Letzte Aktualisierung: um 16:05 Uhr

Luftfahrt und Politik

Wie Flugplätze beim Klimaproblem mithelfen könnten

Die Klimaerwärmung lässt Extremwetterereignisse zunehmen. Flugplätze könnten in solchen Fällen eine wichtige Rolle spielen - im Interesse von ganz Deutschland.

Als am 14. September der erste funktionierende landesweite Probealarm in Deutschland ausgelöst wurde, klingelte um 11 Uhr auch das Handy von Herrn Lauterbach, dem aktuellen Gesundheitsminister, ungewollt, aber für alle sichtbar, auf einer Pressekonferenz. Nach zwei Jahren endlich ein kleiner Erfolg in unserer Republik bei der Installierung einer künftigen, Bundesländer übergreifenden Strategie für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe.

Ganz unpassend war dieses Medienereignis nicht, kennt die Medizin immerhin die Prophylaxe, um uns resilienter zu machen. Spätestens, seit eine Flutwelle im Sommer 2021 Teile von Rheinland-Pfalz und NRW verwüstete und allein im Ahrtal mehr als 130 Menschen starben, ist der Zusammenhang von Klimaerwärmung und Extremwetterereignissen den meisten Bürgerinnen und Bürgern bewusst geworden. Für die langsamen gab es leider in diesem Sommer weltweiten Anschauungsunterricht.
Wer sich politisch zurecht zu ambitionierten Klimazielen verpflichtet, und auf eine Transformation unserer gesamten Gesellschaft dringt, muss neben der Einsparung von CO2- und anderen Emissionen auch eine Resilienz-Strategie entwickeln.

Schnell und flexibel handeln, wenn landgestützte Verkehrsträger ausfallen

Einen Beitrag dazu könnten ausgewählte Flugplätze liefern. Meine politische Argumentation ist simpel: Wir sollten ausgewählte Flugplätze als strategische Infrastruktur im Bundesinteresse definieren und angemessen nachrüsten. Denn trotz der notwendigen Anstrengungen zur Minderung der CO2- und anderer klimaschädlicher Emissionen, werden die Extremwetterereignisse zunehmen. Solche Ereignisse können Bundesländer übergreifend sein. Der Staat muss in solchen Fällen schnell und flexibel handeln können, auch wenn die landgestützten Verkehrsträger ereignisbedingt ausfallen. Eine vorausschauende Resilienz-Strategie bedarf eines Möglichkeitsmanagements.

Das Vorgehen:

1. Die politische Willensbildung ist Aufgabe des Bundestages und der betroffenen Ministerien.
2. Eine Expertengruppe zur Definition der flugtechnischen und organisatorischen Voraussetzungen solcher Flugplätze stellen die Verbände des dezentralen Luftverkehrs zur Verfügung, etwa befestigte Start-Landebahn 1500 Meter lang und 30 Meter breit, Abstellflächen für fünf Hubschrauber mittlerer Größe und einen Airbus A400, GPS (RNAV) An-/Abflugverfahren,  2 Mal Flugfunk, instrumentenflugtaugliche Befeuerung, Notstromversorgung, automatische MET-Daten (Luftdruck, Temperatur/Taupunkt, Windstärke und Richtung); Feuerlösch- und Rettungskapazität CAT3, ausbaufähig auf CAT5; Flächen für Unterkunftscontainer, Sanitäranlagen etc. nach Maßgabe Katastrophenschutz. Dazu Frischwasser, Abwasser, Strom und so weiter) – um nur einiges zu nennen.
3. Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe BBK wählt die Flugplätze nach den definierten Voraussetzungen und den vorhandenen Katastrophenszenarien aus.

Strategisch ist nicht gleich kritisch

Um Missverständnissen vorzubeugen: Strategische Infrastruktur ist nicht mit kritischer Infrastruktur zu verwechseln. Das Hauptinteresse zielt auf den angesprochenen gesellschaftlichen Mehrwert einer Resilienz-Strategie. Mein Nebeninteresse gilt einer stärker systemischen Betrachtungsweise des dezentralen Luftverkehrs, anstelle der üblich ausschließlich regionalen.

Ich bin gespannt auf die Reaktionen. Vielleicht ist der Vorschlag zu einfach, um eine politische Willensbildung anzustoßen. «Bei strategischen Zukunftsüberlegungen scheint unsere Demokratie ja erhebliche Defizite zu haben», sagt meine Freundin und meint unter anderem unseren akuten Mangel an Lehrpersonen, Ärztinnen und Ärzten und Handwerkerinnen und Handwerker und so weiter. «Vielleicht brauchen wir mehr Politikerinnen und Politiker, die Schach spielen können», antwortete ich.

Ulrich Stockmann ist freier Kolumnist von aeroTELEGRAPH. Er war von 1989 bis 2009 als Parlamentarier in der Volkskammer, im Bundestag und im Europaparlament. Seitdem ist er für Verbände des Luftverkehrs tätig. Die Meinung der freien Kolumnisten muss nicht mit der der Redaktion übereinstimmen.