Warum Fliegen zum Heulen ist
Kaum über den Wolken und schon fließen die Tränen - so ergeht es einigen Passagieren in der Luft. Aber warum ist das so? Ein Erklärungsversuch.
Tränen im Flugzeug: Das passiert nicht nur Kindern.
Tränen im Flugzeug: Das passiert nicht nur Kindern.
Allein unter Fremden, in eine Metallröhre 12’000 Meter über der Erde und wenig zu tun – bei vielen Menschen kochen da plötzlich Emotionen hoch und sie weinen, ob sie wollen oder nicht. Das zeigt auch eine Umfrage von Virgin Atlantic: 55 Prozent aller Reisenden haben schon einmal «starke Emotionen während eines Fluges» erlebt. 41 Prozent aller Männer gaben zu, dass sie sich schon einmal hinter einer Decke versteckt haben, um ihre Tränen vor den anderen Passagieren zu verbergen.
Doch was steckt hinter den plötzlichen Emotionen? Psychologe Jeffrey Kottler gab bereits 1996 in seinem Buch «The Language of Tears» eine mögliche Antwort: Wir Menschen weinen, weil wir – anders als andere Tiere – Jahre brauchen, um für uns selbst zu sorgen. Zuvor sind wir auf die Hilfe anderer angewiesen. Aber wir können nicht einfach um Hilfe rufen, denn das würde Raubtiere auf unsere Spur bringen. Also haben wir Menschen einen lautlosen Hilfeschrei entwickelt: Wir weinen.
Zurückweisung schmerzt
Dem stimmt auch Ad Vingerhoets, Professor für Verhaltenswissenschaften an der Universität Tilburg (Niederlande) zu: Weinen dient dazu, Bindungen zu bilden und zu festigen.
Allerdings weinen Erwachsene selten in der Öffentlichkeit. Sie ziehen sich meist zurück und weinen alleine in ihren eigenen vier Wänden. Woher kommt also dieser plötzliche Drang vor Dutzenden Fremden in einem Flugzeug zu weinen? Auch darauf hat Vingerhoets eine Antwort: Erwachsene weinen öfter wegen «Trennung» oder «Zurückweisung» als zum Beispiel «Schmerz und Verletzung» oder «Kritik». Und gerade bei den Menschen, die sich zurückgewiesen fühlten, wählen meist auch die Unterkategorie «Einsamkeit» – gerade im Flugzeug fühlen sich viele Menschen alleine. Egal ob Kind oder Erwachsener, typischerweise weint man in Situationen, die mit Verlust, Trennung oder Hilflosigkeit zu tun haben, folgert der Professor.
Aufgestauter Stress entlädt sich
Tränen stellen «ein äußerliches Zeichen eines abrupten inneren Wechsel» dar, stellten die Wissenschaftler Jay Efran und Mitchell Greene fest. Während wir Stress erleben – beispielsweise den schlimmsten Tag auf der Arbeit – erlaubt uns unser Körper in der Regel nicht, zusammenzubrechen. Wenn man dann aber nach Hause kommt und sich auf die Couch setzt, brechen die Emotionen hervor.
Und dasselbe passiert im Flugzeug: Man kommt runter, lässt den Stress hinter sich und ist zugleich vollkommen hilflos dem Piloten und seiner Crew ausgeliefert. Und vermutlich hat man zugleich etwas hinter sich gelassen: einen wunderschönen Urlaub, einen Lebensabschnitt, die Familie, Freunde. Das ist dann der Moment, wo die Gefühle hochkochen – und die Tränen die Oberhand gewinnen.