Jahre nach dem Anschlag, 2013, sprach ein US-Gericht Opfern des Anschlags (sowie jenen des zeitgleich erfolgten Terrorangriffs auf dem Flughafen Rom-Fiumicino) eine Entschädigung von umgerechnet jeweils eine Milliarde Dollar zu. Geklagt hatten 25 Personen, die entweder selbst schwer verletzt worden waren oder Angehörige verloren hatten.
Klagende erhalten wohl nie Geld
Laut Ansicht des US-Gerichts waren Libyen und Syrien zahlungspflichtig, da diese Länder für die Anschläge zumindest mitverantwortlich gewesen seien. Über den weiteren Verlauf in dieser Causa ist nichts bekannt. Es gilt jedoch ‒ nicht zuletzt vor dem Hintergrund des Bürgerkrieges in Syrien und Libyen ‒ als eher unwahrscheinlich, dass die Kläger das ihnen zugesprochene Geld jemals erhalten haben. Ein wichtiger symbolischer Akt war der Richterspruch dennoch.
Der Artikel ist ein leicht gekürzter Vorabdruck aus dem Buch «Wie König Davids Söhne den Himmel eroberten: Von Sternstunden und Tragödien der israelischen Luftfahrt» von Patrick Huber. Nicht nur der Terroranschlag am Flughafen Wien (inklusive Interviews mit Zeitzeugen), auch über die Operation Salomon zur Rettung äthiopischer Juden 1991 und die Luftschlacht von Ofira, bis hin zur Gegenwart, erzählt das neue Buch des österreichischen Sachbuchautors und Luftfahrtfotografen spannende und wahre Geschichten aus der israelischen Luftfahrt. Das Werk ist ab sofort im Handel erhältlich.