Fluggesellschaft der DDR
Als Interflug das letzte Mal abhob
Vor genau 25 Jahren stellte die DDR-Airline Interflug ihren Betrieb ein. Dabei hätte die Fluglinie durchaus weiterleben können, glaubt Klaus Petzold, Kapitän des letzten Fluges. Ein Rückblick.
Eine Tupolew TU-134 der Interflug: Der letzte Flug der DDR-Airline erfolgte mit einer Maschine dieses Typs.
Eine Tupolew TU-134 der Interflug: Der letzte Flug der DDR-Airline erfolgte mit einer Maschine dieses Typs.
Am 30. April 1991 landete das letzte Mal eine Interflug-Maschine auf dem Flughafen Berlin-Schönefeld – es war das Ende der DDR-Airline, die es zu dem Zeitpunkt offiziell gar nicht mehr gab. Bereits am 7. Februar hatte die Treuhandanstalt die Liquidierung der Fluglinie beschlossen. Dass die Airline einfach so dicht gemacht wurde, macht Klaus Petzold, Kapitän auf dem letzten Interflug-Flug, bis heute wütend.
Offenbar standen wirtschaftliche Interessen anderer westdeutscher Unternehmen im Vordergrund, sagt er: «Siebzehn Millionen Ostdeutschen, die 40 Jahre lang nur eingeschränkt reisen durften, stand mit der Einheit plötzlich die Welt offen. Dieser Markt war für die westdeutschen Luftverkehrsunternehmen derart verlockend, dass sie nicht die Größe hatten, der Interflug davon auch nur einen einzigen Passagier zu überlassen.»
Kartellamt verhinderte Übernahme durch Lufthansa
Tatsächlich hatte die Lufthansa Interesse an der DDR-Airline gezeigt. Lufthansa-Chef Heinz Ruhnau wollte Interflug konkurrenzfähig machen und zu einem Tochterunternehmen umformen. Die Verhandlungen waren sogar so weit fortgeschritten, dass Interflug-Mitarbeiter beispielsweise im gesamten Streckennetz der Lufthansa Freiflüge nach den Konditionen des Mutterkonzerns in Anspruch nehmen konnten. Doch das Bundeskartellamt lehnte die Fusion im Juli 1990 ab.
Zum Zeitpunkt der Wende verfügte Interflug über 40 Maschinen und beförderte 1,3 Millionen Passagiere jährlich. «Nach dem Kartellgesetz müssen wir einen Zusammenschluss untersagen, wenn ein marktbeherrschendes Unternehmen durch einen Zukauf seine Position verstärkt», erklärte Kartellamtspräsident Wolfgang Kartte 1990 in einem Interview mit dem Spiegel. «Die Lufthansa verfügt über mehr als die Hälfte der innerdeutschen Start- und Landerechte und hat somit eine überragende Marktstellung.»
Andere Interessenten sprangen ab
Auch andere Interessenten wie British Airways sprangen ab. Damit war das Ende nicht mehr zu verhindern: Die Interflug flog zu diesem Zeitpunkt einen Verlust von einer Million Mark ein. Insgesamt lag das Defizit bei etwa 200 Millionen Mark. Gestartet war Interflug als staatliche Fluggesellschaft der DDR am 18. September 1958.
Neben der Ost-Lufthansa war Interflug die zweite Airline im sozialistischen Teil von Deutschland. Als sich Anfang der 1960er-Jahre die Auseinandersetzung zwischen Ost- und West-Lufthansa um die Nutzung des Namens «Lufthansa» zuspitzte, wurde die Ost-Variante auf Anweisung des damaligen DDR-Verkehrsministers liquidiert. Flugzeuge, Streckenrechte und Flugplätze gingen an die Interflug über.
Größtes Unglück auf deutschem Staatsgebiet
Die Airline flog hauptsächlich in andere sozialistische Städte in Osteuropa: Moskau, Vilnius, Warschau, Prag. Dabei kamen Iljuschin II-14, später auch Iljuschin II-18 zum Einsatz. Als das Jet-Zeitalter anbrach, setzte Interflug auf Tupolew Tu-134 – eine Maschine dieses Typs war es auch, die den allerletzten Flug am 30. April 1991 absolvierte. Mit der Tupolew ging es zuvor lange Zeit an Ziele im Nahen Osten und Nordafrika.
Als im Jahr 1970 die Iljuschin II-62 in den Dienst gestellt wurde, flog Interflug auch nach Vietnam und Kuba. Überschattet wurde die Einführung dieses Typs durch den Absturz der ersten gelieferten Maschine am 14. August 1972 in Königs Wusterhausen, bei der alle 156 Menschen an Bord starben. Es war das erste Interflug-Unglück mit Todesfolge und bis heute die schwerste Flugzeugkatastrophe auf deutschem Staatsgebiet.
Komplizierte West-Routen von Interflug
Interflug flog auch Ziele im Westen an, etwa in Belgien, Skandinavien und Österreich. Allerdings waren diese Routen nicht ganz unkompliziert: Die NATO-Staaten beschränkten die Überflugrechte für die DDR-Airline. So konnte etwa die innerdeutsche Grenze nicht überflogen werden. Flüge beispielsweise in die Niederlande mussten einen Umweg über Dänemark machen.
In den 1980er-Jahren setzte die Ölpreiskrise der Airline zu, hinzu kamen steigende Lärmschutzauflagen in westeuropäischen Ländern. Die II-62 konnte die Strecke nach Kuba nicht nonstop fliegen. Bei der Zwischenlandung in Gander (Neufundland) musste Interflug dann teure Landegebühren und Treibstoff in Devisen bezahlen. Hin und wieder entschieden sich Passagiere auch spontan zur Republikflucht, anstatt ihren Flug nach Kuba fortzusetzen. Unter Vermittlung von Airbus-Aufsichtsrat Franz Josef Strauß konnte Interflug drei A310 bestellen. Diese wurden allerdings erst 1988 ausgeliefert.
Airbus-Jets weiterhin im Einsatz
Nach der Liquidierung der Interflug wurden die A310 – kaum zwei Jahre im Dienst – an die Lufthansa übergeben. Unter dem Namen «Konrad Adenauer» flog der Airbus bis 2011 den Bundeskanzler bzw. die Bundeskanzlerin zu Staatsbesuchen. Die zweite Maschine «Theodor Heuss» diente als Ersatz. «Kurt Schumacher» ist weiterhin im Einsatz, hauptsächlich als Passagiermaschine für den Transport von Soldaten.
Etwa 1000 ehemalige Interflug-Mitarbeiter wurden von der Lufthansa übernommen. Klaus Petzold war nach dem Ende der Interflug als Flug- und Theorielehrer in einer Berliner Flugschule tätig. «In meinem damaligen Alter – ich war 55 – hatte ich keine Chance mehr, irgendwo in so einem Traumberuf neu anzufangen», sagt Petzold. Bis heute ist er überzeugt, dass das Ende der Interflug vermeidbar gewesen wäre und dass hier durch die Siegermentalität dem deutschen Luftverkehrsmarkt unnötiger Schaden zugefügt wurde.