Tiere an Bord
Wenn Tiere im Privatjet einen medizinischen Notfall erleben
Was passiert im Falle eines medizinischen Notfalles eines vierbeinigen Freundes? Gut ausgebildetes Personal und gute Ausrüstung im Privatjet sind das Ao und O.
Kranker Hund: An Bord gefährlich.
Kranker Hund: An Bord gefährlich.
In einem abgeschlossenen Raum kann man nicht einfach zum Arzt gehen oder diesen rufen. Die Erste Hilfe am Menschen übernehmen an Bord eines Flugzeuges im Idealfall zufällig mitfliegende Ärzte oder das Kabinen- oder Cockpitpersonal. Der Gesetzgeber erwartet von Airlines, dass Crews kompetent in Erster Hilfe am Menschen sind. Hierzu müssen sie mehr oder weniger umfangreiche Trainings absolvieren.
Im Falle der Cockpitbesatzungen erschöpft sich dies häufig in computergestützten Trainings oder Vorträgen im Rahmen der Ausbildung der Airline. Für die Vierbeiner ist eine derartige Kompetenz nicht vorgeschrieben und daher sollte man bei der überwiegenden Mehrzahl der Anbieter nicht darauf bauen, dass Besatzungen hier kompetent sind.
Welche Medikamente und Geräte an Bord sind
Üblicherweise findet man zwei Gruppen von humanmedizinischen Medikamenten an Bord. Solche die von den Crews verabreicht werden dürfen, sowie jene, die nur von Ärzten appliziert werden dürfen. Ein Defibrilator inklusive EKG sowie medizinischer Sauerstoff (nicht zu verwechseln mit den Sauerstoffmasken die im Falle eines Druckverlustes aus der Decke fallen) runden die Ausrüstung ab. Für Tiere ist sie jedoch nur eingeschränkt oder gar nicht anwendbar.
Generell relevant sind hier alle vorstellbaren akuten Erkrankungszustände, die sich grob wie folgt einteilen lassen. Erkrankungszustände aufgrund (unbekannter) Vorerkrankungen:
1. Aufgrund der spezifischen Umweltbedingungen in der Flugzeugkabine
2. In Zusammenhang mit Luftnotlagen
3. Herz/Kreislauf Erkrankungen, vor allem dann wenn wieder ein Flugzeug notlanden muss um einem Passagier mit Herzinfarkt die notwendige Hilfe zukommen zu lassen.
Gefahr frische Infektionen
Herzerkrankungen kommen bei Hund und Katze einerseits rassenspezifisch, aber auch altersbdingt, gehäuft vor. Anders als beim Herzinfarkt mit beeindruckender Akut Symptomatik schränken die bei unseren Haustieren üblichen Erkrankungen die Funktionsfähigkeit des Herzens mit zunehmender Erkrankung zunehmend ein. Rassen wie Möpse und Bulldoggen haben zudem eine anatomiebedingte Atemeinschränkung. In beiden Fällen können gegegbenenfalls im Flug Kreislauf und Sauerstoffversorgung nicht mehr adäquat aufrecht erhalten werden.
Vor Abflug erworbene Infektionen oder Vergiftungen (etwadurch eine auf dem Vorfeld aufgenommene Substanz) können Ihre spezifische klinische Symptomatik erst in Luft entwickeln. Tiere mit hormonellen Erkrankungen wie zum Beispiel Diabetes können aufgrund nicht adäquat durchgeführter Hormon-Ersatztherapie symptomatisch werden.
Gefahr frische Infektionen
In einer Flugzeugkabine ist der Luftdruck, die Luftfeuchtigkeit und Sauerstoff-Partialdruck reduziert, während der Geräuschpegel erhöht ist. Diese unbekannte Umgebung kann zu Stress führen, sodass im Zusammenspiel mit den genannten Umweltbedingungen akute Herzkreislauf- sowie Atemprobleme auftreten können, verstärkt natürlich bei vor erkrankten Tieren. Der reduzierte Luftdruck kann durch die Ausdehnung von Körpergasen (Magen/Darm, Nasennebenhöhlen, Ohren) zu einer durchaus ausgeprägten Schmerzsymptomatik führen. Stressbedingte Überreaktionen können (bereits auf dem Vorfeld) zudem zu behandlungsbedürftigen Verletzungen führen.
Beeindruckende Notfälle sind zum Beispiel Brände, Druckabfall oder schwerste Turbulenzen. Feuer an Bord geht mit starker Hitzeentwicklung (Verbrennungen) und Rauchgas (Vergiftungen) einher. Ein Abfall des Kabinendrucks führt zu Sauerstoffmangel und je nach Ausmass und Geschwindigkeit des Druckabfalls zu inneren Verletzungen (Lunge). Schwere Turbulenzen zum Beispiel auch um Rahmen eines Not Sinkfluges können mannigfaltige Verletzungen zur Folge haben.
Vorbereitung und Reaktion auf tiermedizinische Notfälle
Idealerweise erhebt man vor Abflug bereits etwaige Vorerkrankungen. Tiermedizinische Schulungen versetzen das Personal in die Lage, Erkrankungszustände einzuordnen, Medikamente und Sauerstoff zu applizieren sowie Verletzungen zu versorgen. Tiermedizinische Medikamenten-Kits sowie zur Anwendung an Tieren geeignete Sauerstoffmasken sollten an Bord sein. Ein simples Pulsoxymeter hilft dem Laien zudem bei der Diagnose von Herzkreislauf und Atemproblemen. Angepasste medikamentöse Therapie, bei cardiovaskulären Problemen in Verbindung mit Sauerstoff, sowie kompetente Verletzungsversorgung sind effektive Maßnahmen.
Operator die mit Haustieren fliegende VIPs ansprechen und diesen eine Rundumbetreuung für das Tier bieten wollen, sollten daher eine an Haustiere angepasste Ausrüstung an Bord haben sowie tierspezifische Kompetenzen in Erster Hilfe aufweisen. Ein professionelles Management selbst eines kleineren Problems macht nachhaltigen Eindruck, sorgt für nachhaltige Kundenbindung und hebt den Operator von der Konkurrenz ab.
Sebastian Gehrig ist freier Kolumnist von aeroTELEGRAPH. Er ist Tierarzt und Pilot (derzeit auf A320 bei einer europäischen Airline) mit mehrjähriger Erfahrung im Executive Aviation Bereich. Als Bindeglied zwischen der Welt der Veterinärmedizin und der Luftfahrt berät er Privatjetbetreiber hinsichtlich der adäquaten Betreuung von Haustieren von VIPs die mit diesen verreisen. Die Meinung der freien Kolumnisten muss nicht mit der der Redaktion übereinstimmen.