Letzte Aktualisierung: um 15:58 Uhr

Regeln für die Kabinencrews

Was tun Kabinencrews, wenn jemand an Bord verstirbt?

Ein Paar aus Australien musste auf einem Qatar-Airways-Flug vier Stunden neben einer Leiche sitzen. Wie gehen Fluggesellschaften mit Verstorbenen an Bord normalerweise um? Dafür gibt es Regeln.

Es sind Szenen, die wohl niemand erleben möchte. Eine Passagierin bricht während des Fluges im Gang zusammen. Die Crew versucht, die Frau wiederzubeleben, doch alle Versuche sind vergebens. Die Frau ist tot. Das Kabinenpersonal versucht, die Verstorbene in die Business-Class zu hieven, doch der Gang ist zu schmal und die Frau zu groß. Kurzerhand wird die Leiche neben einen Passagier gesetzt.

Der Passagier, der plötzlich neben der Verstorbenen saß, heißt Mitchell Ring. Gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin reiste Ring in der vergangenen Woche mit Qatar Airways von Melbourne über Doha nach Venedig. Gegenüber Channel 9 schilderte er, dass die Crew durch den Tod der Frau etwas gestresst wirkte. Als sie sahen, dass neben ihm Plätze frei waren, baten sie ihn kurzerhand, einen Platz weiter zu rücken.

Vier Stunden dicht an einer Toten

Also saß er die restlichen vier Stunden bis Doha nur wenige Zentimeter von der Toten entfernt, die zuvor von der Crew in Decken eingewickelt worden war. Mitreisende boten seiner Lebensgefährtin einen alternativen Platz an. Laut seiner Aussage erlaubte ihm die Crew nicht, auf einen anderen Sitzplatz zu wechseln, obwohl freie Plätze verfügbar waren.

Nach der Landung wurden die Passagiere angewiesen, sitzen zu bleiben, bis das Rettungspersonal die verstorbene Frau aus ihrem Sitz befreit hatte. Dabei wurden auch die Decken entfernt und der Australier musste die Tote anschauen. Das sei für ihn äußerst traumatisch gewesen. Er versuche das Erlebte nun zu verarbeiten.

Iata gibt Richtlinien vor

Qatar Airways teilte mit, dass sie Kontakt mit dem betroffenen Paar aufnehmen wolle, und entschuldigte sich in den australischen Medien öffentlich für den Vorfall. Gleichzeitig betonte die Airline jedoch, dass die Crew im Einklang mit den geltenden Richtlinien und Verfahren gehandelt habe. Doch welche Vorschriften gelten in solchen Fällen genau? Und wie häufig kommt es vor, dass Passagiere an Bord sterben?

Die jüngste Richtlinie zum Umgang mit Verstorbenen an Bord hat der internationale Luftfahrtverband IATA im Januar 2018 veröffentlicht. Das Dokument mit dem Titel «Death on Board» ist in zwei Teile gegliedert. Der erste Abschnitt befasst sich mit den Maßnahmen bei medizinischen Notfällen. Der zweite Teil enthält Handlungsanweisungen für den Fall, dass der Tod einer Person festgestellt wurde.

Kapitän muss informiert werden

Im ersten Schritt muss, wenn eine Person für tot erklärt wurde oder als tot gilt, der Kapitän des Fluges umgehend informiert werden. Dieser muss den Zielflughafen über den Tod informieren, damit sich die Behörden am vor Ort auf die Ankunft vorbereiten können.

Im Anschluss sieht die Richtlinie vor, dass das Kabinenpersonal die verstorbene Person, sofern möglich, auf einen freien Sitzplatz setzen soll – idealerweise einen mit möglichst wenigen anderen Passagieren in der Nähe. Ist der Flug ausgebucht, muss der Körper so platziert werden, dass weder der Gang noch die Notausgänge blockiert werden.

Verstorbene in Leichensack oder Decken

Die Iata weist darauf hin, dass sich das betroffene Kabinenpersonal bewusst sein sollte, dass es sich um eine äußerst schwierige Situation handelt. Entsprechend einfühlsam sollte auf die Passagiere eingewirkt werden.

Sollte die Airline einen Leichensack an Bord haben, sollte die verstorbene Person darin platziert und der Sack bis zum Hals geschlossen werden. Ist kein Leichensack verfügbar, sollte der Körper mit einer Decke bis zum Hals bedeckt werden. Die Augen der verstorbenen Person sollten geschlossen und der Körper gesichert oder angeschnallt werden.

Reisende sollen vor der Leiche das Flugzeug verlassen

Nach der Landung sollten alle Reisenden, die in keinem Verhältnis zu der Person stehen, das Flugzeug verlassen, während die Mitreisenden bei der Leiche bleiben sollen, bis die Behörden kommen, um den Körper aus dem Flugzeug zu holen. Bodenpersonal sollte den Angehörigen helfen.

Die Richtlinien der Iata sind eine Empfehlung – jede Airline kann eigene Prozesse festlegen, wie mit Verstorbenen an Bord verfahren werden soll. In einer BBC-Dokumentation aus dem Jahr 2014 wurde dem Kabinenpersonal von British Airways in einer Schulung erklärt, dass Verstorbene nicht in einem Waschraum untergebracht werden dürfen. Zum einen sei dies dem Verstorbenen gegenüber unwürdig, zum anderen bestehe die Gefahr, dass der Körper verrutscht und die Tür blockiert.

Rund 1000 Tote im Jahr 2024

Manche Airlines sollen tote Passagiere früher einfach in ihren Sitzen aufgerichtet und so getan haben, als ob diese schliefen. Den Verstorbenen wurde ein Getränk auf den Tisch gestellt, eine Zeitung hingelegt und eine Augenmaske aufgesetzt. Das ist aber heute nicht mehr möglich.

Laut dem American Journal of Emergency Medicine liegt die Sterblichkeitsrate bei medizinischen Notfällen während eines Fluges bei 0,21 Todesfällen pro einer Million Passagiere. Nach Angaben der Iata reisten im Jahr 2024 rund 4,89 Milliarden Passagiere per Flugzeug. Statistisch gesehen wären demnach im vergangenen Jahr etwa 1.000 Menschen während eines Fluges verstorben.