Überfliegerin oder Überflieger des Jahres
Wer hat 2020 alle anderen überflügelt?
Ein hartes Jahr der Luftfahrtbranche wurde von vielen Menschen geprägt. Wir stellen wieder die Überflieger des Jahres zur Wahl - und küren einen Sieger außer Konkurrenz.
Eigentlich rechnet man in der Luftfahrtbranche immer irgendwie mit Unvorhersehbarem. Das liegt in der Natur einer Branche, in der Sicherheit ganz zuoberst steht. Doch was das Jahr 2020 brachte, übertrifft wohl fast alle schlimmsten möglichen Szenarien, die Unternehmen in der Schublade hatten.
Quasi-Groundings riesiger Flotten, noch mehr Pleiten, Staatshilfen für Lufthansa und die meisten große Airline-Gruppen– damit hätte wohl kaum jemand gerechnet. Die Covid-19-Pandemie prägte das Jahr. Auch in diesem schwierigen Umfeld gab es Menschen, welche die Branche gestützt, bewegt und verändert haben.
aeroTELEGRAPH wählt jährlich die Überflieger des Jahres. Und auch Sie können dabei mitmachen. Ihre Stimme geht in Gesamtwertung neben der unserer Jury ein.
Sieger außer Konkurrenz
Anders als in allen anderen Jahren ist dieses Jahr eine Sache: Einen Sieger gibt es für uns bereits, der fest gesetzt ist, beziehungsweise ganz viele: Alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Branche, die dieses Jahr nicht aufgaben. Das sind die Kabinen-und Cockpit-Crews, die unter den erschwerten Bedingungen flogen, und nicht selten auch mit renitenten Passagieren charmant umgehen mussten. Es sind auch die Flughafen- und Airlinemitarbeitende, die weiterhin Passagiere eincheckten, Gepäck umluden, Flugzeuge warteten, Flüge planten, Klagen bearbeiteten, Rückzahlungen veranlassten und so weiter.
Es sind aber auch all jene, die sich aufgrund der aktuellen Situation beruflich neu orientieren mussten – und dennoch die Liebe zur Branche beibehielten. Denn das Kerosin bekommt man nicht so einfach aus dem Blut. All diese Menschen sind für uns außer Konkurrenz als Sieger gesetzt, weil sie Übermenschliches geleistet haben.
Dennoch wollen wir die Wahl nicht ausfallen lassen. Daher hier die Nominierten:
Stephen Dickson, Chef der Luftfahrtbehörde der USA, der Federal Aviation Administration FAA: Der Druck war schon 2019 hoch, 2020 umso höher. Mehr als eineinhalb Jahren war die Boeing 737 Max gegroundet. Der Druck auf der FAA, den Flieger wieder zuzulassen, war hoch. Doch Dickson ließ sich nicht stressen. Er sagte auch seinen Mitarbeitenden immer wieder, dass sie sich alle Zeit nehmen sollen, die sie brauchen, um die 737 Max durch und durch zu testen. Erst wenn er selbst und seine Familie mit der Max fliegen würden, so sagte Dickson, sei der Flieger wieder flugtauglich. Und daran hielt er sich. Dickson steuerte den Flieger sogar selbst, um sich zu überzeugen. Inzwischen ist klar: Schon bald werden Passagiere in aller Welt wieder mit dem Jet fliegen.
BER-Chef Engelbert Lütke-Daldrup: Der neue Berliner Flughafen hat alles andere als ein gutes Image. Die unfassbare Verspätung und immer wieder neue Pannen, sowie die nicht gerade ideale finanzielle Situation schaden dem Ruf des Hauptstadtairports. Eigentlich hatte niemand mehr geglaubt, dass der BER im Herbst 2020 wirklich öffnen würde. Denn die Corona-Krise setzte auch den Flughäfen zu. Doch Lütke-Daldrup schaffte es, anders als seine zahlreichen Vorgänger, das Projekt auf die richtige Schiene zu bringen und fertigzustellen. Die Eröffnung verlief dann schließlich fast ohne Pannen.
Die künftige Lufthansa-Cargo-Chefin Dorothea von Boxberg: Mitten in der Krise einen neuen Job zu beginnen, das ist nicht leicht. Es gibt in der Branche einige, die das tun. Doch Dorothea von Boxberg dürfte besonders gefordert sein. Das globale Frachtgeschäft wurde durch die Corona-Krise total durcheinandergewirbelt. Vielleicht ist die Nachfrage nicht zwingend höher, doch ohne die üblichen Massen an Fracht im Buach von Passagierfliegern müssen Airlines kreativ werden. Hinzu kommt – auch wenn es ziemlich traurig ist, dass das im Jahr 2020 etwas Besonderes ist: von Boxberg ist ab März 2021 nicht nur die erste Frau an der Spitze von Lufthansa Cargo, sondern die erste Frau, die eine der großen weltweiten Cargo-Airlines führt. Bleibt zu hoffen, dass viele weitere folgen.
Iata-Generaldirektor Alexandre de Juniac: Der Generaldirektor der Iata tritt per April 2021 zurück. Doch dieses Jahr war er mehr gefordert als wohl alle seine Vorgänger während ihrer Amtszeiten. De Juniac musste sich im Namen der Luftfahrtbranche den Mund fusselig reden vor Medien, Regierungen, Flughäfen, Staatenverbünden. Und das tat er. Woche um Woche, teilweise auch Tag um Tag.
Joszef Varadi, Chef von Wizz Air: Gewinner gibt es in dieser Krise keine. Aber es gibt Manager, die durch ihre Strategie ihr Unternehmen besser für die Zukunft rüsten als andere. Wizz-Air-Chef Joszef Varadi ist wohl so einer. Die Billigairline eröffnete trotz Krise neue Basen, baute ihr Netz aus. Und Experten prophezeihen, dass Wizz dank ihrer Flottenstrategie mit A321 Neo nach der Krise stärker sein wird als viele Konkurrenten. Das liegt an der komfortablen Liquiditätssituation der Ungarn, aber natürlich auch daran, dass viele Angestellte unter schlechteren Bedingungen beschäftigt sind als bei einigen Konkurrenten. Das wird ein Problem sein, das Varadi in den nächsten Jahren lösen muss.
Uğur Şahin und Özlem Türeci, Biontech-Gründer: Das Ehepaar arbeitet in der Pharma-, nicht in der Luftfahrtbranche. Dennoch hat es mit seiner Arbeit maßgeblichen Einfluss darauf, wie es in den nächsten Monaten weitergeht. Şahin und Türeci haben die Firma Biontech gegründet, die gemeinsam mit Pfizer den ersten zugelassenen Impfstoff gegen das Coronavirus entwickelt und im Schnellverfahren durch die Zulassung gebracht hat.
Ralf Teckentrup, Condor-Chef: Teckentrup gewann schon die Wahl vergangenes Jahr. Doch auch 2020 war der Condor-Chef mehr als andere gefordert. Denn eigentlich sollte seine Airline an die polnische PGL verkauft werden. Doch daraus wurde wegen der Corona-Krise nichts. Teckentrup und sein Team mussten sich komplett umorientieren, Condor neu aufstellen – und sie schafften es. Im Dezember verließ die Airline das Schutzschirmverfahren – ganz ohne neuen Besitzer.
Die Wahl
Und nun sind Sie an der Reihe, wählen Sie mit. Sie können bis zum 30. Dezember Ihre Stimme maximal zwei Persönlichkeiten geben: