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Fast einen Monat lang

Wieso ein Airbus A380 mit einem 1,25 Meter langen Werkzeug im Triebwerk flog

Ein Superjumbo von Qantas war fast 294 Stunden mit einem Werkzeug in einem der Triebwerke unterwegs. Der Untersuchungsbericht zeigt nun, wie es dazu kam.

Es waren nicht nur ein paar Tage: Ein Airbus A380 von Qantas war fast einen Monat mit einem Werkzeug in einem Triebwerk unterwegs. Am 1. Januar 2024 wurde das Werkzeug, das seit dem 6. Dezember 2023 als vermisst galt, bei einer Inspektion gefunden.

Mitte November hat das Australian Transport Safety Bureau ATSB seinen Abschlussbericht dazu veröffentlicht. Eines der ersten Dinge, die der Report zeigt: Es handelte ist nicht um ein sehr kleines Werkzeug, sondern um einen 1,25 Meter langen und 2,5 Zentimeter breiter Nylonstab. «Ein Werkzeug, das von der Vorderseite des Motors aus durch die Schaufeln des Niederdruckverdichters geführt wird und es dem Wartungspersonal ermöglicht, den Mitteldruckverdichter manuell zu drehen», beschreibt die Behörde.

Das Fehlen fiel früh auf

Es wird im Rahmen einer Endoskop-Inspektion eingesetzt. Genau das geschah auch direkt zu Beginn der dreitägigen Inspektion des A380 in Los Angeles, zu der an Tag eins, dem 6. Dezember 2023, auch solch eine Untersuchung des äußeren linken Triebwerks gehörte.

Der Techniker, der es aus dem Werkzeuglager holte und nutzte, machte mittags Feierabend. Zwei seiner Kollegen übersahen später das Werkzeug, das sich immer noch im Triebwerk befand. Am Ende von Tag eins kontaktierte ein anderer Techniker, dem das Fehlen des Werkzeuges auffiel, seinen Kollegen aus der Vormittagsschicht. Der sagte, als er um 13 Uhr Feierabend gemacht habe, sei das Werkzeug noch in Benutzung gewesen. Der andere Techniker gab dies ans Personal des Werkzeuglagers weiter, unternahm sonst aber nichts.

Mehr als 293 Stunden

Auch an Tag zwei und drei der Inspektion tauchte das Werkzeug nicht auf, obwohl das Fehlen bekannt war und es sogar E-Mail-Verkehr dazu gab. Dennoch wurde der A380 mit dem Kennzeichen VH-OQI schließlich freigegeben und flog in der Nacht vom 8. auf den 9. Dezember nach Melbourne. Der Techniker, der das Flugzeug freigab, sagt später gegenüber der ATSB, er habe gedachte, es handele sich um ein größeres Getriebedrehwerkzeug, das unmöglich noch im oder am Triebwerk sein könnte, ohne sichtbar zu sein.

«Das Flugzeug flog 34 Flugzyklen, insgesamt 293,74 Stunden, mit dem Werkzeug in dem Triebwerk, bevor es am 1. Januar 2024 entdeckt wurde», so das ATSB. Zu diesem Zeitpunkt war der A380 wieder in Los Angeles – zum vierten Mal, seitdem das Werkzeug als vermisst gemeldet worden war. Erneut gab es eine planmäßige Wartung – dieses Mal wurde der nun verformte Nylonstab gefunden, hinter den Rotorschaufeln des Niederdruckverdichters. «An den Triebwerkskomponenten wurden keine Schäden festgestellt», heißt es im Bericht.

Der Fund. Bild: Qantas, kommentiert von der ATSB

Drei wichtige Faktoren

Die Behörde nennt drei wichtige Faktoren, die zu diesem Vorfall führten: Zwei Techniker bemerkten bei Fremdkörperinspektionen nach der Wartung des Triebwerkes nicht, dass das Werkzeug im Gehäuse des Niederdruckverdichters zurückgeblieben war. Das Verfahren von Qantas Engineering für verlorene Werkzeug wurde nicht eingeleitet. Und das Flugzeug wurde wieder für den Betrieb freigegeben, obwohl das Werkzeug noch fehlte.

Qantas Engineering hat laut ATSB bereits am 2. Januar in einem eigenen Bericht über den Vorfall ihr Personal darauf hingewiesen, wie wichtig es ist, alle Werkzeuge zurückzugeben. Am 4. März erließ das Unternehmen eine Sicherheitsrichtlinie, die alle Mitarbeitenden verpflichtet, die Anforderungen der Werkzeugkontrolle ausnahmslos zu erfüllen.

Anmerkung: aeroTELEGRAPH hat im Februar bereits über den Vorfall berichtet und damals unter Berufung auf eine vorläufige ATSB-Kurzmeldung geschrieben, das Werkzeug sei erst am 2. Februar gefunden worden. Das stimmt mit anderen internationalen Medienberichten überein, die sich ebenfalls auf das ATSB beriefen. Die Kurzmeldung der Behörde von damals ist heute nicht mehr zu finden. Im aktuellen Abschlussbericht findet das Datum 2. Februar keine Erwähnung mehr.