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Interview mit Akbar Al Baker von Qatar Airways

«Wir wollen Lufthansa nicht schaden»

Qatar-Airways-Chef Akbar Al Baker spricht im exklusiven Interview über Kooperationen, die Auswirkungen der Blockade, Airbus A380 und Boeing 797 sowie seine Pläne in Deutschland.

Sie sind neuer Vorsitzender des Gouverneursrates des Weltluftfahrtverbands Iata. Das jährliche Treffen steht kurz bevor. Angesichts der Spannungen zwischen Ihnen und einigen Konkurrenten dürfte die Atmosphäre angespannt sein.
Nein, überhaupt nicht. Als Vorsitzender trage ich nicht den Hut von Qatar Airways sondern vertrete die internationale Luftfahrtbranche. Mein Fokus liegt darauf, die Interessen dieser Airline-Gemeinde voranzubringen.

Sie arbeiten also konstruktiv mit Kollegen zusammen, die Sie in der Vergangenheit sehr öffentlichkeitswirksam angegriffen haben?
Ja, und das war schon immer so. Ich bin ja schon seit einer ganzen Weile Mitglied des Iata-Gouverneursrates. In dieser ganzen Zeit habe ich sehr erfolgreich die Interessen unserer Branche vertreten.

Die Beziehung zu den US-Airlines hat sich deutlich entspannt. Diese gestanden Ihnen nun zu, keine Beschwerden mehr einzureichen. Mussten Sie viele Kompromisse machen?
Für uns ist das eine sehr konstruktive Abmachung. Wir haben zugestimmt, unsere Geschäftszahlen offenzulegen. Das machen wir ja ohnehin bereits seit zwei Jahren. Und wir haben zugestimmt, fürs Erste keinen Gebrauch der fünften Freiheit für Flüge aus Europa in die USA zu machen, was wir ohnehin nicht vorhatten.

In Atlanta gibt es gute Möglichkeiten für eine Zusammenarbeit.

Also lassen die US-Konkurrenten Sie nun in Ruhe?
Nun, ich sage es mal so: Sie wissen nun, dass Qatar Airways gekommen ist, um zu bleiben. Und sie realisieren, dass wir Ihnen helfen können und zusammenarbeiten können.

Das heißt, Delta Air Lines, American Airlines und United Airlines sind offen für Kooperationen?
Das hängt von der Allianz ab, in der sie sind. United ist Mitglied der Star Alliance und die ist generell restriktiv. Delta ist bei Skyteam. Und auch wenn die eher laut gegen uns Stimmung gemacht haben, ist Skyteam offen für Kooperationen. Delta wird realisieren, dass wir ihnen helfen können. Wir fliegen immerhin ihr Drehkreuz Atlanta an. Da gibt es gute Möglichkeiten für eine Zusammenarbeit.

Und American? Sie sind beide Mitglied von Oneworld. Dennoch hat die Fluglinie das Codeshare-Abkommen mit Qatar Airways im vergangenen Jahr gekündigt. Ihr Plan, 10 Prozent von American zu kaufen, ging nicht auf.
Ich war überrascht, dass American Airlines Teil der Bewegung gegen uns war. Ich glaube aber, sie waren eher interessiert daran, gegen Emirates Stimmung zu machen. Das Ganze war wie ein Gesamtpaket. Alle Golfanbieter wurden gleich behandelt. Aber ich kann nur sagen, dass ich gerne allen freundschaftlich die Hand reiche und ich keinerlei Feindseligkeit empfinde. Ich habe das hinter mir gelassen.

Sind Sie denn immer noch daran interessiert, Anteile an einer Airline in den USA zu kaufen?
Wir haben ja gerade erst bekanntgegeben, einen Anteil an Jetsuite zu kaufen. Das reicht uns jetzt erstmal. Wir haben im Moment kein Interesse, uns an einer US-Airline zu beteiligen.

In Europa haben Sie gerade Air Italy neu aufgestellt – die ehemalige Meridiana, an der Sie 49 Prozent halten. Sind Sie zufrieden mit Ihrer Investition?
Sie steckt noch in den Kinderschuhen. Aber wir hoffen, dass sich das Ganze sehr positiv für uns entwickelt. Die Italiener verdienen, endlich richtigen Anschluss an die Welt zu erhalten, der ihnen bisher fehlte. Das wollen wir ihnen bieten.

Machen Sie sich keine Sorgen, dass Lufthansa Alitalia kauft und dann etwas ganz Ähnliches plant?
Nein, überhaupt nicht. Ich habe ja auch in meiner Region zwei starke Konkurrenten und Qatar Airways ist trotzdem stetig gewachsen. Wettbewerb ist gut und motiviert die Angestellten von Air Italy, das beste Produkt anzubieten.

Man kann ja nicht einer einzelnen Airline erlauben, eine ganze Region zu beherrschen.

Auch sonst in Europa ist Lufthansa deutlich erstarkt. Vor allem seit dem Ende von Air Berlin. Von einigen Seiten gab es Kritik daran.
Ich glaube, dass die Behörden am Ende einschreiten werden, wenn jemand zu mächtig ist. Man kann ja nicht einer einzelnen Fluggesellshaft erlauben, eine ganze Region zu beherrschen. In Europa ist man diesbezüglich sehr empfindlich.

Die EU sorgt sich allerdings derzeit eher um Konkurrenz aus dem Ausland. Es gibt Pläne, das Gesetz zu ändern, damit Behörden Schritte gegen staatliche ausländische Anbieter einleiten kann, wenn nur schon die Sorge besteht, dass diese eigene Airlines bedrohen...
Davon habe ich gehört. Ich finde aber, in diesem Zusammenhang ist es sehr wichtig, eine Sache klarzustellen: Subventionen und Kapital sind nicht dasselbe. Ja, wir gehören dem Staat – so wie es übrigens bei den meisten unserer europäischen Konkurrenten auch einmal der Fall war. Aber das heißt nicht, dass das Geld, dass wir vom Staat erhalten, Subventionen sind.

Das müssen Sie etwas ausführen.
Schauen Sie: Wenn Lufthansa mehr Geld braucht, dann geben sie mehr Aktien heraus und bitten auf diese Weise ihre Aktionäre um mehr Geld. Aber das Geld will Lufthansa ja nicht, um die Tickets billiger zu machen und so den Konkurrenten zu schaden. Sie wollen es um zu wachsen, hinzuzukaufen, neue Flugzeuge zu kaufen. Und dafür fragen sie ihre Anteilseigner. Mein Anteilseigner ist der Staat. Und wenn der mir Geld gibt, ist es eben nicht, um den Wettbewerb auszuschalten, sondern um uns beim Wachstum zu helfen. Das heißt, es ist keine Subvention, es ist ganz einfach Kapital.

Okay…
…noch ein weiteres Beispiel: Schauen Sie sich den Handelskrieg an. Die Vereinigten Staaten denken, dass die anderen Regierungen die Preise künstlich tief halten und so den USA schaden wollen. Falls das so wäre, dann würde es sich um Subventionen handeln.

Aber das ist nicht so?
Nein. Wenn man tiefere Produktionskosten hat, dann ist es halt so. Wenn ich ein deutsches Auto kaufe und ein gleichwertiges in Indien, dann ist das in Indien eben billiger – weil dort die Arbeitskosten geringer sind.

Ich will ein Stück des Kuchens, nicht den ganzen Kuchen und ihn alleine aufessen.

Wollen Sie denn Ihr Kapital nutzen, um bald in Deutschland, Österreich und der Schweiz zu wachsen?
In Österreich sind wir gerade dabei zu wachsen, weil wir ein Abkommen mit dem Land haben, dass uns das erlaubt. In der Schweiz erlaubt uns das Abkommen nur begrenztes Wachstum. Und in Deutschland gar keines.

Also dort kein Wachstum?
Naja, wir wollen nicht irre Kapazität in den Markt pumpen. Wir wollen Lufthansa nicht schaden.

Warum nicht? Ist das nicht irgendwie das Ziel jedes Unternehmens? Der Konkurrenz zu schaden?
Nein, wir wollen wachsen und dabei freundschaftlich bleiben. Ich will ein Stück des Kuchens, nicht den ganzen Kuchen und ihn alleine aufessen. Wenn es Wettbewerb gibt, gibt es auch Raum für Zusammenarbeit. Knallharter Wettbewerb ist nicht nachhaltig. Daher bitten wir nicht um unbegrenzte zusätzliche Kapazität.

Aber um ein bisschen?
Wir haben die deutsche Regierung um zusätzliche Frachtflüge gebeten, weil Fracht ein wichtiger Wirtschaftsfaktor ist. Und wir wollen zwei neue Ziele in unseren Flugplan aufnehmen: Düsseldorf und Hamburg. Wir wollen je einen Flug pro Tag dorthin durchführen. Beide Flughäfen haben uns angesprochen und gebeten, das anzubieten.

Werden Sie von vielen Flughäfen angefragt?
Ja. Und vor allem auch von vielen in den USA. Aber das heißt nicht, dass wir allen ihren Wunsch erfüllen.

Wir bleiben im Geschäft, egal wie lange die Blockade dauert.

Am 5. Juni 2017, vor mittlerweile fast einem Jahr, begann die Blockade Katars durch andere Golfstaaten. Das Netzwerk von Qatar Airways hat sich seither signifikant verändert. Gehen Sie davon aus, dass das langfristig so bleibt?
Ich kann mich nicht darauf verlassen, dass die Blockade aufgehoben wird, also muss ich neue Märkte finden. Also habe ich einen Plan B, egal wie lange die Situation anhält – auch wenn man international inzwischen erkannt hat, dass die Blockade illegal ist. Ich muss für kontinuierliches Wachstum sorgen. Auch, um meine Mitarbeiter zu versorgen, die unsere Airline so großartig machen.

Treibstoffkosten wegen längerer Flugstrecken und andere betriebliche Herausforderungen haben dazu geführt, dass Qatar Airways 2017 einen großen Verlust schreibt. Wie lange wird es dauern, sich davon zu erholen?
Ich hoffe, nicht zu lang. Aber wir bleiben im Geschäft, egal wie lange es dauert.

Weil Sie den Staat um Hilfe bitten können?
Ich habe die Option, meinen Anteilseigner um eine Finanzierungshilfe zu bitten, wenn die Situation zu lange kritisch bleibt – um die Schuldenquote unserer Airline im Gleichgewicht zu halten. Noch ist das aber nicht nötig.

Hat die Situation das Verhältnis von Transit- zu Punkt-zu-Punkt-Passagieren verändert?
Wir sind ein Drehkreuz und jedes Drehkreuz hat viele Umsteigepassagiere. Aber ja, bei uns ist der Anteil größer als bei vielen europäischen Flughäfen. Im Vereinigten Königreich oder Deutschland sind es 45 Prozent. Bei uns sind es eigentlich 80 Prozent. Während der Blockade ist der Anteil auf 85 Prozent angestiegen. Natürlich hätten wir idealerweise gerne einen Anteil von Punkt-zu-Punkt-Reisenden von 30 bis 40 Prozent.

Hat die Blockade auch irgendwelche positiven Effekte?
Mein Land ist unabhängiger geworden. Wir waren viel zu abhängig von unseren Nachbarn – was die Versorgung angeht, den Import von Lebensmitteln, den Tourismus. Wir haben nun gelernt, dass wir mehr Lieferketten brauchen, weil es immer sein kann, dass eine plötzlich wegfällt.

Wir setzen alle unsere Flugzeuge ein.

Qatars Frachtgeschäft wächst stark, Sie haben erst gerade fünfneue Boeing 777 F bestellt. Hat das auch mit diesen neuen Lieferketten zu tun, von denen Qatar Airways ein Teil ist?
Es hat dazu beigetragen. Aber unsere Strategie war von Anfang an, bei Fracht auf starkes Wachstum zu setzen. Aktuell sind wir der drittgrößte Luftfrachtanbieter weltweit. Schon bald könnten wir der zweitgrößte sein.

Sie haben wegen der Blockade 19 Destinationen verloren. Haben Sie deswegen immer noch Überkapazitäten?
(Zeigt aus dem Fenster) Wenn Sie aus meinem Bürofenster schauen, sehen, Sie keine geparkten Flugzeuge wie vielleicht bei andere Fluggesellschaften gerade. (Er spielt damit auf Emirates an, Anmerkung der Redaktion) Wir setzen alle unsere Flieger ein.

Aber wenn das so ist: Warum vermieten Sie dann Flugzeuge an British Airways, die wegen Problemen mit den Triebwerken einige Dreamliner stillegen muss?
Wir geben British Airways Flugzeuge im Wet-lease, damit sie ihren Betrieb problemlos weiterführen können. Wir wollen ihnen helfen, weil Qatar Airways der größte Anteilseigner der British-Airways-Mutter IAG ist. Das können wir nur machen, weil wir in gewissen Märkten Kapazitäten herunterfahren. Für jede Airline würde ich das nicht tun.

Und die Mittelstreckenjets? Sie haben für alle davon Verwendung?
Ja.

Noch immer fliegen keine Airbus A320 Neo für Qatar Airways.
Ja. Aber inzwischen haben wir den Vertrag mit Airbus neu verhandelt. Die Probleme werden gelöst. Statt einem Mix von A320 und A321 Neo werden wir nun 50 A321 Neo in die Flotte aufnehmen. Zusätzlich haben wir noch Optionen auf 30 weitere.

Ist der A321 Neo LR eine Option?
Ja, wir wollen einige A321 Neo LR als Teil dieser Bestellung nehmen. Wir gucken gerade noch, wie viele, aber es werden zwischen 10 und 15 sein.

Boeing überlegt, einen Konkurrenten für den A321 Neo LR zu entwickeln. Hat Boeing Sie wegen des Projektes 797 kontaktiert? Hätten Sie Interesse?
Wir wurden nicht von Boeing kontaktiert. Und im Moment haben wir auch kein Interesse.

Airbus müsste eine A380-Version lancieren, die 15 bis 20 Prozent sparsamer ist.

Weil Airbus schneller war?
Nein, weil wir alles haben, was wir brauchen. Das kann sich aber jederzeit ändern. Wir sind immer an neuester Technologie interessiert und wollen die neuesten Flugzeuge. Und wenn es neue Technik gibt, dann sind wir interessiert. Es könnte auch interessant werden, wenn ich eine neue Airline gründe oder so etwas mache wie in Italien mit Meridiana.

Ihre Kurz- und Mittelstreckenflotte besteht ausschließlich aus Airbus-Jets. Es gibt eine Bestellung für 20 Boeing 737 Max, die nun an Air Italy gehen. Zusätzlich gibt es noch Optionen und Kaufrechte für jeweils 20 weitere. Sind die alle für Air Italy gedacht?
Dazu kann ich noch nichts sagen.

Qatar hat gerade den 10. Airbus A380 in Empfang genommen. Die Optionen für drei weitere wollen Sie nicht umwandeln. Was müsste Airbus tun, um das zu ändern?
Sie müssten eine neue Version lancieren, die 15 bis 20 Prozent sparsamer ist. Eine Verbesserung von 4 bis 5 Prozent, die mit den derzeitig angebotenen Anpassungen möglich ist, ist einfach nicht genug.

Sie sind ein ziemlich schwieriger Kunde.
Für die Flugzeugbauer bin ich das, ja. Das liegt daran, dass wir so einen starken Fokus auf Qualität legen. Viele Airlines akzeptieren Dinge, die für uns nicht klargehen. Wir würden niemals ein Flugzeug in Empfang nehmen, das nicht perfekt ist.

…wie den A320 Neo, für den Sie eigentlich Erstkunde hätten sein sollen – vor mehr als zwei Jahren.
Da ging es um technische Probleme. Aber ich meine hier Qualität: Wenn die Lackierung nicht perfekt ist, nehmen wir den Flieger nicht an. Wenn die Innenausstattung nicht perfekt ist, nehmen wir den Flieger nicht an. Wenn es irgendwo einen Kratzer gibt, nehmen wir den Flieger nicht an. Schauen Sie, es ist doch im Grunde, wie wenn Sie sich ein neues Auto kaufen. Sie würden doch kein Auto annehmen, das bereits Kratzer im Lack hat – oder in dem alte Teile verbaut sind.

Meine Angestellten wissen, dass ich jederzeit auftauchen kann.

Und Ihre Konkurrenten nehmen sowas an?
Es kommt darauf an, wie fokussiert die Mitarbeiter sind, die die Flieger in Empfang nehmen. Meine Angestellten wissen, dass ich jederzeit auftauchen kann, um mir das neue Flugzeug selbst anzuschauen.

Haben Sie bei den Flugzeugbauern einen Favoriten?
Solange man Flugzeuge baut, welche die Wünsche von unseren Kunden erfüllen, dann ist man mein Favorit. Das gilt für Airbus und Boeing.

Das ist jetzt sehr diplomatisch ausgedrückt. Sie haben einmal gesagt, Boeing baue die besten Jets.
In einigen Kategorien tun sie das, ja. Und in anderen Kategorien tut es Airbus.

Und welche Kategorien sind das?
(Lächelt) Das kann ich Ihnen nicht sagen, sonst heißt es noch, ich sei parteiisch.