Gehalt, Kündigung und Co.
Wie es jetzt für die Germania-Mitarbeiter weitergeht
Auf die Germania-Mitarbeiter wartet eine Zeit der Unsicherheit. Ein Anwalt klärt die wichtigsten rechtlichen Fragen.
Abschiedsfoto von Germania-Mitarbeitern in Nürnberg: «Vorschnell sollte eine Kündigung nicht angenommen werden.»
Abschiedsfoto von Germania-Mitarbeitern in Nürnberg: «Vorschnell sollte eine Kündigung nicht angenommen werden.»
Die Germania-Mitarbeiter bekommen seit Januar kein Gehalt mehr. Wie geht es nun weiter?
Michael Kothes*: Nach dem Insolvenzantrag ist von der Germania keine Zahlung mehr zu erwarten. Wie aber in allen Insolvenzverfahren haben die Mitarbeiter, die infolge der eingetretenen Insolvenz ihres Arbeitgebers einen Entgeltausfall zu beklagen haben, einen Anspruch auf Insolvenzgeld gegenüber der Agentur für Arbeit. Das hierfür einschlägige Gesetz ist das Sozialgesetzbuch III oder kurz SGB III. Danach haben Mitarbeiter einen Insolvenzgeldanspruch für die drei Monate, die der Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorangehen. Problematisch hierbei ist aber, dass nach dem SGB III eine Beantragung und damit auch die Auszahlung grundsätzlich erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens möglich ist. Für die Monate nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens muss das Unternehmen aufkommen.
Und wann ist mit der Eröffnung zu rechnen?
Erfahrungsgemäß erfolgt die Eröffnung des Insolvenzverfahrens, wenn ein Unternehmen mit den Entgeltzahlungen bereits einen Monat in Verzug ist, zwei Monate nach Antragstellung, im vorliegenden Fall der Germania könnte das Ende März oder Anfang April 2019 geschehen. Damit könnten die Mitarbeiter erst im April einen Antrag auf Insolvenzgeld bei der Agentur für Arbeit stellen und müssten bis dahin ohne Entgeltzahlung auskommen. Aus diesem Grund wurde laut unseren Recherchen auch im Falle der Insolvenz der Germania eine sogenannte Insolvenzgeldvorfinanzierung eingerichtet. Hierzu hat die Insolvenzverwaltung eine Bank gefunden, die das Insolvenzgeld, das an sich die Agentur für Arbeit schuldet, vorfinanziert.
Und was bedeutet das für die Mitarbeiter?
Voraussetzung für den individuellen Auszahlungsanspruch gegenüber der Bank ist, dass die betroffenen Arbeitnehmer ihren Insolvenzgeldanspruch, den sie an sich gegenüber der Agentur für Arbeit haben, an die Bank abtreten. Hierzu sind auch entsprechende Abtretungserklärungen seitens der Insolvenzverwaltung verbreitet worden. Die Agentur für Arbeit hat der Vorfinanzierung des Insolvenzgeldes zunächst nur für einen Monat, den Januar, zugestimmt. Für diesen Monat ist die Entgeltzahlung also bis zur Beitragsbemessungsgrenze gesichert. Wann die Zahlungen für die nächsten Monate erfolgen, ist deshalb noch völlig offen.
Drohen den Germania-Angestellten trotz der Vorfinanzierung finanzielle Verluste?
Genau wie bei der Air-Berlin-Pleite werden vermutlich auch die Mitarbeiter von Germania trotz der Insolvenzgeldvorfinanzierung einen wirtschaftlichen Schaden erleiden. Denn sie erhielten in der Vergangenheit ihr fixes Entgelt am Ende des jeweiligen Monats, Zuschläge und Prämien aber erst am Ende des Folgemonats. Dies wird wohl bedeuten, dass die Zuschläge und Prämien, die im Dezember erarbeitet worden sind, nicht über das Insolvenzgeld abgedeckt sind, denn der Insolvenzgeldzeitraum wird nach meiner Einschätzung nur die Monate Januar bis März 2019 umfassen.
Was geschieht mit diesen «alten» Forderungen?
Hierbei handelt es sich dann um sogenannte Insolvenzforderungen, die später zur Insolvenztabelle anzumelden sind und auf die dann nur eine anteilige Quote gezahlt wird. Neben diesen Forderungen werden sicherlich auch noch weitere Forderungen der Arbeitnehmer zur Insolvenztabelle anzumelden sein, auch solche, die sich aus etwaigen Kündigungen ergeben. Bei der Anmeldung von Insolvenzforderungen zur Insolvenztabelle sind allerdings einige formale Aspekte zu berücksichtigen, weil sonst regelmäßig zu befürchten steht, dass die angemeldeten Forderungen seitens des Insolvenzverwalters nicht festgestellt werden.
Wie sollten Mitarbeiter mit einer Kündigung umgehen?
Wenngleich aktuell das weitere Schicksal der Germania noch nicht absehbar ist, so werden sich die Mitarbeiter schon jetzt darauf einrichten müssen, dass sie sich womöglich mit Kündigungen konfrontiert sehen. Wichtig ist hierbei zu wissen, dass im deutschen Arbeitsrecht eine strenge Frist gilt, binnen der sich der Mitarbeiter gegen eine Kündigung zur Wehr setzen kann: Wer nicht innerhalb von drei Wochen nach Zustellung der Kündigung beim Arbeitsgericht Kündigungsschutzklage erhebt, der verliert gänzlich das Recht, gegen die Kündigung vorzugehen.
Macht es denn überhaupt noch Sinn, sich gegen eine Kündigung zu wehren?
Da zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht klar ist, wie es mit der Germania weitergeht, auch nicht, ob sich noch – was durchaus möglich ist – ein Käufer für die Fluggesellschaft oder Teile von ihr findet, muss jeder Arbeitnehmer bedacht sein, seine Rechte zu wahren. Vorschnell sollte eine Kündigung nicht angenommen werden. Denn wenn sich später herausstellt, dass das Unternehmen noch auf einen Dritten übergegangen ist, ist der Arbeitsplatz gar nicht, wie im Rahmen der Kündigung proklamiert, weggefallen. Vielmehr würde dann nämlich ein Betriebsübergang der noch bestehenden Arbeitsverhältnisse unter Wahrung aller Rechte und Pflichten stattfinden.
Ändert sich durch das Insolvenzverfahren etwas rund um den Vorgang der Kündigung?
Grundsätzlich gilt auch in einem Insolvenzverfahren das deutsche Arbeitsrecht, wenngleich der Arbeitgeber einige Vorteile genießt. Hierzu gehört zum einen die Verringerung der Kündigungsfrist auf ein Maximalmaß von drei Monaten, zum anderen aber auch Erleichterungen im Hinblick auf die Begründung von Kündigungen.
Entstehen hierdurch Rechte für die Mitarbeiter?
Aus der Kürzung der Kündigungsfrist, quasi als Gegenleistung, ergeben sich Ansprüche für den Arbeitnehmer. Und zwar, wenn der Insolvenzverwalter dem Arbeitnehmer kündigt und sich dabei auf die abgekürzte Kündigungsfrist nach Paragraf § 113 Insolvenzordnung beruft. Dann hat der Arbeitnehmer nämlich einen Schadensersatzanspruch, den er zur Insolvenztabelle anmelden kann. Allerdings wird dieser Schadensersatzanspruch auch nur mit einer Quote befriedigt.
Das klingt nicht besonders lohnenswert.
Gleichwohl zeigt die Praxis, wie schwierig es für die Arbeitgeberseite ist, gerade bei Massenentlassungen formell ordnungsgemäße Kündigungen auszusprechen, weil etliche formelle Voraussetzungen zu erfüllen sind. Insofern bestehen selbst bei einer Betriebsstilllegung aber erst recht bei einem Betriebsübergang oder einem teilweisen Betriebsübergang Möglichkeiten, gegen die Kündigung vorzugehen. Selbstverständlich müssen hierbei die wirtschaftlichen Argumente im Sinne des Arbeitnehmers abgewogen werden.
Sie haben auch Mitarbeiter bei der Insolvenz von Air Berlin beraten. Was ist die wichtigste Lektion daraus für die Angestellten von Germania?
Für die betroffenen Mitarbeiter ist es wichtig, sich frühzeitig, umfangreich und richtig bei Experten zu informieren. Im Laufe der Insolvenz der Air Berlin hat gerade das Streuen von Fehlinformationen und Gerüchten zu einer außerordentlichen Unruhe unter den Mitarbeitern geführt.
*Michael Kothes (43) ist Fachanwalt für Arbeitsrecht. Er arbeitet für die Düsseldorfer Rechtsanwaltsgesellschaft Buchalik Brömmekamp.