Letzte Aktualisierung: um 11:44 Uhr

Breezer Aircraft

Wie in einer nordfriesischen Garage ein erfolgreicher Flugzeugbauer entstand

Im Kreis Nordfriesland unweit der Nordsee baut Breezer Aircraft Flugzeuge. Entstanden ist alles in einer Garage. Ein Ortsbesuch.

Präsentiert von

In den Erzählungen über die Gründungen großer Firmen spielt die Garage oft eine fast mythische Rolle: Ob Apple, Google oder Walt Disney – viele Unternehmen erblickten in Garagen das Licht der Welt. Und auch ganz im Norden Deutschlands, rund 50 Kilometer vor der Grenze zu Dänemark und nur wenige Kilometer von der Nordsee entfernt, hatten zwei Sandkastenfreunde Mitte der 1990er Jahre eine Idee: Sie wollten ein eigenes Flugzeug entwickeln und bauen. Der Ort ihrer ersten Schritte: eine Garage.

1999, nach drei Jahren des Planens, Entwickelns, Verwerfens, Umplanens und Bauens, hatten Ralf Magnussen und Harald Petersen es geschafft. Sie hatten ein zweisitziges Flugzeug konstruiert, gebaut und sogar eine Prototypenzulassung erhalten. Um die Entwicklungskosten wieder hereinzuholen, planten sie, das Flugzeug als Selbstbaukit zu verkaufen. Letztlich wurden jedoch nur fünf oder sechs dieser Kits verkauft.

Wendepunkt 2006

Um die Flugzeuge als Bausatz vertreiben zu können, gründeten die beiden die Firma Aerostyle. Nach und nach kamen Mitarbeitende hinzu, darunter auch Dirk Ketelsen. Ketelsen glaubte an die Idee und bot Magnussen und Petersen an, das Unternehmen als Geschäftsführer zu professionalisieren. So wurde 2006 aus Aerostyle Breezer Aircraft, abgeleitet von dem Slogan «It’s a Breeze», was so viel bedeutet wie «Es ist kinderleicht».


Die Maschine, die von Ralf Magnussen und Harald Petersen enztwickelt und gebaut wurde, steht heute in einem Hangar auf dem Gelände: Bild: Breezer Aircraft

Die Garage hat Breezer Aircraft mittlerweile hinter sich gelassen. Der Hauptsitz des Unternehmens liegt zwar nach wie vor im Landkreis Nordfriesland im Nordwesten Schleswig-Holsteins, aber heute sitzt die Firma in der Kleinstadt Bredstedt. Die Autobahn A7 ist rund eine halbe Stunde entfernt. Erst kürzlich hat Breezer Aircraft den Standort erweitert und ein neues Gebäude bezogen.

Großer Wartungshangar für die Zukunft

«Wir sind erst seit 2022 in diesem Gebäude», sagt Henning Boysen, Vertriebschef bei Breezer, im Gespräch mit aeroTELEGRAPH bei einer Produktionsbesichtigung Ende August. Boysen führt durch die Räumlichkeiten. Im vorderen Teil befinden sich offene Büros. Eine Tür weiter und man steht in einer großen Halle. Im linken Teil stehen drei Breezer-Flugzeuge, die aufgrund der riesigen Fläche fast etwas verloren wirken.

«Wir haben die Halle für die Zukunft gebaut», erläutert Boysen. Die Halle ist der Arbeitsplatz von vier Servicetechnikern, die sich sowohl um die Reparatur von kaputten Breezer-Flugzeugen kümmern als auch Wartungen durchführen. Im hinteren Teil steht ein Zweisitzer mit beschädigten Tragflächen. Bei den beiden ersten Maschinen sind die Verkleidungen entfernt und der Motor liegt frei.

Produktion in ehemaliger Werkstatt

Das Herz von Breezer schlägt gegenüber dem Neubau. Das Gebäude erinnert entfernt an eine große Garage. Es ist der Ort, an dem alle Breezer-Flugzeuge entstehen. Im weitesten Sinne war es auch eine Garage: Bevor dort Flugzeuge produziert wurden, diente das Gebäude als Reparaturwerkstatt für den Fuhrpark des Bundesgrenzschutzes, so Boysen. Die Bundespolizei hat das Gelände erst Anfang der 2000er-Jahre verlassen.

Man betritt das Gebäude und steht mitten in der Produktion. Direkt vor einem fast fertigen Flugzeug vom Typ Breezer Sport. Keine Schleuse, keine Anmeldung. Nichts. «Wir sind im Prinzip ein Handwerksbetrieb, nur dass wir Flugzeuge bauen», erläutert der Vertriebsleiter. Das sieht man: Säuberlich sortiertes Werkzeug an den Wänden, und die Mitarbeiter grüßen mit einem freundlichen «Moin». Insgesamt bauen knapp 20 Handwerker die Flugzeuge, und das jeden Tag von 6:30 Uhr bis 16:00 Uhr. Nur am Freitag endet der Arbeitstag um 11:45 Uhr.

«Wir machen eigentlich alles selbst»

Bei Breezer Aircraft sind die Wege extrem kurz. In einem Raum werden aus Aluminiumplatten Teile gestanzt, gekantet und gelöchert. In einem anderen entstehen aus den Bauteilen Rümpfe und Tragflächen. In einem weiteren Bereich werden Motor und Avionik eingebaut. Zur Produktionsanlage gehört auch eine eigene Lackiererei. «Wir machen eigentlich alles selbst», so der Vertriebschef. Sogar die Plexiglashauben entstehen in Bredstedt.

Nur Teile aus Kohlenstoff, wie die Sitzschalen, werden zugekauft. Um die regionale Wirtschaft zu stärken, werden die Sitze wiederum von einer lokalen Polsterei bezogen. «Das ist eines unserer Alleinstellungsmerkmale, wir versuchen, alles regional zu halten», sagt Boysen. In den Hallen sind seit 2006 über 300 Flugzeuge entstanden.

Zwei Ultraleichtflugzeuge im Angebot

Breezer Aircraft stellt Ultraleichtflugzeuge her. Das bedeutet, dass die Flugzeuge, inklusive Sprit, Passagieren und Gepäck, ein maximales Abfluggewicht von 600 Kilogramm nicht überschreiten dürfen. Die 600-Kilogramm-Grenze wurde in Deutschland nach langem Hin und Her erst 2018 von 475 auf 600 Kilogramm erhöht.

Heute produziert Breezer Aircraft zwei Modelle für unterschiedliche Zielgruppen. Die Breezer B400 ist das erste Serienmodell und bleibt den Ursprüngen von Magnussen und Petersen treu, die sie Mitte der 1990er Jahre in der Garage entwickelten. Die B400 gibt es mit unterschiedlich starken Motoren. Das Flugzeug ist besonders für Vereine und Segelflieger interessant, da es eines der wenigen Ultraleichtflugzeuge ist, das 850 Kilogramm schleppen kann. Die Reisegeschwindigkeit liegt bei rund 190 Kilometern pro Stunde.

Motorrad der Lüfte

Das zweite Flugzeug ist die Breezer Sport. Boysen beschreibt es so: «Wenn die Cessna 172 der Bus der Lüfte ist, dann ist die Breezer Sport das Motorrad». Die Maschine erreicht im Reiseflug knapp 230 Kilometer pro Stunde, hat ein Einziehfahrwerk und Flächentanks. Laut Boysen gibt es nur geringe Unterschiede zur Cirrus SR22. Der Einstiegspreis liegt bei 230.000 Euro.

Die Kunden von Breezer sind fast ausschließlich Männer über 60 oder wohlhabende junge Leute ab 30. Es gibt auch Berufspiloten, die sich das Flugzeug kaufen. Die Breezer Sport wurde erst durch die Erhöhung der maximalen Abflugmasse vor sechs Jahren auf 600 Kilogramm möglich. Das Leergewicht liegt bei rund 380 Kilogramm, wobei die Struktur nur rund 180 Kilogramm wiegt.

Breezer setzt auf enge Kundenbindung

«Wir verkaufen beide Modelle in etwa gleich viel», erklärt der Vertriebsleiter beim Rundgang durch die Produktionshallen. Und im Gegensatz zu anderen Herstellern ist die Wartezeit bei Breezer nicht so lang. Sie liegt bei rund einem Jahr. «Wir stehen mit vielen Kunden in engem Austausch. Viele kommen auch während der Produktionsphase vorbei und wollen über den aktuellen Stand informiert werden», sagt Boysen.

Breezer legt großen Wert auf Kundenbindung. Einmal im Jahr können «Breezianer», wie die Besitzer eines Breezer-Flugzeugs vom Unternehmen genannt werden, eine geführte Tour buchen. «Die Plätze sind begehrt und schnell ausgebucht», sagt Boysen. Es sei eine Art Fliegerclub ohne Verein. Die Besitzer von Breezer-Flugzeugen treffen sich an einem Flughafen in Europa und fliegen dann eine Woche gemeinsam zu verschiedenen Zielen.

Flugzeugbau als Handwerk

Der Bau von Ultraleichtflugzeugen hat auch Vorteile bei der Produktion. Die Mitarbeitenden müssen keine zertifizierten Flugzeugbauer sein, sondern Handwerker. «Theoretisch können wir auch Leute anlernen, aber es ist natürlich immer von Vorteil, wenn die Beschäftigten eine gewisse Expertise mitbringen», sagt Boysen. Trotzdem bleibt es Flugzeugbau, weshalb es wichtig ist, dass Fehler, die passieren, offen angesprochen werden.


In der Halle werden die Flugzeuge gewartet und repariert. Bild: aeroTELEGRAPH

Dass es sich um Flugzeugbau handelt, zeigen auch die Zettel, die an jedem Flugzeugteil hängen und in den Regalen liegen. Jeder Arbeitsschritt wird dokumentiert und muss abgezeichnet werden. Die Abnahme der Flugzeuge erfolgt vor Ort. In Deutschland gibt es zwei Ultraleicht-Sportverbände, die vom Luftfahrt-Bundesamt (LBA) beauftragt sind, Zertifizierungen durchzuführen. «Das macht vieles leichter», sagt Boysen, als  er nach dem Rundgang wieder vor der fertigen Breezer Sport aus der ersten Werkhalle steht.

Arbeitskräfte aus der Region

Bei diesem Flugzeug steht noch die äußere Abnahme an, was viele kleine Markierungen auf den Tragflächen verraten. Das macht Breezer aber intern. «Das müssen wir vor der Auslieferung noch nachbessern.» Dann kann die Maschine an den Kunden übergeben werden. Die Kunden kommen zur Übernahme des Flugzeugs nach Bredstedt und erhalten eine Einweisung in ihr neues Flugzeug – inklusive einem Flug. Eine Graspiste grenzt unmittelbar an das Werksgelände an.

Durch die Wartungshalle geht es zurück zum Büro. Die Ziele des Unternehmens sind klar: «Wir wollen langsam und beständig wachsen und nichts überstürzen», sagt Boysen. Dazu braucht es neue Mitarbeitende, was angesichts des aktuellen Fachkräftemangels gar nicht so leicht ist. Hinzu kommt, dass der schleswig-holsteinische Winter viele abschreckt.

Gründer sind weiter mit dabei

Eine Expansion in andere Länder ist schwierig, weil die Regularien für Ultraleichtflugzeuge in Europa überall verschieden sind. Die USA seien sicher ein interessanter Markt, so Boysen, aber erst einmal wolle sich Breezer auf die Verbesserung der beiden Modelle konzentrieren. Geplant sind neue Antriebsformen wie Wasserstoff oder auch Hybrid-Elektroantriebe.

Daran beteiligt sind auch noch die beiden Gründer Ralf Magnussen und Harald Petersen. Magnussen ist bis heute Chefentwickler, und Petersen ist für die Abnahmen zuständig. In Europa ist Breezer Aircraft zu einem wichtigen Hersteller geworden – entstanden in einer Garage in Nordfriesland.

In der oben stehenden Bildergalerie sehen Sie die ersten Bilder vom Produktionsbesuch bei Breezer Aircraft. Ein Klick aufs Foto öffnet die Galerie im Großformat.