Letzte Aktualisierung: um 14:36 Uhr

Die Kandidat:innen

Wer sitzt künftig bei Boeing auf dem Chefsessel?

Wer folgt auf David Calhoun an der Spitze des gebeutelten Luftfahrtkonzerns? Eine Kandidatin und zwei Kandidaten können sich gerade die größten Chancen für die Topposition bei Boeing ausrechnen.

Als David Calhoun Ende März seinen Rücktritt bekanntgab, erschien es noch lang: Noch bis Ende des Jahres wird er an der Spitze des gebeutelten Konzerns stehen. Doch jetzt ist es fast August und das Ende des Jahres ist gar nicht mehr so weit entfernt. Dennoch steht bislang keine Nachfolge von Calhoun fest.

Es dürfte auch nicht ganz einfach sein, jemanden für die Position zu finden. Denn es gibt gerade einfachere Jobs als die Topposition bei Boeing. Ein Kandidat hat auch bereits deutlich abgesagt: GE-Chef Larry Culp. Auch David Gitlin, selbst im Aufsichtsrat und Geschäftsführer des Zulieferers Carrier, bat darum, von der Liste potenzieller Kandidaten genommen zu werden.

Kulturwandel dringend nötig

Boeing steht seit Jahren in der Kritik, die Sicherheitskultur vernachlässigt zu haben – zu Gunsten des Aktienkurses. Das kostete zunächst Dennis Muilenburg den Chefposten, und auch Calhoun wurde wurde dafür kritisiert, den Aktionären und dem Aktienkurs mehr Aufmerksamkeit zu schenken als den Angestellten und der Sicherheit.

Der Vorfall einer Boeing 737 Max 9 von Alaska Airlines, bei der im Flug ein Paneel herausbrach, brachte derart viele Probleme in der Unternehmenskultur ans Licht, dass ein Rücktritt die logische Folge war.  Wer auch immer den Konzern künftig leitet, muss denn auch einen Kulturwandel vollziehen und das Vertrauen von Kunden und Öffentlichkeit wiedergewinnen – und nicht zuletzt das der Mitarbeitenden.

Diese Kandidaten werden aktuell als Calhoun-Nachfolge gehandelt:

Kelly Ortberg:

Neu in der Liste der Kandidaten ist der ehemalige Chef des Zulieferers Rockwell Collins. Einem Bericht von The Air Current zufolge steht Robert «Kelly» Ortberg auf der Liste für die Nachfolge von Calhoun. Eigentlich ist er allerdings bereits im Ruhestand. 2021 trat nach mehr als 30 Jahren Arbeit in der Luft-, Raumfahrt- und Verteidigungsbranche ab.


Kelly Ortberg. Bild: RTX

Als Chef  orchestrierte er die beiden größten Übernahmen von Rockwell Collins im Jahr 2013 – den Kauf von Airinc und die Übernahme von B/E Aerospace.

Stephanie Pope:

Pope blickt auf eine lange Karriere bei Boeing zurück. Aktuell ist sie Chefin der kommerziellen Flugzeugsparte. Deren Geschäftsführer Stan Deal trat Ende März zurück – ebenfalls eine Nachwirkung der Qualitätsprobleme, die infolge des Unfalls der Boeing 737 Max von Alaska Airlines Anfang des Jahres ans Licht kamen.


Stephanie Pope. Bild: Boeing

Zuvor war Pope Operativchefin des Konzerns. Diesen Posten hatte sie im Dezember 2023 eingenommen. Schon damals wurde sie als eine vielversprechende Kandidatin für die Calhoun-Nachfolge gehandelt. Auch der noch amtierende Chef schätzt Pope – hat allerdings keine Entscheidungsbefugnis. Die Personalsuche übernimmt Aufsichtsratschef Steven Mollenkopf mit Hilfe der Beratungsfirma Russell Reynolds.

Pope hat so gut wie ihr gesamtes Berufsleben beim Flugzeugbauer verbracht und arbeitet seit 30 Jahren für den Hersteller. Das kann ein Vorteil sein, aber bei einem nötigen Kulturwandel nicht nur hilfreich.

Pat Shanahan:

Auch Shanahan ist ein Boeing-Gewächs. 1986 begann er, für den Konzern zu arbeiten. Dabei war er auch wesentlich an der Entwicklung des Langstrecken-Verkaufsschlagers Boeing 777 beteiligt. Bis 2017 blieb er bei Boeing und arbeitete dort in verschiedenen Funktionen sowohl in der Militär- als auch der Zivilflugzeugsparte. Er spielte unter anderem eine führende Rolle bei der Sanierung des 787-Programms nach den Startschwierigkeiten. Dort verdiente er sich den Namen Mr. Fix-it.

2017 kam dann ein Karrierewechsel. Donald Trump ernannte Shanahan zum stellvertretenden Verteidigungsminister. Nach dem Rücktritt von Verteidigungsminister James Mattis – der unter anderem Donald Trump Ansichten kritisierte – wurde Shanahan dann für einige Monate Mattis’ Nachfolger.


Pat Shanahan. Bild: US-Regierung

Doch als es um die offizielle Bestätigung im Amt ging, trat Shanahan zurück. Er wolle mehr Zeit mit seiner Familie verbringen, so einer der genannten Gründe. In den Monaten zuvor war er allerdings immer wieder in die Kritik geraten. Einerseits wurde ihm vorgeworfen, er habe sich unzulässigerweise für seinen früheren Arbeitgeber Boeing eingesetzt, andererseits war ans Licht gekommen, dass es Vorwürfe häuslicher Gewalt seitens Shanahans Ex-Frau gegeben hatte. Shanahan hatte das immer wieder verneint.

Seit 2023 kann Shanahan wieder seiner Rolle als Mr. Fix-it nachgehen. Und er hat auch dort viel zu tun. Denn aktuell ist er Chef des Zulieferers Spirit Aerosystems. Das Unternehmen spielte bei den Problemen mit der Qualitätssicherung bei Boeing eine entscheidende Rolle. Spirit stellt große Teile der Boeing 737 her. Anfang des Monats gab Boeing bekannt, den gebeutelten Zulieferer, den man vor rund 20 Jahren verkauft hatte, wieder zu kaufen.