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Tandi Wangchuk, Drukair

«Wir planen bei Drukair, einen Airbus A319 in einen Frachter umzubauen»

Tandi Wangchuk ist Chef von Drukair. Im Interview sagt er, wie die bhutanische Nationalairline die Pandemie überstand, dass sie einen Airbus 319 zum Frachter umbaut und warum es seine Airline nach Dubai zieht.

Bhutans König hat das Bruttonationalglück als Maß für das kollektive Wohlergehen der Bevölkerung eingeführt. Welche Rolle spielt Drukair in diesem Konzept?
Tandi Wangchuk: Bhutan ist ein kleines Binnenland, das zwischen zwei sehr großen Staaten liegt, China und Indien. Sicherheit und Selbstständigkeit sind deshalb für uns ganz wichtig – und auch eine Voraussetzung für Glück. Drukair sorgt für Konnektivität und bringt Unabhängigkeit von den Nachbarländern. Denn die einzige Alternative zum Flugzeug ist ja die Straße in die Nachbarländer. Zudem ist der Tourismus für Bhutan die zweitwichtigste Einnahmequelle. Und Glück kann nur geschaffen werden, wenn es den Menschen wirtschaftlich gut geht. Drukair sorgt dafür, dass Touristinnen und Touristen aus aller Welt in unser Land kommen können. Nicht zuletzt ist für unsere Bevölkerung die Religion sehr wichtig. Und wir fliegen sie zu anderen religiösen Stätten in der Region.

Die Luftfahrtindustrie hat gerade eine lange Pandemie hinter sich. Wie hat sich das auf Ihre Fluggesellschaft ausgewirkt?
Wir hatten für 2020 sehr große Pläne. Der bekannte Reiseführer Lonely Planet hatte Bhutan zur Top-Destination ernannt. Wir stellten uns deshalb für ein kräftiges Wachstum ein und bauten die Flotte entsprechend aus. Im März übernahmen wir einen Airbus A320 Neo – und dann schlug die Pandemie zu. Was uns in der Krise half war, dass wir ein staatliches Unternehmen sind. Wir hatten die Unterstützung der Regierung.

Mussten Sie Stellen streichen?
Wir haben als Premiere in Bhutan freiwillige Lohnkürzungen vereinbart, die bei den Bestverdienern bis zu 25 Prozent betrugen. Die höchsten Löhne haben bei uns die Piloten, weil wir sie sonst an ausländische Konkurrenten verlieren würden. Auch sie haben mitgemacht. Daneben haben wir Stellen nicht mehr besetzt, die durch Pensionierungen frei wurden. Doch das reichte nicht. Daneben mussten wir einige ausländische Piloten entlassen. Wir haben ihnen aber bis Ende 2020 ihre Löhne bezahlt.

Das Niveau von 2019 glauben wir 2025 wieder zu erreichen.

Haben Sie staatliche Hilfen erhalten?
Alle bhutanischen Unternehmen haben Hilfe erhalten. Wir profitieren, indem wir zum Beispiel Kredite vorübergehend nicht zurückzahlen und Zinszahlungen nicht bedienen mussten, auch am Flughafen mussten wir die Gebühren nicht bezahlen.

Wie viel von der Kapazität, die Sie vor der Pandemie hatten, werden Sie im Jahr 2022 erreichen, und was bedeutet das für die Passagierzahlen?
2019 zählte Bhutan 315.000 Besucherinnen und Besucher – so viel wie noch nie. Knapp 70.000 davon kamen aus dem ferneren Ausland. Dieses Niveau glauben wir 2025 wieder zu erreichen. 2022 wird noch schwierig, weil Bhutan die Quarantäne-Vorschriften eben erst aufgehoben hat.

Sie haben es bereits erwähnt, 2020 haben Sie einen Airbus A320 Neo in die Flotte aufgenommen und so ausgebaut. Haben Sie jetzt zu viele Flugzeuge?
Vor Covid-19 hatten wir drei Airbus A319 und eine ATR 42 in der Flotte. Wie ich bereits erwähnte, haben wir just dann einen Airbus A320 Neo eingeflottet als die Pandemie ausbrach. Deshalb haben wir im neuen Umfeld eine zu hohe Kapazität. Unsere Flugzeuge sind nicht voll ausgelastet. Wir planen deshalb, einen unserer älteren A319 in einen Frachter umzubauen. Wir sprechen bereits mit Unternehmen, die den Umbau für uns vornehmen könnten.


Airbus A319 von Drukair. Bild: Drukair

Zwei ihrer A319 sind schon 18 Jahre alt, Denken Sie bereits über einen Ersatz nach?
Den einen lassen wir ja zum Frachter umbauen. Für den Ersatz des anderen haben wir aktuell einfach kein Geld. Zudem ist ja 18 Jahre auch kein Alter.

Die A321 LR eröffnet vielen Fluggesellschaften neue Möglichkeiten, könnte Drukair den sinnvoll einsetzen? 
Nein. Wenn sie die Struktur unserer Fluggäste anschauen merken Sie, dass sich das nicht rechnen würde. Die Nachfrage ist dann doch zu klein. Wenn wir nach Dubai fliegen können, haben wir bereits ein sehr gutes Angebot für Reisende aus Europa und Nordamerika.

Gibt es sonst noch Pläne in Bezug auf die Flotte?
Wir arbeiten gerade an der Fusion mit Royal Bhutan Helicopter Services. Das Unternehmen führt mit seinen Airbus-Hubschraubern Rettungs-, medizinische Evakuierungs, Brandbekämpfung-, Fracht sowie Tourismusflüge durch.

Im Westen wird es Dubai sein.

Wer sind denn Drukairs Passagiere, eher Bhutaner oder Touristen?
Vor der Pandemie war es 50.50. Während der Krise sah es natürlich ganz anders aus. 

Sie fliegen derzeit elf Ziele an. Hat Drukair noch neue Destinationen im Auge?
Wir wollen neue Ziele anfliegen. Auch deshalb haben wir den Airbus A320 Neo kauft. Unser ursprüngliches Ziel war, Flüge zu zwei Drehkreuzen aufzunehmen, eines im Osten und eines im Westen. Im Osten hatten wir Japan im Visier.

Und im Westen?
Im Westen wird es Dubai sein. Die Route kann aber nur profitabel sein, wenn wir einen Zwischenstopp einlegen, da denken wir an Delhi. Wenn wir dort neue Fluggäste aufnehmen und die fünfte Freiheit nutzen können, kann sich das rechnen. Daran arbeiten wir derzeit.

Es kann gefährlich sein, sich ganz auf den Transport auf der Straße zu verlassen.

Vor elf Jahren nahm Bhutan Airlines den Betrieb auf. Wie hat sich der Wettbewerb auf Ihre Fluggesellschaft ausgewirkt?
Natürlich gab es Druck auf die Preise, doch das hat sich inzwischen stabilisiert. Ich glaube, dass die Konkurrenz uns sogar besser gemacht hat. Als Monopolist musste sich Drukair nicht anstrengen. Seither haben sich Dinge wie Pünktlichkeit, Ausgabendisziplin und Service verbessert.

Viele Fluggesellschaften setzen auf Kooperationen. Ist das etwas, das Drukair in Erwägung zieht?
Wir hatten lange das Problem, dass unser Buchungssystem keine Codeshares und kein Interlining zuließ. Das erwies sich gerade in der Pandemie als großer Nachteil. Wir korrigieren es gerade. Ab Ende 2022 sind wir partnerschaftsfähig. Dann wollen wir zuerst Interlining- und später auch Codeshare-Partnerschaften vereinbaren. Wir sprechen darüber mit drei großen Fluggesellschaften.

Wie wichtig ist das Frachtgeschäft für Sie?
Die Pandemie hat uns alles vieles gelernt … Wir sahen, wie gefährlich es für ein Binnenland sein kann, sich ganz auf den Transport auf der Straße zu verlassen. Da gab es viele Flaschenhälse. Auch deshalb treiben wir das Projekt des Umbaufrachters voran. Mit dem Transport von Fracht im Bauch der Passagierflugzeuge stoßen wir einfach an Grenzen. Bhutan muss ja fast alles importieren.

… weil es so schwierig ist.

Ihre Basis ist der Flughafen Paro, der auf 2230 Meter über Meereshöhe liegt. Wie schwierig ist es, dort einen stabilen Betrieb zu führen?
Es ist herausfordernd, nicht nur weil er so hoch liegt, sondern weil rundherum Berge sind. Es gibt in Paro kein Instrumentenlandesystem ILS, man muss manuell landen. Deshalb können wir auch nur bei Tageslicht fliegen. Und im Februar, März und April gibt es am Nachmittag heftige Scherwinde, deshalb können wir dann nur am Morgen starten und landen. Hinzu kommen die hohen Kosten, das Kerosin muss ja erst nach Bhutan gefahren werden.

Dass der Flughafen so schwierig anzufliegen ist, schützt sie aber auch vor Konkurrenz …
Das ist in der Tat so. Obwohl sie es könnten, wollen ausländische Konkurrenten nicht nach Bhutan fliegen, weil es einfach zu schwierig ist.

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