Letzte Aktualisierung: um 17:34 Uhr

Tiere an Bord

Wenn Tiere an Bord Stress, Atemnot oder Aggressionen haben

Hunde, Katzen, Nager, Vögel oder Reptilien: Gutbetuchte reisen im Privatjet gerne mit ihrem Haustier. Das birgt verschiedene Gefahren.

Jede Spezies, stellenweise jede Rasse hat spezifische Eigenschaften, die es zu beachten gilt, wenn man sie als Begleiter ihrer Besitzerinnen und Besitzer im Privatjet begrüßt. Korrekt adressiert, führt dies zu einer komfortablen und sicheren Reise für alle zwei und vierbeinige Passagiere sowie für die Crew. Das Gegenteil kann der Fall sein, sofern diesen Spezifika keine Rechnung getragen wird.

Relevant sind die unterschiedlichen Fähigkeiten, sich an die Umwelt zu adaptieren, Stressreaktion und spezifisch gehäuft auftretende krankhafte Zustände. Weiterhin zu beachten sind Ernährungsaspekte sowie die potentielle Gefahr, die von einem mitfliegendem Tier ausgeht.

Anpassung: Hunde, Katzen, Nager und Vögel haben keine größeren Schwierigkeiten, sich an die Umweltbedingungen in der Kabine zu adaptieren, während Reptilien aufgrund ihrer wechselwarmen Natur darauf angewiesen sind, die jeweils geeigneten Umwelt Bedingungen zur Verfügung gestellt zu bekommen. Als ungünstig einzustufen ist die geringe Luftfeuchte.

Stressreaktion: Die Stressreaktion auf die ungewohnte Umgebung manifestiert sich je nach Art unterschiedlich, aber immer in einer körperlichen und einer Verhaltensreaktion. Die einhergehende Hormonausschüttung führt zu einer erhöhten Aktivität des Herzkreislaufs und Atemsystems. Bestehende chronische Grunderkrankungen dieser Organe können in Folge verstärkt werden. Gibt es keine Möglichkeit dem Stressauslöser zu entkommen, so kann die Folge entweder Aggression oder Apathie (Trauma) sein.

Das Erkennen von bereits subtilen Signalen und eine entsprechende Reaktion hierauf trägt bereits effektiv zur Stressminimierung und somit zu einer komfortablen Reise bei. Solche subtilen Signale sind bei Hund, Katze und Vogel sogenannte Ursprungshandlungen wie unter anderem häufiges Gähnen (Hund), Maulschlecken (Katze) sowie andauerndes Putzen (Vogel). Nager hingegen vermindern Ihre Aktivität massiv. Bei Reptilien ist Stress generell eher schwer festzustellen.

Bei Hund und Katze (insbesondere alte Tiere) sind chronische Herzerkrankungen, sowie die bei kurznasigen Rassen eingeschränkte Atemfähigkeit, in Zusammenspiel mit Stress, geringer Luftfeuchte und erniedrigtem Sauerstoff-Partialdruck an Bord problematisch. Diabetes und die allgegenwärtigen Niereninsuffizienzen bei Katzen erfordern Aufmerksamkeit. Chronische Erkrankungen sind meist medikamentös gehandhabt und erfordern regelmäßige Gabe derselben.

Flugrelevant können bei Nagern im fortgeschritten Alter, wenn auch selten diagnostiziert gegebenenfalls bestehende (unerkannte) Her-z (Kaninchen) und Nierenerkrankungen (Meerschwein) sein. Bei Papageien ist die häufig vorkommende Pilzinfektion der Lunge zu nennen. Generell zeigen Vögel Symptome erst bei weit fortgeschrittener Krankheit. Ein äußerlich gesunder Vogel kann daher bei Flugantritt schon ernsthaft erkrankt sein. Bei Reptilien sind flugrelevante Erkrankungen selten.

Ernährung: Bei Hund und Katze sind Futtermittelallergien mittlerweile weit verbreitet. Es versteht sich von selbst, dass auf individuelle Unverträglichkeiten eingegangen werden muss. Auf kurzen Flügen ist eine Fütterung nicht erforderlich. Nager und pflanzenfressende Vögel hingegen sind auf die kontinuierliche Zufuhr von Futter angewiesen, während die Futterintervalle bei Reptilien und Raubvögeln so groß sind, dass eine Fütterung nicht notwendig ist. Frisches Wasser sollte immer zur Verfügung stehen.

Aggressionen: Generell ist Aggression eine Reaktion eines Tieres, um sich einer als gefährlich empfundenen Situation zu entziehen und tritt niemals plötzlich auf. Auch gutmütige Hunde und Katzen sind dann potenziell als gefährlich anzusehen, insbesondere Katzen können bei inadäquatem Umgang ausgesprochen aggressiv reagieren und eine Gefahr für Crew und Passagiere darstellen. Große Vögel wie Papageien haben ein hohes Verletzungspotential, ebensolches gilt für verschiedene Reptilien wie grüne Leguane. Nager sind in diesem Kontext eher unproblematisch.

Airlines müssen vorbereitet sein

Kenntnisse im Umgang mit den verschiedenen Spezies, ihrer spezifischen Anforderungen hinsichtlich Umweltbedingungen und sowie häufig vorkommender flugrelevanter Erkrankungen, stellt eine komfortable Reise für Mensch und Tier sicher, vermeidet unangenehme Situationen an Bord und trägt zur Sicherheit von Mensch und Tier bei. Airlines, die Tiere mit ihren Besitzern transportieren, sollten diesbezüglich die notwendigen Kompetenzen aufweisen.

Sebastian Gehrig ist freier Kolumnist von aeroTELEGRAPH. Er ist Tierarzt und Pilot (derzeit auf A320 bei einer europäischen Airline) mit mehrjähriger Erfahrung im Executive Aviation Bereich. Als Bindeglied zwischen der Welt der Veterinärmedizin und der Luftfahrt berät er Privatjetbetreiber hinsichtlich der adäquaten Betreuung von Haustieren von VIPs die mit diesen verreisen. Die Meinung der freien Kolumnisten muss nicht mit der der Redaktion übereinstimmen.