Letzte Aktualisierung: um 19:39 Uhr

Stefan Beveridge, Eurowings Europe

«Wir bekommen Signale, dass neue Strecken ab Innsbruck funktionieren könnten»

Im Interview spricht der Chef von Eurowings Europe über seine Pläne für Österreich, die Entwicklungen der Eurowings-Tochter in Europa und verrät, warum er glaubt, dass es dieses Mal keinen Chaos-Sommer geben wird.

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Sie haben Anfang Mai Ihre neue Basis in Graz eröffnet, warum gerade dort?
Stefan Beveridge*: In Graz sind die Voraussetzungen ideal. Gemeinsam mit dem Flughafen als verlässlichen Partner und der Tui Austria als etabliertem Tour Operator birgt Graz als neuer Eurowings-Standort viel Potential für uns als Ferienairline. Aus Graz bieten wir unseren Gästen Verbindungen zu den deutschen Metropolen Berlin, Hamburg und Düsseldorf, fliegen sie aber genauso auch zu zahlreichen Urlaubszielen in den Süden Europas. Genau diese Kombination in Verbindung mit der touristisch attraktiven wie auch wirtschaftlich starken Region Steiermark hat zu der Entscheidung geführt, hier am Flughafen Graz ein Flugzeug zu stationieren.

Hat das schwache Angebot der benachbarten Flughäfen in Klagenfurt und Ljubljana bei ihrer Entscheidung auch eine Rolle gespielt?
Das Angebot ab Klagenfurt und Ljubljana wurde von uns bei der Entscheidung zwar berücksichtigt, am Ende ist es aber eine Gesamtabwägung aller Faktoren.

In Salzburg sind inzwischen drei Flugzeuge von Eurowings stationiert, sehen Sie dieses Potential auch in Graz?
Eindeutig. Sowohl in Graz als auch in Salzburg sehen wir Potential für weiteres Wachstum. Wir haben in Graz bereits über den Sommer hinaus neue Winterdestinationen bekannt gegeben. Jetzt freuen wir uns aber erstmal auf den Sommer 2023. Wenn es gut läuft, ist die Stationierung eines weiteren Flugzeugs in Graz im kommenden Sommer nicht ausgeschlossen.

Wie wird der Winterflugplan ab Graz aussehen, gibt es neue Destinationen, die bedient werden?
Mit Las Palmas und Teneriffa nehmen wir neue Flugverbindungen in unser Programm auf, Hurghada als Sonnenziel bleibt ebenfalls Teil des Winterflugprogramms und Flüge nach Hamburg, Düsseldorf und Berlin bleiben auch im Winter bestehen. Mit diesen Strecken schaffen wir eine solide Basis für den Winter, die uns zuversichtlich auf den Sommer 2024 blicken lässt.

Wir pflegen ein sehr gutes Verhältnis mit dem Flughafen Salzburg und sind stolz darauf, «Home Carrier» zu sein.

Wie entwickelt sich abseits des touristischen Booms der Geschäftsreiseverkehr?
Es ist kein Geheimnis, dass sich das Geschäftsreiseverhalten seit der Pandemie verändert hat, das spüren auch wir bei Eurowings. Dennoch sind wir mit der Entwicklung unserer Strecken ab Graz in Richtung Deutschland sehr zufrieden – auch, weil wir hier natürlich nicht nur das Geschäftsreisesegment bedienen.

Haben Sie keine Bedenken, dass der Airbus A319 mit seinen 150 Sitzplätzen nicht vielleicht zu groß für die Verbindungen nach Deutschland sein könnte?
Wir sind nach intensiver Analyse des Bedarfs zum Ergebnis gekommen, dass die Nachfrage auf diesen Strecken gut mit dem A319 bedient werden kann.

Wie zufrieden sind Sie mit der Entwicklung der Eurowings-Basis in Salzburg?
Sehr zufrieden. Wir pflegen ein sehr gutes Verhältnis mit dem Flughafen Salzburg und sind stolz darauf, «Home Carrier» zu sein. Im vergangenen Jahr haben wir bereits unser drittes Flugzeug in Salzburg stationiert. Das gibt uns Hoffnung, dass eine ähnliche Entwicklung auch in Graz möglich ist, obwohl sich die Märkte natürlich unterscheiden.

Sie fliegen auch ab Innsbruck. Sehen Sie Potential für einen weiteren Ausbau ihrer Aktivitäten in Tirol?
Ich würde die Frage mit ja beantworten, denn wir bekommen Signale, dass neue Strecken ab Innsbruck durchaus funktionieren könnten. Aktuell fliegen unsere Flugzeuge aus anderen Basen nach Innsbruck. Wollte man das Programm aus Innsbruck ausbauen, so müsste man das operative Konzept aber anpassen. Das Potential ist in Innsbruck jedenfalls vorhanden.

Insofern ist die Basis in Palma unsere größte europäische Basis – inklusive weiterem Wachstumspotenzial.

Eurowings Europe betreibt derzeit fünf Basen. Welche entwickeln sich besonders gut?
Palma de Mallorca ist für uns als Eurowings eine Basis, an der wir uns zuhause fühlen und die wir wie keine andere so engmaschig und hochfrequent mit Destinationen in ganz Europa verbinden. So bieten wir als Eurowings wöchentlich bis zu 400 Flüge nach Mallorca an. Mallorca ist und bleibt damit ein Ziel, das auf der Liste der Lieblingsurlaubsorte unserer Gäste ganz oben steht. Insofern ist die Basis in Palma unsere größte europäische Basis – inklusive weiterem Wachstumspotenzial. Aktuell haben wir dort sieben bis acht Flugzeuge stationiert, werden aber im Hochsommer zehn bis elf Flugzeuge ab Palma einsetzen.

Und wie sieht es mit der Entwicklung ihrer Basis in Prag aus?
Prag entwickelt sich sehr gut. Wir haben im Markt viel Anerkennung und Zuspruch bekommen. Auch am Arbeitsmarkt sind wir ein beliebter Arbeitgeber.

Wieso? Zahlen Sie denn so gut?
Es geht gar nicht immer nur um die Gehälter. Es geht auch darum, was wir als Arbeitgeber anbieten – das Gesamtpaket muss stimmig sein.

Die Eurowings Europe GmbH mit Sitz in Wien hat zu Jahresbeginn den Flugbetrieb eingestellt und ihre Flugzeuge auf die neue Eurowings Europe Ltd. mit Sitz in Malta eingetragen. Sind inzwischen alle Flugzeuge auf die neue maltesische Kennung eingetragen?
Richtig. Die Umregistrierung der aus 20 Flugzeugen bestehenden Flotte ist planmäßig erfolgt.

Könnten aus den 20 Flugzeugen in absehbarer Zeit auch mehr werden?
Die Überlegungen gibt es. Im Laufe des Sommers planen wir, ein einundzwanzigstes Flugzeug zu betreiben. Alles, was darüber hinaus geht, wird aktuell geprüft.

Ist ihr österreichisches AOC noch gültig oder haben Sie dieses wieder zurückgegeben?
Das AOC wurde ordnungsgemäß an die Behörden zurückgegeben. In der Regel erlischt es, wenn das letzte Flugzeug die Flotte verlässt. Ende März war es bei uns soweit und Mitte April wurde das AOC an die österreichischen Behörden zurückgegeben.

Wir sind wieder auf Vorkrisenniveau angelangt und verzeichnen eine anhaltend starke Nachfrage.

Der Sommer steht vor der Türe, wie entwickelt sich die Nachfrage ganz generell?
Wir sind wieder auf Vorkrisenniveau angelangt und verzeichnen eine anhaltend starke Nachfrage. Das Verlangen nach Reisen ist ungebrochen. Auch das Geschäftsreisesegment erholt sich, weshalb ich davon ausgehe, dass unsere Flieger im Sommer durchgängig gut gebucht sein werden.

Rechnen Sie mit einem Chaos wie im vergangenen Sommer?
Nein, das wird es nicht mehr geben.

Warum sind Sie so davon überzeugt?
Wir haben uns intensiv und vor allem gemeinsam mit unseren Systempartnern auf den Sommer vorbereitet und dabei unsere Hausaufgaben gemacht. So haben wir bei Eurowings alleine in den letzten Monaten über 1400 Mitarbeitende in Cockpit, Kabine und am Boden eingestellt. Wir schulen seit Monaten an der absoluten Kapazitätsgrenze, um die Flugkapazitäten voll ausschöpfen zu können und haben dabei gleichzeitig auch unseren Flugplan entzerrt und stabilisiert. Wir haben außerdem ein Programm mit über 80 Maßnahmen umgesetzt, die zu einer Stabilisierung des Flugbetriebes beitragen werden. Wir sind dazu im engen Austausch mit unseren Partnern wie den Flughäfen, den Dienstleistern, den Sicherheitskontrollstellen und der Flugsicherung. Dabei gilt natürlich: Alle Partner müssen dabei aber wie Zahnräder ineinandergreifen, damit der komplette Prozess auch funktioniert. Dabei bin ich sehr zuversichtlich – es wird definitiv ein besserer Sommer als der im vergangenen Jahr sein.

Wie schwer ist es, an Personal zu kommen?
Das Interesse an der Branche hält an, die Faszination Luftfahrt ist nach wie vor ungebrochen und die Lufthansa Group und wir als Eurowings sind weiterhin ein attraktiver Arbeitgeber. Während der Coronakrise haben sich Mitarbeitende aber auch dazu entschlossen, sich beruflich umzuorientieren. Es gibt daher weiterhin Recruitingbedarf. Unsere Simulatoren und Schulungsplätze sind gut gefüllt, aber wir spüren auch, dass es zu einer Veränderung am Markt gekommen ist. Während der Krise wurden unter anderem Flugschulen geschlossen, weshalb es zunehmend zu einer Verknappung am Pilotenmarkt kommt – das betrifft uns auch heute schon.

Drei bis vier Tage pro Monat fliege ich sehr intensiv.

Kommt man als Geschäftsführer von Eurowings Europe eigentlich noch dazu, selbst als Kapitän im Cockpit Platz zu nehmen?
Das ist zwar keine Einstellungsvoraussetzung, aber ich selbst tue das sehr gerne. Drei bis vier Tage pro Monat fliege ich sehr intensiv. Mir bereitet das viel Freude und es ist eine andere Art, ein Unternehmen zu führen, wenn man selbst auch an Tagen als Flugbesatzung im Einsatz ist. Wenn ich als Teil der Crew unterwegs bin, dann entsteht eine andere Nähe zu den Mitarbeitenden und ich bekomme ein anderes Verständnis für die Prozesse an Bord. Mir fällt es dadurch viel leichter, einen Einblick in die täglichen Herausforderungen unserer Crews zu bekommen.

Als ein ehemaliger First Officer auf einer Austrian Airlines Boeing 777, was sagen Sie zur Ankündigung, dass die AUA nun endlich Boeing 787-9 bekommen wird?
Ich freue mich außerordentlich für die AUA, weil ich weiß, was es bedeutet, eine solche Entscheidung zu treffen. Mit der Entscheidung ist auch eine damit einhergehende Zuversicht verbunden. Ich wünsche der AUA von Herzen viel Erfolg.

* Stefan Beveridge startete 2008 seine Karriere in der Lufthansa Group als Luftverkehrskaufmann und Absolvent des dualen Studiums Aviation Management der EBS Universität für Recht und Wirtschaft. Von 2011 bis 2014 absolvierte er seine Ausbildung zum Piloten bei Lufthansa Flight Training in Berlin. Im Anschluss war Stefan Beveridge in verschiedenen Positionen bei Austrian Airlines, darunter auch als First Officer auf einer Boeing 777 tätig, bevor er im Juni 2021 in die erweiterte Geschäftsführung der Eurowings Europe wechselte und schließlich die Position als Geschäftsführer übernahm. Beveridge verfügt über einen Master of Science in Management der WU Wirtschaftsuniversität Wien und ist bei Eurowings zudem als A320-Kapitän aktiv.