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Flugtest

Was Finnair in der neuen Business Class der Airbus A350 bietet

Schick sieht er aus, innovativ ist er auch - aber bleibt der neue Business-Sitz von Finnair, der mit wenig Elektronik auskommt, auch 13 Stunden lang bequem? Wir haben das auf einem Flug von Tokio nach Helsinki getestet.

Ein Business-Class-Sitz, der über keine elektronisch verstellbare Rückenlehne verfügt? Wie soll das denn funktionieren? Das fragten sich viele – auch ich. Doch die Videos und das Bildmaterial, welches Finnair nach der Präsentation ihrer neuen Air Lounge zur Verfügung stellte, sah überzeugend aus. Wirtschaftlich macht der Sitz auch Sinn. Denn: Weniger Mechanik kostet auch weniger Geld.

Aber ist der Sitz wirklich so bequem, wie er aussieht? Bei Finnair ist das gerade besonders wichtig. Denn: Seit der Invasion Russlands in der Ukraine haben sich die Asien-Flüge der Airline stark verlängert. Flüge nach Japan und Südkorea teilweise um über 4000 Kilometer.

Während die Flugzeuge auf dem Hinflug die südliche Route nehmen, geht es auf dem Rückflug nach Norden. Teilweise fliegt man dabei sogar über den Nordpol – Finnair verteilt dann an die Reisenden ein Nordpol-Zertifikat, berichten mir Mitreisende. Mein Flug führt leider knapp daran vorbei. Ich teste den Sitz eigentlich auf einem Flug von Tokio Haneda nach Helsinki. Doch weil es bei durch Turbulenzen während des Fluges und auch am Flughafen ein paar Besonderheiten gibt, lasse ich auch die Erlebnisse vom Hinflug mit in die Bewertung einfließen.

Buchung/Reservierung: ★★★★★. Finnair kann digital. Ich erledige alles für meine Reise auf dem Handy. In der App lassen sich Flüge buchen, Buchungen ändern und erhalte alle wichtigen Informationen über die Reise frühzeitig. Alle Informationen sind übersichtlich, überladen wirkt nichts. Bei Fragen gibt es einen Chat, der gut funktioniert.

Check-in/Einsteigen: ★★★☆☆. Business-Class-Reisenden steht in Tokio-Haneda ein eigener Check-in-Bereich zur Verfügung. Bei meinem Flug habe ich allerdings etwas Pech. Zwei Schalter sollten für die Business-Class und Gold-Status-Reisenden eigentlich reichen, ohne lange Wartezeiten zu verursachen. Doch als ich ankomme, gibt es bereits eine lange Schlange. Offenbar stehen an beiden Schaltern Passagiere mit speziellen Wünschen oder Problemen, denn sie halten sich dort eine ganze Weile auf.

Nachdem es dann kurz zügig weitergeht, checkt ein Skifahrer-Team inklusive Sondergepäck ein. Und nutzt dafür beide Schalter. Das zieht sich in die Länge, die Wartezeit liegt am Ende bei über 45 Minuten. Das ist auch etwas Pech. Der Check-in auf dem Hinflug ab Helsinki – sowie das gesamte Erlebnis am Heimatflughafen der Airline – lief tadellos ab.


Das Lounge-Menü.

Bei der Sicherheitskontrolle geht dann alles sehr schnell und effizient, ebenso wie bei der Passkontrolle. In Tokio-Haneda haben Reisende der Finnair Zugang zur Lounge von Japan Airlines. Toll an der Lounge ist der Blick aufs Vorfeld. Aufgrund der langen Wartezeit beim Check-in habe ich leider nicht mehr sehr viel Zeit, den wirklich zu genießen. Aber für ein – wirklich feines – japanisches Beef Curry reicht es. Das Essen bestellt man bei einer Art offener Küche und erhält es dann auf einem Tablett, um es mit zum Tisch zu nehmen. Die Getränkeauswahl ist groß, neben den üblichen Angeboten wie Bier, Wein und Softdrinks gibt es auch verschiedene Sake.

Crew und Service: ★★★★★. Volle Punktzahl für die Crew. Der Service ist persönlich und aufmerksam. Und die Freundlichkeit des Personals wirkt nicht aufgesetzt, sondern wirklich authentisch. Die Flugbegleiterinnen und Flugbegleiter gehen auch auf die individuellen Bedürfnisse der verschiedenen Reisenden hervorragend ein. Allerdings konnte der Service auf dem Testflug die ersten vier Stunden des Fluges kaum stattfinden, weil es starke Turbulenzen gab.

Nach dem Aperitif war daher erst einmal Schluss und die Crews mussten Platz nehmen, abgeräumt wurde daher nicht mehr. Doch den Rest des Fluges sind sie auch in der Nacht sehr aufmerksam. Regelmäßig läuft außerdem jemand durch die Kabinen, bietet Snacks, Obst und Getränke an. Auf dem Hinflug war es nicht ganz so wackelig und es gab nicht nur einen, sondern zwei Aperitifservices vor dem Abendessen, auch hier ging man sehr gut auf die Bedürfnisse der verschiedenen Passagiere ein.

Kabinenausstattung: ★★★★★. Die Kabine des Airbus A350 von Finnair ist in der Business Class in einer 1-2-1-Konfiguration bestuhlt. Es dominiert die Farbe Dunkelblau, was eine ruhige und angenehme Atmosphäre schafft. Die Materialien sind hochwertig, ebenso wie das eingesetzte Lichtkonzept. Alles ist durchdesignt und entspricht dem Markenbild einer modernen Airline, die nicht auf Schnörkel setzt. Für die Business Class stehen drei Toiletten zur Verfügung. In der hinteren Bordküche gibt es zudem eine kleine Auswahl an Snacks und Getränken zur Selbstbedienung. In den großen Gepäckfächern ist genug Platz für das Handgepäck.

Sitz: ★★★★★. Meine Erwartungen waren nicht überzogen. Die Air Lounge von Finnair ist eine tolle Innovation, die tatsächlich eher das Gefühl eines Loungesessels vermittelt als das eines Flugzeugsitzes. Ich persönlich lümmele auf Langstreckenflügen (aber auch im Büro und immer, wenn ich sitzen muss) meistens im Schneidersitz oder mit herangezogenen Knien herum. Dafür eignet sich der Sitz perfekt. Aber man kann auch gerade sitzen und den Tisch zum Arbeiten nutzen. Elektrisch verstellbar ist nur die Fußstütze, welche die Liegefläche ergänzt.

Die fehlende Elektronik am Rest des Sitzes spart nicht nur Gewicht, sondern sie schafft auch viel Platz, den man als Reisende anders nutzen kann. Außerdem läuft man nicht Gefahr, sein Telefon oder Tablet in irgendwelchen Sitzritzen zu verlieren und zu zerstören.


Der Sitz bietet viel Stauraum.

Stauraum für Taschen und Laptops ist sowohl in Fächern um den Sitz herum als auch unter der Fußstütze vorhanden. Die Beleuchtung ist auch beim Sitz wirklich angenehm. Es gibt eine Leselampe und ein größeres Licht, nichts davon ist aber grell. Ganz hell erleuchten kann man seinen Sitz über das Unterhaltungssystem – wie ich zufällig herausfinde. Die Funktion ist wohl dann wichtig, wenn man etwas sucht.

Für die Nacht erhält man eine Matratzenauflage. Zudem gibt es zwei Kissen – auf Wunsch auch mehr – sowie eine warme und gemütliche Decke aus angenehmem Material. Obwohl ich eigentlich selten an Bord schlafe, schaffe ich auf diesem Flug fast vier Stunden. Das liegt wohl auch daran, dass der Sitz – obwohl er keine Tür hat – viel Privatsphäre schafft und die Materialien der Sitze eine Art Geräuschdämmung haben.


Das Nicht-Stören-Licht.

Per Knopfdruck kann man das Bitte-nicht-stören-Zeichen einschalten, wenn man gern in Ruhe gelassen werden möchte. Platz zum Umdrehen und auf der Seite schlafen gibt es genug. Mit der Länge des Sitzes habe ich dank meiner Körpergröße sowieso nie ein Problem. Ein Mitreisender auf meinem Anschlussflug versichert mir, dass man auch als Mann über 1,85 Meter genug Platz hat.

Der Sitz erhält daher die volle Punktzahl von mir. Von der Crew erfahre ich, dass vor allem Frauen und jüngere Männer den Sitz lieben. Bei einigen Reisenden komme es nicht so gut an, dass man die Rückenlehne nicht elektronisch verstellen kann. Die meisten würden aber so gut schlafen, dass sie ihre Meinung nach dem Flug änderten (dazu zählt übrigens auch mein Mitreisender vom Anschlussflug). Für ältere Menschen sei das aufsitzen mit der fehlenden Elektronik manchmal nicht so einfach wie mit einer verstellbaren Rückenlehne. Doch da würde dann die Crew gerne helfen.

Sauberkeit: ★★★★★. Volle Punktzahl, alles ist blitzsauber und auch nach zwölf Stunden Flug sind die Toiletten sauber – leider keine Selbstverständlichkeit.

Mahlzeiten: ★★★★★. Direkt nach dem Einsteigen gibt es einen Aperitif. Ich nehme ein Glas Champagner. Kurz nach Abflug wird dann noch ein Aperitif serviert – ich nehme einen Wodka Soda, zu dem ich noch ein paar Nüsse bekomme. Nach vier Stunden starkem Gewackele gibt es schließlich dann auch das Abendessen. Ich entscheide mich für ein vegetarisches Katsu-Schnitzel mit japanischer Currysauce (schon wieder, aber ist halt lecker). Das schmeckt wirklich hervorragend. Ebenso wie die beiden kalten Vorspeisen: Caprese-Salat und Huhn mit Miso-Sauce. Statt Dessert nehme ich eine Käseplatte. Auch wenn die Crew fragt, ob ich nicht doch noch etwas Süßes will – Es ist bereits zwei Uhr morgens Ortszeit und ich möchte gern versuchen, zu schlafen. Lehne also ab.

Zwischendurch bietet die Crew immer wieder Snacks an. Ich nehme dann doch noch etwas Süßes, bevor ich mich schlafen lege –  und weil es mich nostalgisch stimmt: Eine Packung Mini-Tropifrutti von Haribo.

Die Suppe aus dem Snack-Menü.

Rund zwei Stunden vor der Landung in Helsinki wird Frühstück serviert. Doch meine innere Uhr hat darauf nicht so wirklich Appetit. Die Landung erfolgt um drei Uhr morgens (eine Stunde früher als geplant, eine Folge der auch von Rückenwind verursachten Turbulenzen). Und in Tokio ist Mittagszeit. Da ich trotzdem ein bisschen Hunger habe, nehme ich eine rund-um-die-Uhr-taugliche Fertig-Ramen-Suppe aus der Snackauswahl. Und einen Cappuccino.

Unterhaltungssystem: ★★★★★. Auch hier ist alles sehr durchdacht. Was mir besonders gefällt: Auf einer Übersichtsseite wird der Ablauf des Service auf dem Flug genau angezeigt. Wann wird Essen serviert? Wann gehen die Lichter aus? Passend dazu kann man sich dann das Menü oder die Filmauswahl anzeigen lassen. Auch Informationen über Anschlussflüge werden schon frühzeitig auf dem Bildschirm angezeigt.

Die Filmauswahl ist sehr vielfältig. Auch viele Klassiker, Studiofilme und Klassiker aus allen Ländern sind zu sehen. Mein Kollege, der sich gerne Bollywood-Filme im Flugzeug anschaut, wäre hier definitiv auf seine Kosten gekommen. Ich entscheide mich für den Oscar-Gewinner «Everything, Everywhere, All At Once» und schaue danach noch ein paar Folgen der Krimiserie «The Closer». Zusätzlich gibt es eine Auswahl an Musikalben, Podcasts und Spielen.

Die Übersicht zeigt, wann was passiert.

Zur Verfügung gestellt werden von Finnair Kopfhörer, welche die Umgebungsgeräusche herausfiltern. Das funktioniert sehr gut.

Wifi/Strom: ★★★☆☆. Gemischter Eindruck in dieser Kategorie. Was die Lademöglichkeiten angeht, ist das Angebot super. Es gibt sogar die Möglichkeit, seine Geräte kabellos zu laden. Ebenso gibt es Anschlüsse für Kabel aller Art. Doch das Internetangebot ist insofern enttäuschend, dass der Preis von rund acht Euro pro Stunde und rund 25 Euro für den ganzen Flug ziemlich hoch liegt. Zumal man, wenn man einmal eingeloggt ist, seinen Code nicht für ein zweites Gerät verwenden kann. Das ist eigentlich bei den meisten Airlines Usus – wenn sie nicht sogar schon gewisse Wifi-Pakete gratis anbieten. Ich kaufe also für insgesamt fast 50 Euro Internet für meinen Computer und mein Handy.

Damit kann ich zwar arbeiten, aber datenintensive Aufgaben wie das Hochladen von Bildern gehen mit dem Internetzugang dann doch nicht. Dass das Internet nicht überall verfügbar ist, ist auf längeren Flügen normal und gibt keinen zusätzlichen Abzug. Positiv fällt auf: Finnair zeigt auf einer Karte, wo die Funklöcher sich befinden.

Extras: ★★★★☆. Das Amenity Kit von Finnair ist von Marimekko designt und entsprechend schick. Auf den ersten Blick wirkt es allerdings ziemlich spärlich. Eine Schlafmaske, Ohrstöpsel und eine Zahnbürste mit einer kleinen Zahncreme sind enthalten. Letztere kommt von der Marke The Humble Co. und kann bis zu drei Monate verwendet werden, schreibt Finnair. Die Airline weist außerdem darauf hin, dass Reisende die Dinge, die sie aus dem Paket nicht brauchen, der Crew geben können, damit diese wiederverwendet werden – im Sinne der Nachhaltigkeit.

Informationen zum Amenity Kit im Bordmenü.

Im Sinne der Nachhaltigkeit ist auch das dünne Amenity Kit zu verstehen. Denn zwar sind dort keine Socken oder Pflegeprodukte enthalten. Doch in der Erklärung im Bordmenü ist zu lesen, dass man auf Nachfrage eine Auswahl anderer Artikel erhalten kann. Ich frage nach warmen Socken und erhalte diese auch. Pflegeprodukte der Firma See befinden sich in den Waschräumen. Ein Pluspunkt: Die Pantoffeln der Airline sind schicker als bei vielen anderen.

Gesamtnote: 4,5 – Sehr gut
(Skala: Sehr gut = über 4,5, Gut = 3,7 bis 4,4, Befriedigend = 2,7 bis 3,6, Schlecht = 2,0 bis 2,6, Sehr schlecht = unter 2,0)

Fazit: 13 Stunden an Bord – das ist eine ganze Weile. Das angenehm zu gestalten, ist Finnair gelungen. Und das ist alles andere als selbstverständlich, auch in der Business Class. Ich habe mich trotz Gewackele und sehr früher Ankunftszeit wohl und einigermaßen erholt gefühlt. Wirklich toll ist das Design der Kabine. Mich spricht die schlichte Eleganz und das dominierende dunkelblau sehr an.

In der oben stehenden Bildergalerie sehen Sie weitere Bilder des Flugtests. Ein Klick aufs Bild öffnet die Galerie im Großformat.

Der Testflug verursachte 1090 Kilogramm CO2. Wie bei allen Dienstreisen reduzierte aeroTELEGRAPH diese Emissionen über den Partner Myclimate durch Maßnahmen zum Vermeiden, Verringern oder Beseitigen von Treibhausgasemissionen außerhalb der eigenen Wertschöpfungskette (Beyond Value Chain Mitigation).

Das Flugticket für den Test wurde von der Fluggesellschaft zur Verfügung gestellt. aeroTELEGRAPH hatte beim Urteil trotzdem freie Hand. Die Fluggesellschaft nahm weder Einfluss auf den Inhalt des Artikels noch stellte sie irgendwelche Bedingungen. Das würde dem Verhaltenskodex von aeroTELEGRAPH widersprechen.