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Klaus-Dieter Martin, USC

«Ich denke, diese Woche starten die ersten Flüge»

In Deutschland steht eine neue Airbus-A340-Betreiberin unmittelbar vor dem Start. USC-Chef Klaus-Dieter Martin spricht im Interview über seine Vierstrahler, über Vorbesitzerin South African Airways und über die Chancen am Passagier- und Frachtmarkt.

USC hat ein Luftverkehrsbetreiberzeugnis und auch ihren ersten Airbus A340-300. Wann startet der Betrieb? 
Klaus-Dieter Martin*: Wir haben am Freitag am Flughafen Hahn eine Platzrunde gedreht mit dem Flugzeug – das war der sogenannte Maintenance Flight nach dem «Out of Parking». Wir warten nur noch auf ein Datenbank-Update für das Flight Management System vom Hersteller Honeywell. Ich denke, diese Woche starten die ersten Flüge.

Ihre Airline vermietet das Flugzeug im Wet-Lease. Wer ist ihr erster Kunde?
Wir bieten Wet-Lease und Vollcharter an. USC kann flexible und schnell auf Kundenwünsche regieren. Wir haben noch keinen Vertrag abgeschlossen, da wir noch auf das Update von Honeywell warten. Aber wir haben viele Anfragen. Etwa für Militärtransporte, für zivilen Vollcharter, aber auch von Airlines. Von Deutschland nach Saudi-Arabien zum Beispiel. Oder von Istanbul nach Mexiko. Und wir erwarten bald eine Absichtserklärung für einen Auftrag, ein Jahr lang von Spanien nach Südamerika zu fliegen. Vieles ist allerdings auch nicht machbar – zum Beispiel eine Anfrage, fünf Mal pro Woche vom Irak nach Kabul zu fliegen.

Sie haben den Airbus A340-300 von South African Airways SAA gekauft, ebenso einen A340-600. Wann erwarten Sie diesen zweiten Flieger?
Technisch ist der A340-600 bereit. Wann wir ihn übernehmen, hängt von South African Airways ab, weil sie die Papiere noch nicht fertig haben. Und wir akzeptieren das Flugzeug nicht, bis SAA nicht alle Papier lückenlos beibringen kann.

Auch der A340-600 soll dann zunächst als Passagierflieger starten, aber dann zum Frachter umgebaut werden.
Alle unsere Flugzeuge werden nach und nach zu Frachtern umgewandelt. Der A340 ist kein Passagierflieger mehr, die Zeiten sind vorbei. Da viele Airlines in der Pandemie aber Flugzeuge schnell stillgelegt haben, gibt es aber aktuell einen Mangel an Langstreckenflugzeugen – und daher können wir sie übergangsweise so einsetzen, bis unser Partner Avensis Aviation die ergänzende Musterzulassung für den Umbau hat. Für Passagierflüge wurden wir dann etwas Wirtschaftlicheres einsetzen.

Wir haben als Vollcharter-Kunde mehr als 1000 Flüge durchgeführt.

Und wie lange bleibt der A340-300 im Passagierbetrieb?
Wahrscheinlich zwei, drei Jahre. Der Flieger ist technisch in einem hervorragenden Zustand und es wäre Unsinn, einen gut eingeflogenes Flugzeug als Erstes in die Cargoumrüstung zu schicken. Denn wir bekommen ja noch mehr Flugzeuge. Und einen der nächsten A340-300 werden wir dann direkt in den Cargobetrieb schicken, während wir den aktuellen A340-300 noch etwas im Passagierbetrieb weiterlaufen lassen.

Wie viele weitere Flugzeuge bekommen Sie denn noch?
Das hängt im Wesentlichen von der Entwicklung ab. Für den Fall, dass es gut läuft, haben wir uns Optionen für weitere A340 gesichert.

Kommen alle von SAA?
Ja, im Moment sieht es noch so aus, dass sie alle von SAA sind.

Und alle sind A340 -300 und -600?
Ja.

Mittelfristig setzten Sie also aufs Frachtgeschäft. Aber den großen Boom haben Sie doch gerade verpasst.
Nein, haben wir nicht, das war unser Sprungbrett. Wir haben in der Corona-Zeit gute Geschäfte gemacht und gutes Geld verdient. Denn wir haben mit USC – damals nicht als Airline, sondern als Logistikunternehmen – selber Flugzeuge gechartert von der spanischen Wamos Air. Wir haben als Vollcharter-Kunde mehr als 1000 Flüge durchgeführt und Dinge wie Masken transportiert. Und wir haben in dieser Zeit exzellente Beziehungen zu Kunden in China aufgebaut. Wir haben dort einen sehr guten Namen. Und irgendwann haben wir uns gedacht: Eigentlich können wir das auch alles selber machen.

Wir sind ein Start-up und machen günstige Preise.

Und dann haben Sie A340 gekauft. Warum gerade einen Vierstrahler mit hohem Treibstoffverbrauch?
Die anderen großen Frachtflieger sind Boeing 747-400 und Boeing 777. Aber eine 777 F zu kaufen kostet rund 150 Millionen Dollar, so viel Geld haben wir nicht. Und die 747-400 bin ich als Kapitän selber lange geflogen. Wenn man mit der von Hongkong nach Köln oder Lüttich fliegen will mit 100 Tonnen Fracht, muss man erstmal einen Tankstopp einlegen, etwa in Baku. Wenn man das Gleiche mit dem A340 macht, braucht man 20 Prozent weniger Sprit und fliegt nonstop durch. Natürlich werden eine Boeing 747 oder eine Antonov An-124 für schwere und übergroße Fracht unersetzlich bleiben. Aber wir wollen uns auf E-Commerce mit kleineren und leichteren Waren konzentrieren, Volumen-Cargo also, und da bietet der Airbus A340-600 mit seinem langen Rumpf sogar mehr Paletten-Positionen als eine Boeing 747-400.

Was heißt das genau?
In der derzeitigen Planung rechnen wir beim umgebauten A340-600 mit 33 PMC-Paletten-Positionen im Oberdeck und 14 im Unterdeck. Das kann sonst nur der in der Umrüstung befindliche Boeing 777-300 ERF – aber die ist für ein Start-up eben zu teuer. Das können sich etablierte Airlines leisten, die auch ganz andere Leasing- und Finanzierungskonditionen bekommen als eine neu gegründete USC.

Und was ist mit dem A330 als Umbaufrachter? Die Elbe Flugzeugwerke bieten ja etwa eine Umrüstung.
Der A340-300 hat ein 40 Tonnen höheres maximales Abfluggewicht als der A330-300. Wer einen A330-300 als Cargoflieger kaufen will, zahlt dafür heute außerdem rund 40 Millionen Euro. Das ist ein ganz anderer Kapitaldienst, als wir ihn haben mit unseren Flugzeugen, die relativ günstig bekommen haben. Wir müssen zwar noch ein Cargotor einbauen. Aber unser A340-Umbau wird nicht so aufwändig wie der A330-Umbau der Elbe Flugzeugwerke. Die setzen auf einen Schwerlast-Cargo-Boden In, mit dem man 10-Tonnen-Paletten laden kann. Uns reichen für den E-Commerce aber 5-Tonnen-Paletten völlig aus und daher müssen wir nicht den ganzen Boden verstärken. Unter dem Strich bleiben wir bei einem Drittel oder Viertel der Kosten eines A330-300-Frachters.

Zuerst werden Sie Ihre A340 aber im Passagierbetrieb einsetzen. Wie sieht Ihre Rechnung da aus?
Ein A340 ist im Passagierbetrieb eigentlich nicht konkurrenzfähig gegen einen A330. Aber im Moment herrscht so ein Mangel, dass wir die Flugzeuge überbrückungsweise so einsetzen können. Und wir sind ein Start-up und machen günstige Preise. Ich kenne Firmen, die für einen A330 im Wet-Lease 8000 bis 9000 Dollar pro Stunde verlangen. Da liegen wir deutlich drunter. Daher ist es nicht schlimm, wenn das Flugzeug etwas mehr Sprit verbraucht. Dabei sind unsere Kapitalkosten so niedrig, weil wir die Flugzeuge gekauft haben aus eigenem Geld und sie nicht leasen. Daher sind wir aktuell konkurrenzfähig. Aber sollten wir uns entscheiden, langfristig im Passagiergeschäft zu bleiben, würden wir uns auch A330 anschaffen.

Sie sagen «wir» und «aus eigenem Geld». Wer sind die Investoren?
Neben mir noch zwei Deutsche und ein Spanier, alles Privatleute.

Einige europäische Langstreckenanbieter haben keine gute Figur gemacht, etwa bei Condor.

Nochmal ein Blick auf die Konkurrenz: Auf dem Wet-Lease-Markt gibt es ja durchaus schon große Anbieter, wie etwa Avia Solutions.
Der Großteil von deren Flotten besteht aber aus Kurz- und Mittelstreckenflugzeugen. Wir gehen auf die Langstrecke als einziger deutscher Anbieter. Und einige europäische Langstreckenanbieter haben keine gute Figur gemacht, etwa bei Condor.

Warum eigentlich die Entscheidung für Deutschland als Standort? Der Trend geht gerade Richtung Malta, sogar Eurowings hat dort nun eine Tochter.
Zuerst einmal sind wir ein deutsches Unternehmen. Und das ist zusätzlich auch immer noch ein gutes Markenzeichen. Außerdem gilt: Wer nur innereuropäisch fliegt, kann sein AOC Luftverkersbetreiberzeugnis überall in Europa haben. Aber wenn man nach China fliegen will mit einem Luftverkersbetreiberzeugnis aus Malta, bekommt man Streckenrechte nur nach Malta – und in Malta braucht niemand jeden zweiten Tag 100 Tonnen E-Commerce. Dann müsste man von China erst nach Malta fliegen, dort aus verkehrsrechtlichen Gründen landen, und dann weiter, etwa nach Köln oder Lüttich. Denn außereuropäisch gelten immer noch bilaterale Verkehrsrechte. Das sind die Gründe, warum wir uns für den teureren Standort mit teureren Gehältern entschieden haben.

Und wie viel Mitarbeitende haben Sie zurzeit?
Etwa 50, aber jede Woche kommen neue hinzu.

Ihr A340-300 steht derzeit am Flughafen Hahn, aber sie haben nun auch mehrmals Köln erwähnt.
Im Wesentlichen bestimmt der Kunde, wohin seine Flüge gehen sollen. Der Flughafen Hahn ist als Basis beim Luftfahrtbundesamt gemeldet und ist uns gegenüber sehr aufgeschlossen. Wenn wir Frachtflüge aufnehmen, ist Köln/Bonn als großer, leistungsfähiger Flughafen mit guter Anbindung auch sehr attraktiv.

Klaus-Dieter Martin und der erste Airbus A340-300. Bild: Dirk Grothe, Montage aeroTELEGRAPH

Klaus-Dieter Martin, geboren 1964 im südafrikanischen Johannesburg, war 18 Jahre lang als Pilot bei LTU in München und Düsseldorf tätigt. Anschließend flog er unter anderem für Cathay Pacific, die italienische Eurofly, Brussels Airlines, Air Cargo Germany und Air Cargo Global. Später war Martin an der Wasserflugzeug-Airline European Coastal Airlines in Kroatien beteiligt. Neben USC baut er gerade eine neue Wasserflugzeug-Fluglinie auf den Balearen auf.