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Neues Marktumfeld nach Covid-19

Die Corona-Krise könnte neue Airlines hervorbringen

Jede Krise ist auch eine Chance. Gilt das auch für Corona? Mancher Experte sieht am Horizont gute Bedingungen für den Aufbau neuer Fluglinien. Doch es gibt auch Risiken.

Viele Fluglinien kämpfen momentan um ihre Existenz. «In den nächsten 12 bis 18 Monaten entscheidet sich, welche Airlines überleben und welche nicht», sagt Alok Wadhawan, Experte für Flugzeugfinanzierung beim Vermögensverwalter Muzinich & Co. «Die Überlebenden werden vergleichsweise stärker aus der Krise hervorgehen. Es wird aufgrund von Konkursen weniger Wettbewerb geben und wenn die Nachfrage anzieht, werden die Flugpreise wahrscheinlich nach oben gehen.»

An dieser Stelle öffnen sich laut dem Experten aber auch Chancen für neue Fluggesellschaften. «Wer dann eine neue Airline startet, hat unserer Meinung nach Vorteile», so Wadhawan. Arbeitskräfte seien verfügbar, Flugzeuge günstig, Flughafengebühren niedrig und auch die Finanzierungskosten würden sinken.

Nische im Regionalverkehr?

Ähnlich sieht es Peter Malanik, Präsident des österreichischen Luftfahrtverbands und Aufsichtsratsvorsitzender des Flughafens Klagenfurt. «Die Gründung neuer Airlines wird durch die günstigen Maschinenpreise vergleichsweise billig», so Malanik. Die großen Netzwerk-Carrier würden sich auf ihr Kerngeschäft auf der Langstrecke und auf passagierstarke Rennstrecken fokussieren, so seine Prognose. Dadurch entstünden Nischen, die Airline-Startups nutzen könnten. Besonders im Regionalverkehr sieht er Potenzial.

Finanzierungsexperte Wadhawan verweist zudem auf ein aktuelles Beispiel vom anderen Ende der Welt: «Bei Virgin Australia sehen wir schon jetzt, dass es Interessenten gibt, die bereit sind, zu investieren», sagt Wadhawan. Tatsächlich hat Virgin Australias Insolvenzverwalter trotz der Krise potenzielle Käufer für die Fluglinie gefunden. Vier davon haben es in die Endauswahl geschafft: eine Investmentfirma aus Australien sowie drei aus den USA. Ein Interessent ist Indigo Partners, der unter anderem an Wizz Air beteiligt ist.

Private Geldgeber stehen bereit

Auch ein anderes Beispiel aus Australien zeigt, dass Finanzierung in der Krise möglich ist. So verkündete die Fluglinie Regional Express Rex, private Investmentfirmen und -banken seien bereit, sie mit 200 Millionen australischen Dollar zu unterstützten. Mit dem Geld soll Rex ihr Geschäft ausbauen und Marktanteile übernehmen. Dafür will die Regionalairline sogar zehn Boeing 737 oder Airbus A320 leasen. Da Rex vorher mit 67 Millionen australischen Dollar mehr Corona-Staatshilfe bekommen hat als Qantas und Virgin Australia zusammen, muss sie sich nun jedoch auf eine Prüfung der Behörden einstellen.

Zurückhaltend ist man derweil in Vietnam. Dort hat die Luftfahrtbehörde alle Zertifizierungen von neuen Fluglinien erst einmal ausgesetzt. Man wolle die Erholung der Branche abwarten, bevor man neue Airlines zulasse. Mit Kite Air und Vietravel Airlines müssen zwei Start-ups nun erst einmal warten, berichtet die Zeitung Bangkok Post.

Viele offene Fragen, viel Unsicherheit

Tatsächlich wird der Aufbau einer neuen Fluglinie einige Risikobereitschaft verlangen. Vieles ist derzeit ungewiss. Wie wird sich die Nachfrage entwickeln? Wird es eine zweite Corona-Welle geben und werden Länder erneut Reisebeschränkungen erlassen? Wie lange bleibt der Öl- und damit der Kerosinpreis so niedrig wie zurzeit? Wie wirken sich die neuen Hygiene- und Sicherheitsmaßnahmen auf den Flugbetrieb aus und wie teuer kommen sie Fluggesellschaften zu stehen? Und das sind nur einige der vielen offenen Fragen.

Schon vor der Krise war die Luftfahrt kein einfaches Umfeld. Um es mit einer neuen Fluggesellschaft zu schaffen, braucht man einen langen Atem und ein überzeugendes Geschäftsmodell. Zwar ist die Konkurrenz inzwischen wohl etwas kleiner, dennoch bleibt es dabei: Gründen ist vergleichsweise einfach, überleben nicht.