Letzte Aktualisierung: um 20:57 Uhr

204 Meter über dem Boden

Wieso ein Thai-Airways-A350 Frankfurt gefährlich tief anflog

Ein Airbus A350-900 von Thai Airways steuerte vor zweieinhalb Jahren viel zu niedrig auf den Flughafen Frankfurt zu. Der Abschlussbericht nennt nun vier Ursachen für den Vorfall.

Es war nicht der perfekte Start ins Jahr. Ein aus Phuket kommender Airbus A350-900 von Thai Airways sank beim Anflug auf den Flughafen Frankfurt am Abend des 1. Januar 2020 viel zu früh viel zu tief. Er musste durchstarten. Die schwere Störung rief die Bundesstelle für Flugunfalluntersuchung BFU auf den Plan, die rund vier Monate später einen Zwischenbericht vorlegte, der sich allerdings noch nicht den Ursachen widmete.

Nun hat die BFU den Abschlussbericht veröffentlicht. Er zeigt, dass das Flugzeug erst weit über dem vorgesehenen Gleitweg des Instrumentenlandesystems flog, allerdings so schnell sank, dass es bald deutlich unter diesen Gleitweg geriet. Vor dem Durchstarten am niedrigsten Punkt befand sich der Jet schließlich nur noch 668 Fuß oder 203,6 Meter über dem Boden. Die Maschine war zu diesem Zeitpunkt noch etwa 6,43 Seemeilen oder 11,9 Kilometer von der Pistenschwelle 07R des Frankfurter Flughafens entfernt.

Erkrankter Passagier und verkürzter Anflug

An Bord des A350 befanden sich vier erfahrene Piloten, 14 Kabinenbesatzungsmitglieder und 306 Fluggäste. Der Copilot steuerte die Maschine beim Anflug, der Kapitän fungierte als Pilot Monitoring und die anderen beiden Piloten waren als Beobachter im Cockpit.

Der zuständige Fluglotse fragte bei den Piloten nach, ob es richtig sei, dass sich ein erkrankter Passagier an Bord befände, wie die Cockpitcrew Stunden zuvor an die Betriebszentrale von Thai Airways gemeldet hatte. Die Besatzung bestätigte dies und erklärt, dass bereits medizinische Versorgung an der Parkposition angefordert sei.

Situationsbewusstsein der Crew ungenügend

Der A350 befand sich hinter einem vorrausfliegenden Flugzeug und entsprechend war der Flugplan in den Systemen des A350 eingegeben. Vom Lotsen erhielten die Piloten aber die Information, dass aufgrund des erkrankten Passagiers der Anflug verkürzt wurde und sie nicht mehr hinter dem vorrausfliegenden Jet landen würden. Spätere Auswertungen des Stimmenrekorders zeigten laut BFU, dass «die Stressbelastung der Cockpitbesatzung dadurch anstieg». Die Kommandos des steuernden Piloten seien nicht mehr klar und teilweise als Frage formuliert gewesen. Der Kapitän hinterfragte dessen Handlungen nicht.

Der kritische Anflug (blaue Linie) im Höhenprofil. Die schwarze Linie zeigt den vorgesehenen Gleitweg. Die rote gestrichelte Linie zeigt die Höhe von 936 Fuß über Meeresspiegel – über dem Boden waren es zu diesem Zeitpunkt nur 668 Fuß. Bild: BFU

Die BFU geht davon aus, dass die Besatzung den Flugweg nicht richtig eingegeben hat. Die «programmierte noch zu fliegende Strecke über Grund war wahrscheinlich wesentlich länger als die tatsächlich geflogene», heißt es in dem Bericht. «Die Cockpitbesatzung hatte vermutlich den Eindruck, sich viel zu hoch über dem notwendigen Flugweg zu befinden.» Hier hätte die vorhandene Erfahrung der Piloten zum Tragen kommen müssen. Tat sie aber nicht. «Das Situationsbewusstsein in dieser Situation bewertet die BFU als ungenügend.»

Flugzeug war nicht bereit für die Landung

Im Endanflug war das Flugzeug dann nicht bereit zur die Landung. Die Fluggeschwindigkeit entsprach nicht der Landekonfiguration, die Sinkrate war über der Grenze von minus 1000 Fuß pro Minute, und die Checkliste für die Landung war nicht abgearbeitet. Der Anflug galt somit nicht als stabilisiert. Schließlich schaltete der steuernde Pilot den Autopiloten aus und startete durch. Der zweite Anflug gelang ohne Probleme, niemand wurde verletzt, auch das Flugzeug war und blieb unbeschädigt. Alle vier Thai-Airways-Piloten wurden später einzeln von der BFU befragt, konnten den viel zu niedrigen Anflug aber nicht erklären.

Die BFU hält vier Ursachen fest: 1. Fehler in der Programmierung der Wegpunkte im Flight Management System. 2. Fehler in der Bedienung der automatischen Flugsteuerung für den Anflug. 3. Reduziertes Situationsbewusstsein der Piloten über die Lage im Raum. 4. Mängel in der Kommunikation und der Zusammenarbeit innerhalb der Cockpitcrew.

Zusätzliches Sicherheitssystem in Frankfurt

Die Flugsicherung nahm den Vorfall zum Anlass, prüfen zu lassen, ob es mit weiterentwickelter Technik sinnvoll und möglich sei, für Anflüge in Frankfurt eine sogenannte APM-Komponente einzurichten. Die Abkürzung steht für Approach Path Monitor und des handelt sich dabei um ein bodengestütztes Sicherheitssystem, welches das Personal im Tower rechtzeitig warnt, wenn ein Flugzeug dem Boden oder Hindernissen nahe kommt. Im Frühjahr 2022 wurde solch ein System in Frankfurt dann aktiviert.

Den ganzen BFU-Abschlussbericht finden Sie hier.