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Abbestellungen

Wo liegt für Airlines die rote Linie bei der 737 Max?

Bisher ist Boeings 737 Max trotz der Krise von großen Stornierungen verschont geblieben. Wann kommt der Punkt, an dem sich das ändert?

Seit Mitte März darf die Boeing 737 Max weltweit nicht mehr abheben. Je länger das Grounding des Flugzeugmodells andauert, desto unruhiger werden die Fluggesellschaften, die es schon in der Flotte haben oder auf ihre ersten Exemplare warten. Einige, wie etwa Icelandair, machen sich öffentlich Gedanken über mögliche Alternativen.

Flyadeal ist schon weiter. Im Dezember 2018 – und damit nach dem ersten Max-Absturz in Indonesien – hatte Boeing verkündet, die Saudia-Tochter wolle 30 Exemplare der 737 Max 8 bestellen und sich Optionen auf 20 weitere sichern. Im Juli 2019 zog sich Flyadeal aber von der Vereinbarung zurück – und zwar zugunsten des Konkurrenzmodells Airbus A320 Neo. Boeing zeigte in einem Statement Verständnis für die Absage.

Bisher kaum Stornierungen

Im März, nach dem zweiten Max-Absturz in Äthiopien, hatte ein Sprecher der indonesischen Garuda erklärt: «Wir haben Boeing einen Brief geschrieben und eine Annullierung der Bestellung verlangt.» Dabei ging es um 49 ausstehende 737 Max 8 und die Rücknahme eines bereits gelieferten Jets. Man warte nun auf Antwort von Boeing. Wie diese Antwort ausfiel, ist nicht bekannt. Zudem betonte Garuda direkt, man wolle Boeing treu blieben, nur mit einem anderen Modell. Rund einen Monat später sagte Garuda-Präsident Ari Ashkara im Gespräch mit der Zeitung Nikkei Asian Review: «Wir werden die Bestellungen mit Boeing Max 10 und 787 ersetzen.» Also doch die Max.

Anfang Juni berichtete zudem die russische Nachrichtenagentur Tass, Azal – Azerbaijan Airlines würde ihre Order für zehn Boeing 737 Max 8 annullieren. In einer anderen Meldung aus Aserbaidschan hieß es, die Lieferung sei auf 2024 verschoben worden und die staatliche Airline erwäge stattdessen, Langstreckenflieger zu kaufen. Die Verhandlungen liefen noch. Auch Somon Air, die einzige private Fluglinie Tajikistans, erklärte im Juli, sie wolle ihre 737 Max 8 nicht mehr. Sie hatte den Flieger allerdings nicht bei Boeing direkt bestellt, sondern wollte ihn vom Leasingunternehmen Air Lease Coperation mieten.

Wer hält Boeing wie lange die Treue?

Bedenkt man, dass Boeing mehr als 4500 offene Bestellungen für die 737 Max hat, scheinen diese Absagen verkraftbar. Die Frage ist jedoch: Wird es weitere Stornierungen geben und wenn ja wie viele? Die Antwort darauf hängt von jeder einzelnen Airline ab. So stehen etwa die großen US-Kunden Southwest, American und United zwar wirtschaftlich durch den Max-Ausfall erheblich unter Druck. Sie werden Boeing aber wohl die Treue halten, soweit die Max nicht noch viel länger gegroundet bleibt, als bisher vermutet.

Viel schwieriger einzuschätzen sind andere Großkunden wie Flydubai, Lion Air und Vietjet, die sich teilweise schon kritisch geäußert haben. Sie könnten Boeing Orders für Hunderte Flieger kosten. Generell hängt viel von den einzelnen Airlines ab, davon, wie viele Jets sie bestellt haben, wann diese kommen sollen und wie die Flotten sonst aussehen.

Alternativen kaum schnell zu haben

Ein großer Vorteil für Boeing ist, dass die Kunden kaum Alternativen haben, die schnell verfügbar sind. Wer zu Airbus wechseln will, muss jahrelange Wartezeit akzeptieren. Ende Juni hatte der europäische Flugzeugbauer offene Orders für mehr als 5800 Jets der A320-Familie, die allermeisten davon A320 Neo und A321 Neo. Schnelle Lieferungen sind deshalb kaum möglich. Und weitere Alternativen in dieser Größe gibt es derzeit nicht. Die russische Irkut MS-21, die sich als Alternative zu 737 Max und A320 Neo etablieren will, ist nicht fertig.

Ebenso gilt der Leasingmarkt als abgegrast. Wer jetzt noch keinen Übergangsersatz für seine 737 Max hat, wird ihn schwerlich finden – und wenn doch, dann zu horrenden Preisen. Natürlich gibt es auch Ausnahmen. Eine davon ist die gerade auf Airbus umgeschwenkte Flyadeal. Sie profitiert davon, dass ihre Mutter Saudia als bestehende A320-Neo-Kundin ihre Order aufgestockt hat. So bekommt die Tochter schon 2021 Jets. Für alle anderen ist die rote Linie wohl noch nicht überschritten.

Die Frage, wann Airlines nicht mehr auf die Boeing 737 Max warten können oder wollen, ist schwierig zu beantworten. Haben Sie Gedanken zum Thema? Schreiben Sie sie in die Kommentare.