Interview
«Wir fördern aktiv regionale Flughäfen, um Thailands Vielfalt besser zugänglich zu machen»
Erreichung des Tourismusziels von 35 Millionen Besuchern für 2024, die Bedeutung der DACH-Märkte und Maßnahmen gegen Über-Tourismus durch die Förderung unbekannter Destinationen.
Chiravadee Khunsub, Executive Director European Region, Tourism Authority of Thailand
Chiravadee Khunsub, Executive Director European Region, Tourism Authority of Thailand
aeroTELEGRAPH: Beginnen wir mit den Besucherzahlen. Wie viele internationale Touristen hat Thailand bis jetzt in diesem Jahr empfangen?
Chiravadee Khunsub: Wir haben bisher 22 Millionen internationale Touristen begrüßt und streben bis zum Jahresende eine Zahl von 35 bis 35,5 Millionen an.
Angesichts dieser Zielsetzung, sind Sie zuversichtlich, dass Sie dieses Ziel erreichen werden?
Ja, absolut. Die kommende Hochsaison sollte uns dabei unterstützen, dieses Ziel zu erreichen.
Wie wichtig sind Flugverbindungen für den Tourismus in Thailand?
Aufgrund der großen Entfernungen sind Flugverbindungen für den europäischen Langstreckenmarkt nach Thailand besonders wichtig. Wir beobachten eine Zunahme der Flugzahlen. Thai Airways hat bereits den Großteil ihrer Verbindungen von Europa nach Thailand wieder aufgenommen, wobei Skandinavien und Belgien die neuesten Destinationen sind, für die Flüge wieder aufgenommen wurden. Die Schweiz ist nach wie vor eine der profitabelste Destinationen für Thai Airways. Zudem gibt es weitere europäische Fluggesellschaften wie Edelweiss, Condor und Iberia, die ebenfalls Verbindungen anbieten.
Die Fluggesellschaften des Mittleren Ostens sind ebenfalls wichtig, da sie sehr gute Anbindungen nach Thailand bieten. Allerdings gibt es Engpässe, da die Anzahl der Flüge aus dem Mittleren Osten nach Thailand nicht mit der Anzahl der Umsteigenden übereinstimmt. Trotzdem haben Länder wie Katar und die Vereinigten Arabischen Emirate, einschließlich Dubai, sowie die Türkei zahlreiche Flughäfen, die als gute Umsteigepunkte dienen. Die Türkei mit Turkish Airlines bietet derzeit die besten Verbindungen mit über 30 Flügen pro Woche nach Thailand.
Können die bestehenden Flughäfen immer noch alle Touristen bewältigen, oder gibt es einen strategischen Ansatz, Fluggesellschaften weniger bekannte Flughäfen als Alternative zu Bangkok oder Phuket vorzustellen?
Das ist tatsächlich eine der strategischen Maßnahmen unserer Organisation. Wir haben kürzlich eine Informationsreise für Fluggesellschaften organisiert, um ihnen das Potenzial anderer Flughäfen wie Surat Thani und Krabi zu zeigen, die beide große Flugzeuge abfertigen können. Krabi insbesondere hat eine beträchtliche Kapazität, und wir haben 15 internationale Airlines dorthin gebracht, um ihnen das Potenzial dieser Flughäfen zu demonstrieren. Unser Ziel ist es, ihre Perspektive zu erweitern, damit sie erkennen, dass nicht nur Bangkok, sondern auch andere Destinationen wie Chiang Mai, Surat Thani und U-Tapao, oder Orte südlich von Bangkok, gut zugänglich und attraktiv für Urlauber sind.
Wechseln wir zu den Märkten. Wie wichtig ist der DACH-Markt für Thailand?
Der DACH-Markt ist sehr wichtig. Schweizer Reisende zum Beispiel sind aufgrund ihrer langen Aufenthalte und hohen Ausgaben besonders bedeutend. Der deutsche Markt bringt größere Volumen, obwohl die Aufenthaltsdauer kürzer und die Ausgaben etwas niedriger sind. Es gibt also einige Unterschiede. Um ein Gleichgewicht zu finden, muss man die Vorlieben der einzelnen Märkte berücksichtigen. Schweizer Reisende konzentrieren sich beispielsweise mehr auf Lifestyle und konsumieren gerne Luxusprodukte. Sie geben viel in der Gastronomie und im Tourismussektor aus und genießen etwa thailändisches Essen oder Michelin-Sterne-Restaurants. Sie lieben es, sich in kulturelle Erlebnisse einzutauchen und legen auch Wert auf Wellnessangebote. Shopping nach Lifestyle-Produkten ist ebenfalls ein wichtiger Aspekt ihrer Reisen.
In Europa hört man oft von «Overtourism» in Städten wie Venedig, Dubrovnik oder Barcelona. Beobachten Sie ein ähnliches Phänomen in den touristischen Hochburgen Thailands?
Das ist eine Herausforderung, die Thailand zu bewältigen versucht. Wir haben eine Strategie entwickelt, die wir «Hidden Gem City» nennen, um weniger bekannte Städte zu fördern und die Touristen besser im Land zu verteilen, statt sie nur in die großen Städte zu lenken. Viele der Flughäfen, die ich erwähnt habe, befinden sich ebenfalls in diesen sekundären Städten. Wenn es uns gelingt, diese Strategie umzusetzen, wird das erheblich helfen, den «Overtourism» in den Hauptstädten zu reduzieren. Tatsächlich zielen wir sowohl auf wiederkehrende als auch auf Erstbesucher ab. Bis 2025 möchten wir, dass Touristen, die Thailand schon oft besucht haben, versteckte Schätze erkunden, die sie bisher noch nicht gesehen haben. Auch für Erstbesucher kann der Start in weniger bekannten Regionen attraktiv sein, da die Wahrnehmung von «Overtourism» davon abhalten kann, Thailand als Reisedestination zu wählen.
Wie steht es um die Infrastruktur in diesen weniger bekannten Orten, wenn Reisende bereits an die Standards von Orten wie Phuket oder Bangkok gewöhnt sind?
Das ist eine wichtige Frage. Die Regierung hat 55 Provinzen als versteckte Juwelen ausgewiesen, aber unser europäisches Team hat sich auf etwa zehn Provinzen konzentriert, die in Bezug auf Erreichbarkeit, Unterkünfte und Attraktionen den Vorlieben unserer Kunden entsprechen. Zum Beispiel ist die Provinz Penang gut zugänglich, bietet zahlreiche Hotels und die kulturellen Attraktionen entsprechen den Erwartungen der Touristen.
Bedeutet das, dass bereits eine Infrastruktur vorhanden war, aber die Regierung nun plant, diese Regionen weiter zu entwickeln, indem sie beispielsweise neue Projekte mit Hotelketten initiiert?
In Bezug auf Hotels gibt es bereits eine vorhandene Infrastruktur, und manchmal entsteht die Nachfrage vor dem Angebot. Wenn die privaten Investoren eine große Chance sehen, tätigen sie Investitionen. Es ist nicht einfach für die Regierung, die privaten Sektor zu überzeugen oder spezielle Kredite für Investitionen anzubieten. In einigen Provinzen, wie Trang, ist die Zugänglichkeit gut, und die meisten Hotels in den Städten sind Drei-Sterne-Hotels. Auf den meisten Inseln der Provinz Trang, die zu Nationalparks gehören, ist das Bauen nicht erlaubt. Es gibt jedoch private Inseln mit Fünf-Sterne-Hotels. Die Verfügbarkeit von Buchungen in diesen Hotels ist oft sehr begrenzt, was auf eine hohe Nachfrage hindeutet.
Wenn Sie neue Reiseziele erschließen, verfolgen Sie dann auch einen nachhaltigeren Ansatz, insbesondere da viele Reisende heutzutage Wert auf umweltfreundlichen und nachhaltigen Tourismus legen?
Das ist definitiv Teil unseres Plans. Zum Beispiel hat die Provinz Krabi ihre Positionierung als grünes Reiseziel festgelegt. Die neu eröffneten Hotels, wie das Varana, sind von Beginn an mit einem Nachhaltigkeitskonzept gestartet. Dies umfasst das Design, die Nutzung von Energie, die Klimatisierung und die Verwendung von natürlichen Materialien. Ein weiteres Beispiel ist Phuket, wo ähnliche Konzepte umgesetzt werden. Die Zentralregierung fördert ebenfalls nachhaltige Tourismusziele, die mit den SDGs der Vereinten Nationen übereinstimmen. Wir motivieren Unternehmer in der Tourismusbranche, sich mit Nachhaltigkeit auseinanderzusetzen. Es gibt bereits über 500 Hotels, die ihre Praktiken in dieser Hinsicht evaluieren und verbessern.
Gibt es auch eine entsprechende Nachfrage von Seiten der Touristen nach solchen nachhaltigen Angeboten?
Absolut, die Nachfrage ist sehr hoch. Das neue Hotel, das ich erwähnte und das im Mai dieses Jahres eröffnet wurde, ist ein gutes Beispiel. Die Nachfrage nach diesem Hotel zeigt deutlich, dass insbesondere Unternehmensgruppen nachhaltige Konzepte suchen. Sie sind Teil einer Bewegung, die Wert auf umweltfreundliche und nachhaltige Unterkünfte legt. Natürlich trifft dies nicht auf alle Reisenden zu, aber es ist ein wachsender Trend in bestimmten Märkten. Thailand hat in dieser Hinsicht eine lange Tradition und war schon vor über 25 Jahren mit den Green Leaf Hotels Vorreiter, zu einer Zeit, als Umweltfreundlichkeit noch kein breites Thema war. Thailand hatte bereits früh ein Umweltsiegel eingeführt und sich international als führend und richtungsweisend in dieser Art von Aktivitäten positioniert.
Zusätzlich arbeite ich mit dem privaten Sektor an der «Low Carbon Campaign», bei der ich als Berater tätig bin. Wir schulen Hotels darin, wie sie ihren CO2-Ausstoß reduzieren können, oft durch einfache Verhaltensänderungen des Personals und der Gäste, statt durch teure technologische Investitionen. Ein Beispiel hierfür ist, dass Gäste, die ihre Handtücher mehrere Tage verwenden, als Anreiz kostenlos Getränke erhalten können. Diese Maßnahmen fördern nicht nur umweltfreundliches Verhalten, sondern kommunizieren auch den Wert der Bemühungen des Hotels an die Gäste, was in Thailand im Sinne von schlechtem und gutem Karma verstanden wird: Gutes tun bringt Gutes.
In der Zeit von Covid-19 war es sehr beliebt, als digitaler Nomade länger in Thailand zu bleiben. Gibt es weiterhin diesen Trend, dass Menschen länger als die üblichen sechs Monate bleiben möchten, und haben Sie spezielle Angebote dafür?
Wir haben das «Destination Tourist Visa» eingeführt, das speziell für Senioren und digitale Nomaden konzipiert wurde, die länger in Thailand bleiben möchten. Dieses Visum ist eine direkte Reaktion auf die veränderte Arbeitsweise nach Covid-19 und richtet sich insbesondere an diese beiden Gruppen. Wir haben dieses Visum ab dem 15. Juli dieses Jahres eingeführt. Es erlaubt es Inhabern, bis zu 180 Tage pro Einreise in Thailand zu bleiben und ist fünf Jahre lang gültig. Das DTV, auch bekannt als «Visum für digitale Nomaden», bietet eine kosteneffiziente und praktische Lösung für Freiberufler, digitale Nomaden oder Fernarbeiter, die eine einfache Möglichkeit suchen, aus dem tropischen Paradies Thailands zu arbeiten.
Welche Orte sind Ihre persönlichen Favoriten in Thailand für Erstbesucher und wiederkehrende Touristen?
Für Erstbesucher empfehle ich den Khao Yai Nationalpark wegen seiner atemberaubenden Natur und Aktivitäten. Für wiederkehrende Besucher bieten die Surin-Inseln ein ruhigeres Erlebnis mit ausgezeichneten Schnorchelmöglichkeiten und weniger überfüllten Stränden.
Wie plant Thailand, auf der globalen Tourismusbühne wettbewerbsfähig zu bleiben?
Wir zielen darauf ab, ein vielfältiges Tourismusangebot zu bewahren und die Fluganbindungen zu verbessern. Authentisches Marketing und Storytelling sind entscheidend, um eine breite Palette von Reisenden anzuziehen.
Vielen Dank für diese umfassenden Einblicke, Chiravadee. Es scheint, als sei Thailand gut gerüstet für eine robuste Erholung und nachhaltiges Wachstum im Tourismus.
Herzlichen Dank. Wir sind entschlossen, Thailand als attraktives und nachhaltiges Reiseziel für alle Arten von Reisenden zu fördern.
Informationen zu den von Chiravadee Khunsub erwähnten Destinationen in Thailand
Khao Yai Nationalpark
- Lage: Der Khao Yai Nationalpark liegt etwa 120 Kilometer nordöstlich von Bangkok und ist Teil der Provinz Nakhon Ratchasima. Er ist der drittgrößte Nationalpark Thailands und einer der ältesten.
- Erreichbarkeit: Der Park ist per Auto oder Bus von Bangkok aus in etwa zwei bis drei Stunden erreichbar. Es gibt regelmäßige Busverbindungen von verschiedenen Busbahnhöfen in Bangkok.
- Sehenswürdigkeiten: Der Park ist bekannt für seine vielfältige Flora und Fauna, einschließlich wilder Elefanten, Gibbons und mehr als 300 Vogelarten. Zu den Hauptattraktionen zählen Wanderwege, Wasserfälle wie der Haew Narok und der Haew Suwat, sowie Aussichtspunkte, die atemberaubende Ausblicke auf die umliegende Landschaft bieten.
Surin-Inseln
- Lage: Die Surin-Inseln sind eine Gruppe von fünf Inseln in der Andamanensee, etwa 60 Kilometer vor der Westküste von Phang Nga in Südthailand.
- Erreichbarkeit: Die Inseln sind am besten von Khuraburi aus erreichbar, einem kleinen Hafen, der etwa vier Stunden Fahrt von Phuket entfernt liegt. Von dort aus erreicht man die Inseln mit dem Boot in etwa einer Stunde.
- Sehenswürdigkeiten: Die Surin-Inseln sind bekannt für ihre unberührten Korallenriffe und sind ein beliebter Ort zum Schnorcheln und Tauchen. Die Inseln sind Teil eines nationalen Meeresparks, was bedeutet, dass die natürliche Umgebung weitgehend geschützt ist. Die Moken, eine See-Nomaden-Ethnie, leben auch auf den Inseln, und Besucher können mehr über ihre Lebensweise erfahren.
Zusätzliche Angaben zu den erwähnten «Hidden Gem Cities»
Diese weniger bekannten Städte sind Teil der Strategie der thailändischen Tourismusbehörde, um den Tourismus gleichmäßiger über das Land zu verteilen und Überfüllung in beliebten Gebieten wie Bangkok und Phuket vorzubeugen.
- Lampang: Bekannt für seine Pferdekutschen und die wunderschön erhaltene Tempelarchitektur. Besucher können den Wat Phra That Lampang Luang besuchen, einen der prächtigsten Tempel Nordthailands.
- Nan: Eine Stadt in den nördlichen Bergen Thailands, bekannt für ihre langsamen Lebensrhythmen und die schönen Wandmalereien im Wat Phumin.
- Trang: Bietet eine Mischung aus schönen Stränden und traditionellem thailändischen Leben. Die Provinz ist berühmt für ihre beeindruckenden Höhlen und Wasserfälle.