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Krisen als Konstante

Vier schicksalhafte Momente in Lufthansas Geschichte

Ohne das Ja von Großaktionär Heinz Hermann Thiele hätte Lufthansa Insolvenz anmelden müssen. Es ist nicht das erste Mal, dass der Konzern an einem solchen Scheideweg steht.

Am vergangenen Montag trafen sich in Berlin vier mächtige Männer und besprachen die Zukunft der deutsche Nationalairline. Am Tisch saßen Lufthansa-Chef Carsten Spohr, der deutsche Wirtschaftsminister Peter Altmaier, Finanzminister Olaf Scholz und Großaktionär Heinz Hermann Thiele. Die Politiker und der Manager versuchten den Milliardär zu überzeugen, am Donnerstag (25. Juni) für das Rettungspaket zu stimmen.

Thiele ließ sich zuerst weiterhin nicht in die Karten blicken. Hätte er bei der außerordentlichen Hauptversammlung Nein zum über Wochen mühsam ausgehandelten Hilfspaket gesagt, hätte Lufthansa Insolvenz in Eigenverantwortung anmelden müssen. Doch in allerletzter Minute ließ der Investor am Vorabend des Aktionärstreffens über die Frankfurter Allgemeine Zeitung ausrichten, er werde Ja zur Vorlage sagen.

Es ist nicht das erste Mal, dass Lufthansa vor einer derart weitreichenden Entscheidung steht oder mir tiefen Krisen wie der Covid-19-Pandemie umgehen muss. Die Fluglinie erlebte in ihrer Geschichte immer wieder schicksalhafte Momente, die sie prägten:

Zweiter Weltkrieg: Dunkle Flecken und Niedergang

Formell ist die heutige Lufthansa zwar erst 1953 entstanden. Die Ursprünge des Unternehmens reichen aber bis in die Zwanzigerjahre zurück und zwischen dem neuen und dem alten Unternehmen gab es in der Übergangsphase enge personelle Verflechtungen. 1926 aus der Fusion der Deutschen Aero Lloyd und Junkers Luftverkehr entstanden, wuchs die Deutsche Luft Hansa schnell. Sie baute ihr Streckennetz in atemberaubendem Tempo aus – nicht nur in Europa, sondern in Afrika, Asien und Südamerika. Wirtschaftlich allerdings war sie weniger erfolgreich.

Das änderte sich nach der Machtübernahme von Adolf Hitler. Die Fluggesellschaft sicherte sich die Gunst der Nazis und erlebte so einen Aufschwung. So bestach sie Luftfahrtminister Hermann Göring, damit dieser Subventionen erhöhte. Zudem stellte sie dem späteren Diktator schon im Wahlkampf kostenlos ein Flugzeug zur Verfügung.

Im Verlaufe des Zweiten Weltkrieges geriet sie aber immer mehr zum Spielball der Nazis und wurde de facto zur «Tarnorganisation für eine Aufrüstung zu Luft», wie es der deutsche Historiker Lutz Budrass ausdrückte. In ihren Reparaturwerken beschäftigte Luft Hansa damals zwischen 10.000 und 17.000 Zwangsarbeiter.

Doch der Krieg führte auch zu ihrem Ende: Ab 1943 musste die deutsche Fluggesellschaft immer mehr Strecken einstellen. Am 21. April 1945 führte Luft Hansa ihren letzten Linienflug von Berlin nach Warnemünde durch. 1951 liquidieren die Alliierten das Unternehmen.

Siebziger- und Achtzigerjahre: Entführungen

Nicht zuletzt wegen der linksextremistischen terroristischen Vereinigung Rote Armee Fraktion RAF und deren Verbindungen zu militanten palästinensischen Kreisen kam Lufthansa in den Siebzigerjahren in den Fokus von Flugzeugentführern. Begonnen hatte es mit Flug LH649 am 22. Februar 1972. Die Besatzung wurde auf dem Weg von Delhi nach Athen von palästinensischen Terroristen überwältigt und die Boeing 747 nach Aden im Jemen umgeleitet. Die deutsche Regierung zahlte fünf Millionen Dollar Lösegeld.

Das Ereignis löste eine ganze Welle weiterer Entführungen aus, alleine 1972 folgten drei weitere. Bis 1985 zählte man insgesamt zwölf Hijackings von Lufthansa-Maschinen. Das bekannteste ist das der Boeing 737 mit dem Taufnamen Landshut im heißen deutschen Herbst 1977. Sie endete mit der Operation Feuerzauber. Ein GSG-9-Spezialkommando stürmte am 18. Oktober die Boeing 737-200 von Lufthansa in Mogadishu und befreite alle Geiseln.

Für Lufthansa war es eine schwierige Zeit, in der eine neue Art von Risiko ständig mitflog. Neue Sicherheitsmaßnahmen in Flugzeugen und bessere Technologien an Flughäfen, aber auch politische Veränderungen beendeten jedoch den unangenehmen Boom der Flugzeugentführungen.

9/11: Skeptische Passagiere und hohe Verluste

Vier koordinierte Flugzeugentführungen mit anschließenden Selbstmordattentaten auf wichtige zivile und militärische Gebäude in den USA veränderten am 11. September 2001 die Welt. Von den Attacken durch das islamistische Terrornetzwerk al-Qaida wurde nicht nur der Westen unvorbereitet getroffen, sondern auch die Luftfahrt. Zuerst gab es in den USA ein tagelanges Flugverbot. Und als es wieder aufgehoben wurde, wollte niemand mehr fliegen. Die einst so lukrativen Nordatlantikflüge waren plötzlich halb leer.

Auch bei Lufthansa sorgte das für eine tiefe Krise. Rund 50 Millionen Euro Umsatz gingen ihr damals wegen der Zurückhaltung der Reisenden wöchentlich verloren. Der Konzern reagierte mit einem Sparprogramm. Eine vorgeschlagene Maßnahme war die Einführung einer Vier-Tage-Woche mit entsprechender Lohnkürzung. Doch das reichte nicht.

Lufthansa legte ein zweites Sparprogramm auf, D-Check akut. Nun wurden sämtliche Ausgabenposten überprüft. Zudem wurden 43 der 236 Flugzeuge stillgelegt. Schon 2004 war der Knick bei den weltweiten Passagierzahlen aber wieder aufgeholt – auch dank neuen Sicherheitsmaßnahmen in der Branche. Lufthansa erholte sich und stieg umso steiler an die Weltspitze auf.

2015: Germanwings-Absturz

Von schlimmen Unglücken blieb Lufthansa lange verschont. Am 20. November 1974 gewann eine Boeing 747 der deutschen Fluggesellschaft jedoch nach dem Start in Nairobi nicht richtig an Höhe. Die Maschine mit dem Kennzeichen D-ABYB stürzte ab und brannte aus. 59 Menschen starben. Es war für lange Zeit die schlimmste Katastrophe, welche die Fluggesellschaft erleben musste.

Das änderte sich im März 2015 mit dem tragischen Germanwings-Unglück in den französischen Alpen. 150 Menschen starben beim Absturz von Flug 4U-9525, ausgelöst durch einen erweiterten Suizid des jungen Kopiloten A. L. Die Katastrophe führte auch zu viel Kritik an Lufthansa und ihrer Rekrutierung sowie der medizinischen Kontrolle ihres Personals. Insgesamt hat der Konzern  aber transparent und ehrlich kommuniziert und so einen dauerhaften Imageschaden vermieden. Die Krise hat sie so gemeistert.