Selber fliegen
So kontrolliert man den Flieger vor dem Flug
Vor dem Start gehen Piloten um ihr Flugzeug und prüfen es auf seinen Zustand. Wie sieht eine solche Vorflugkontrolle bei einem Kleinflugzeug aus?
Privatflugzeug: Vor dem Start ist eine genaue Kontrolle wichtig.
Privatflugzeug: Vor dem Start ist eine genaue Kontrolle wichtig.
Wir alle kennen es: man steht vor dem großen Terminalfenster an seinem Gate und schaut auf das Flugfeld, auf dem sich (hoffentlich) das Flugzeug für den bevorstehenden Flug befindet. Der Pilot steigt die Leiter an der Fluggastbrücke ab und inspiziert das riesige Flugzeug. Für die Sicherheit beim Fliegen ist die sogenannte Vorflugkontrolle das A und O. Trotz vermeintlicher Routine, hilft eine Checkliste dabei, den Flug sauber starten zu lassen.
Doch was bedeutet das überhaupt und wie sieht eine solche Prüfung bei einem Kleinflugzeug aus? Der durchschnittliche Privatpilot (wir sprachen letztes Mal über die verschiedenen Lizenzarten) besitzt kein eigenes Flugzeug, sondern mietet es sich beim Luftsportverein oder beim Vercharterer. Jene kümmern sich auch um die Wartung und Instandhaltung der Flugzeuge, was jedoch nicht heißt, dass man sämtliche Checks weglassen kann. Im sogenannten Flughandbuch legt der Hersteller des Flugzeugs fest, welche Kontrollen vor jedem Flug vorzunehmen sind. Diese, ergänzt mit einigen weiteren Maßnahmen, helfen vorzubeugen und sorgen für einen optimalen Flugablauf. Als Gast bei einem (Rund)flug lässt der Pilot sich auch gerne über die Schulter schauen und erklärt die Schritte auch gerne ausführlich in ihren Einzelheiten.
Auch wir schauen uns nun die Kontrolle in ihren Einzelheiten an – natürlich aus Sicht eines Fluggastes.
Einmal drum herum – die Sichtprüfung
Begonnen wird mit der Sichtprüfung. Vergleichbar mit jener, die der Autobesitzer nach einem längerem Urlaub an seinem Auto unterzieht. Man zieht seinen Flieger für optimale Lichtverhältnisse aus dem Hangar und macht sich einen ersten Eindruck. Gibt es Beulen an den Flügeln oder am Rumpf? Hier schaut man auch durchaus penibel auf leichte Ungereimtheiten, um etwaige Strukturschäden abzuwehren. Als nächstes steht das Fahrwerk an, wo man nach dem Luftdruck und den Rutschmarken schaut. Niedriger Luftdruck bedeuten höheren Verschleiß, während ein hoher Luftdruck das Fahrwerk stärker belastet. Anschließend schaut man nach den Bremsen, den Federn und vielen weiteren Details.
Ist das Fahrwerk in Ordnung geht es direkt weiter an das Herz des Fliegers: den Motor. Luftfilter und Ölstand werden gecheckt, der Propeller wird auf mögliche Schäden und einen festen Sitz geprüft. Neben dem Ölstand muss natürlich auch der Treibstoff geprüft werden. Nicht selten steht ein Flugzeug den ganzen Sommer über auf dem Vorfeld. Deswegen schaut man, ob sich Kondenswasser im Treibstoff befindet. Erkennen lässt sich das ganz leicht, da sich das Wasser aufgrund der höheren Dichte am Boden absetzt. Das sogenannte drainen wird jedoch durchgeführt, bevor das Flugzeug aus dem Hangar gezogen oder bewegt wird. Andernfalls kann sich durch die Bewegungen das Wasser im Treibstoff verteilen.
Beweglichkeit und Geschwindigkeit
Der Pilot hat also nun schon nach Beulen und einem standfestem Propeller geschaut. Was fehlt? Richtig, das Höhen-, Seiten- und Querruder sowie die Klappen. Beim Seitenruder handelt es sich eine Fläche am hinteren Ende des Flugzeuges, mit dem sich das Flugzeug um die vertikale Achse drehen lässt (gieren), während sich beim Querruder das Flugzeug um die Längsachse drehen lässt (rollen). Um das vereinfacht darzustellen: das Querruder lässt das Flugzeug, ohne sich nach rechts oder links lehnen zu lassen, in eine andere Richtung navigieren. Beim Seitenruder, oft in gemeinsamer Verwendung mit dem Querruder, legt sich das Flugzeug geschmeidig in die Kurve.
Man kennt das von dem Manöver direkt nach dem Start im großen Flieger. Das Höhenruder dient dazu, das Flugzeug um die Querachse zu drehen. Dieser auch als Nicken bezeichneter Vorgang bestimmt, ob die Nase des Flugzeugs angehoben oder gesenkt wird. Wichtige Instrumente also, weshalb man hier prüft, ob sich die Ruder frei bis zu den Anschlägen bewegen lassen und ob sie gut gefettet sind. Des Weiteren wird ein fester Sitz der Stoppmuttern geprüft. Zu guter Letzt checkt man das sogenannte Pitotrohr, das sich meist an einer der Tragflächen befindet. Das, nach dem Franzosen Henri Pitot benannte, Rohr dient zur Geschwindigkeitsmessung auf Grundlage der verschiedenen Druckdifferenzen.
Cockpit, Lichtprüfung und persönliche Bereitschaft
Ist der äußere Check beendet, geht es ins Innenleben des Flugzeuges. Man prüft die Funktionstüchtigkeit der Ruder und der Elektronik, testet die Lichter und geht dann später, nach dem Start des Triebwerkes in weitere Checks über, welche sich auf eine stabile Motorleistung und vieles mehr beziehen.
Mit der Überprüfung der technischen Seite ist ein großer Teil der Vorflugkontrolle abgehakt. Ein wichtiger Punkt ist aber noch offen: die menschliche Seite. Als Mitflieger, wie wir es sind, wird man vom Piloten nicht nur auf die Sicherheitsszenarien hingewiesen, sondern auch nach der körperlichen Tüchtigkeit gefragt. Hier sollte man offen und ehrlich sagen, wie man sich fühlt. Ist einem bereits vor dem Flug mulmig, sollte man vielleicht noch einmal darüber nachdenken. Privatpiloten haben eine schöne Faustregel und fragen sich, aber auch mitfliegende Freunde, auf Basis der 100-Prozent-Regel nach dem Wohlbefinden. Bei 100 Prozent ist alles gut und der Flug kann mit einem guten Gefühl starten.
Fazit
Das Fliegen in einem Kleinflugzeug braucht seine Vorbereitungszeit, und da rede ich nicht von der teils mehr als einjährigen Ausbildungsdauer. Technisches Verständnis ist gefragt, wenn man sich an die Kontrolle wagt und das Flugzeug inspiziert. Trotz allmählicher Routine befolgen Piloten die Checkliste, um sich selber (und ihren Mitfliegern) einen angenehmen Flug zu ermöglichen. Den wollen wir alle haben und können ihn sicherlich in Ruhe genießen. Wie das ganze dann aussehen kann, ist in diesem Video schön dargestellt. Always happy landings!
Lars Klein ist freier Kolumnist von aeroTELEGRAPH. Er ist Mitgründer der Mitflugzentrale Wingly. Privatpiloten werden mit Gästen vernetzt, um Leidenschaft aber auch die Kosten des Fliegens zu teilen. Heute fliegt Klein regelmäßig in der Cessna (mit) durch Europa. Vorher war er weltweit als selbstständiger Web-Dienstleister tätig. Die Meinung der freien Kolumnisten muss nicht mit der der Redaktion übereinstimmen.