Letzte Aktualisierung: um 15:19 Uhr

Geisterflug der Cessna Citation

Wieso kommt es zu Druckabfall – und was passiert dann an Bord?

Der Privatjet einer deutschen Unternehmerfamilie ist nach einem Geisterflug in die Ostsee gestürzt. Auslöser könnte ein Druckabfall gewesen sein. Was bedeutet das?

Inzwischen herrscht Gewissheit. Die in Österreich registrierte Cessna Citation II des Kölner Unternehmers P. G. ist am Sonntag nach einem Geisterflug durch halb Europa in die Ostsee gestürzt. Lettische Rettungskräfte haben am Montagmorgen (5. September) eine Stelle auf offenem Meer mit «erhöhter Trümmerkonzentration» ausgemacht.

Zuvor waren Kampfjets aus mehreren Ländern zum Businessjet mit dem Kennzeichen OE-FGR aufgestiegen. Das bedeutet, dass der Pilot sich nicht mehr bei der Flugsicherung gemeldet hat und auch nicht erreichbar gewesen ist. In diesem Fall wird zuerst versucht, über leistungsstarke militärische Funkanlagen doch noch Kontakt mit der Maschine aufzunehmen, um einen terroristischen Hintergrund ausschließen zu können.

Abfangjäger klären Hintergrund ab

Wenn das nicht klappt, steigen Abfangjäger auf. Sie versuchen, visuell Kontakt mit dem Cockpitpersonal aufzunehmen. Häufig ist sich die Crew der kritischen Situation gar nicht bewusst. Sie nimmt dann umgehend den Funkkontakt mit der Flugsicherung wieder auf oder signalisiert, dass ein technischer Defekt vorliegt.

Im Fall der Cessna Citation II des Kölner Unternehmers sahen die Piloten der Kampfjets allerdings niemandem im Cockpit. Was die Gründe dafür sind, wird erst der Untersuchungsbericht zum tragischen Unfall zeigen. Eine mögliche Erklärung ist, dass die vier Insassen zu jenem Zeitpunkt bewusstlos waren.

Rascher Abstieg nötig

Ursache einer Bewusstlosigkeit kann ein Druckabfall an Bord sein. Die Kabinen von modernen Flugzeugen sind so eingestellt, dass der Druck in ihnen etwa dem Druck auf einer Höhe von 2400 Metern über dem Meeresspiegel entspricht. Das erlaubt den Fluggästen eine angenehme Reise und verhindert zugleich auf großer Höhe einen zu hohen Druckunterschied zwischen der Umgebung und dem Flugzeuginneren, der die Stabilität des Rumpfes gefährden würde.

Zu einem Druckabfall kann es kommen, wenn es technische Probleme mit dem Drucksystem gibt oder strukturelle Schäden wie geborstene Scheiben auftreten. In einem solchen Fall fallen die Sauerstoffmasken aus der Decke und die Pilotinnen und Piloten lassen das Flugzeug schnell sinken auf eine geringere Höhe, um Sauerstoffmangel zu verhindern. Denn ewig reicht der mitgeführte Sauerstoff nicht aus – in der Regel weniger als 30 Minuten.

Die Zeit des nützlichen Bewusstseins

Sinkt der Luftdruck, gelangt weniger Sauerstoff in die Lunge und in den Blutkreislauf. Das wird durch eine Verengung der Blutgefäße noch verstärkt. Das hat dramatische Folgen auf den Menschen. Die Handlungsfähigkeit ist schnell stark eingeschränkt.

«Die Fähigkeit, Korrektur- und Schutzmaßnahmen zu ergreifen, geht bei einer Höhe von 18.000 Fuß oder 5500 Meter innerhalb von 20 bis 30 Minuten und bei einer Höhe von 20.000 Fuß innerhalb von fünf bis zwölf Minuten verloren, woraufhin bald darauf Bewusstlosigkeit eintritt», schreibt die amerikanische Luftfahrtbehörde FAA. In der Branche spricht man in diesem Zusammenhang von der Time of useful Consciousness, also der Zeit des nützlichen Bewusstseins.

Auf Reiseflughöhe bleibt sehr wenig Zeit

Gemeint ist damit die Zeitspanne, in der eine Mensch auf seine Lage noch reagieren kann. Das Brutale: Auf normaler Reiseflughöhe von rund 11.000 Metern ist sie sehr kurz. Bei einem schnellen Druckabfall beträgt sie nur gerade 15 bis 30 Sekunden, bei einem langsamen 30 bis 60 Sekunden. Die Cessna Citation war bei ihrem Geisterflug auf 11.000 Meter gestiegen.

Bekanntester Fall einer solchen Situation ist Flug ZU522 von Helios Airways im Jahr 2005. Aufgrund eines technischen Problems kam es an Bord der Boeing 737 der zyprischen Fluglinie zu einem Druckabfall und die beiden Piloten verloren das Bewusstsein. Die Maschine mit 115 Fluggästen und sechs Besatzungsmitgliedern an Bord stürzte in der Nähe von Athen ab.