Sebastian Ebel, Tui Group
«Tui braucht Boeing 737 Max 10, um mit Airbus A321 mithalten zu können»
Tui-Chef Sebastian Ebel erklärt im Interview, warum der Reisekonzern eigene Airlines braucht, wie sich die Boeing 737 Max schlägt, was er von Kompensieren hält - und was Tui mit der Beliebtheit der Kapverden zu tun hat.
Sebastian Ebel: «Wenn wir eine neue Destination erschließen und dort Hotels bauen, brauchen wir auch die Sicherheit, dass es ein stabiles Flugangebot gibt.»
Sebastian Ebel: «Wenn wir eine neue Destination erschließen und dort Hotels bauen, brauchen wir auch die Sicherheit, dass es ein stabiles Flugangebot gibt.»
Es gibt dieses Sprichwort: Willst Du Millionär werden, sei Milliardär und kaufe eine Airline. Tatsächlich sind die Margen schmal und das Airlinegeschäft ist alles andere als krisenfest. Wieso macht Tui trotzdem mit?
Sebastian Ebel: Zuerst einmal ist es erwiesenermaßen möglich, erfolgreich zu sein im Fluggeschäft. Und für uns ist dieses Geschäft einfach wichtig, um unsere Kapazitäten, die wir in der Hochsaison brauchen, zu bedienen. Die Airline ist für uns Teil des Gesamtangebots.
Insgesamt sind es fünf – gibt es da kein Potenzial, effizienter zu werden?
Auf der operativen Seite ist das Airlinegeschäft bei uns mittlerweile hochintegriert. Es ist letztendlich eine Organisation. Beim Flugplan, den Zielen, bei Verkauf und Marketing sind die Fluggesellschaften unabhängig und das macht aufgrund der verschiedenen Märkte und Reiseziele der Gäste auch viel Sinn. Aber wir betreiben es als eine Fluggesellschaft mit gemeinsamem Betrieb, gemeinsamer Wartung, gemeinsamem Einkauf – einfach mit fünf AOCs.
Wie wichtig ist die Airline denn im Gruppen-Kontext?
Sehr. Wir haben mit Marco Ciomperlik den Verantwortlichen unseres Fluggeschäfts in das Group Executive Committee berufen, weil die Airline eine große Bedeutung hat – der Flug ist ein wichtiger Teil des Reiseerlebnisses für den Gast und seinen Urlaub mit Tui. Wie wertvoll es ist, eine eigene Fluggesellschaft zu haben, hat sich in den vergangenen Monaten im Flugchaos gezeigt. Trotz der Unregelmäßigkeiten in England im Mai haben wir mehr als 96 Prozent der Gäste innerhalb des wichtigen Drei-Stunden-Fensters ans Ziel gebracht. In Deutschland mussten wir keinen Flug ausfallen lassen. Wenn bei einer Linien-Fluggesellschaft ein Flug ausfällt, dann ist das natürlich auch nicht gut. Aber bei uns hängt oft der ganze Jahresurlaub dran: der Flug, das Hotel, das Mietauto. Die Notwendigkeit und unser Anspruch, die Flüge durchzuführen, ist also viel höher. Und mit einem eigenen Produkt haben wir das selbst in der Hand und können es eher garantieren.
Die Marke Tui hilft, neue Flugziele zu entwickeln.
Und wieso gelang Ihnen das besser als anderen?
Wir hatten umfangreiche Ersatz-Kapazitäten eingeplant, um bei den Problemen schnell reagieren zu können. Das hat zwar viel Geld gekostet, war aber wichtig, um die Gäste auch wirklich ans Ziel zu bringen. Und ich muss sagen, dass die Mitarbeitenden gut mitgezogen haben. Die Identifikation der Mitarbeitenden mit dem Produkt und Tui ist sehr hoch. Deshalb steht die Marke sehr prominent auf dem Flugzeug.
Weil die Marke auch sonst bekannt ist?
Die Marke Tui hilft, neue Flugziele zu entwickeln. Wir bieten Service aus einer Hand für den Gast: Beratung, die Anreise zum Urlaubsort und das Urlaubserlebnis im Hotel, auf dem Schiff, im Urlaubsland. Ein anderer wesentlicher Aspekt: Wenn wir eine neue Destination erschließen und dort Hotels bauen, brauchen wir auch die Sicherheit, dass es ein stabiles Flugangebot gibt. Der Erfolg der Urlaubsdestination Kapverden ist ein gutes Beispiel. Da waren wir wesentlich beteiligt: Es wurden die ersten Hotels von Tui und Riu gebaut und wir haben die Flugrouten gestartet.
Es liegen harte Jahre hinter der Reisebranche – und hinter Tui. Sind Sie mit der Kostenstruktur jetzt zufrieden?
Ja, die Einführung der Boeing 737 Max hilft dabei natürlich auch. Wir hatten mit 15 Prozent Einsparungen geplant, jetzt sind es deutlich mehr. Das ist nicht nur im Sinne der Nachhaltigkeit wichtig, sondern auch betriebswirtschaftlich.
Dann hat Boeing ein Problem. Auch mit uns.
Sie haben auch Boeing 737 Max 10 bestellt. Aber noch ist die Zukunft des Modells ungewiss. Sind Sie zuversichtlich, dass Boeing den Jet baut?
Eins ist klar: Wir brauchen die Max 10, um mit dem Airbus A321 mithalten zu können. Und ich gehe davon aus, dass Boeing seine Verpflichtungen erfüllt.
Das sagen alle Kunden. Aber was, wenn Boeing das nicht tut?
Dann hat Boeing ein Problem. Auch mit uns.
Das Ziel ist aber weiterhin, auf Boeing zu setzen?
Das Ziel ist, dass Boeing seinen Verpflichtungen nachkommt, und sonst werden wir sehen und die Situation bewerten müssen.
Sind Sie denn grundsätzlich zufrieden mit den 737 Max, die bereits in der Tui-Flotte unterwegs sind?
Die Max 8 ist, was den Kerosinverbrauch angeht, ein sehr gutes Flugzeug. Was die Ersatzteilversorgung angeht, gibt es noch Raum für Verbesserungen.
Boeing 737 Max von Tuifly. Bild: Luca Laumann
Wie schlimm ist es denn mit dem Mangel an Ersatzteilen generell?
Da müssen Boeing und alle Partner der Versorgungskette besser werden.
Das haben Sie jetzt sehr diplomatisch ausgedrückt.
Es ist so. Was aber auch stimmt: Unser Operations-Center muss kontinuierlich Ersatzszenarien vorbereiten, um die mangelnde Leistung in dem Bereich auszugleichen.
Aktuell besteht die Tui-Flotte aus 130 Flugzeugen. Sind Sie mit der Anzahl zufrieden?
Aktuell haben wir die Kapazität sehr stark auf das Winterprogramm ausgerichtet und das ist wichtig für unsere Flexibilität und Kostenstruktur. Klar, wenn wir auf der Kundenseite wachsen, kann man sich immer fragen, ob auch mehr Flugzeuge nötig sind. Aber das ist aktuell kein Thema.
Wir sind ein großer Sitzplatzeinkäufer bei Eurowings.
Sind denn jetzt in der ruhigeren Wintersaison alle Flieger im Einsatz?
Ja, das ist heute anders als früher. Da haben wir nicht alle nutzen können. So ist es effizienter. Im Sommer chartern wir bei höherem Bedarf dazu und wir sind Kundin bei vielen anderen Airlines, zum Beispiel auch ein großer Sitzplatzeinkäufer bei Eurowings.
Es gab vor einer Weile Gerüchte über eine engere Zusammenarbeit, vielleicht sogar ein Joint Venture mit Condor. Ist das noch ein Thema?
Nein.
Aber es wurde viel darüber berichtet.
Genau, und die Medien haben manchmal auch Fantasien. Abgesehen davon muss ich aber sagen: Condor macht einen guten Job und ich habe davor größten Respekt. Aktuell haben wir gerade erst die Integration unserer fünf Airlines hinter uns. Ich bin mit der Situation zufrieden.
In Deutschland gibt es sehr gute Partner für die Langstrecke.
Sie fliegen auf der Langstrecke mit Boeing 787 Dreamlinern. Bald wieder ab Deutschland?
Die Langstrecke ist sehr schwierig. Durch den hohen Treibstoffpreis wird sie deutlich teurer und wir haben gesehen, dass bei steigenden Kerosinpreisen immer die Langstrecke überproportional leidet. Denn das schlägt sich auf die Ticketpreise nieder. Und die Menschen fliegen dann zum Beispiel lieber nach Ägypten als in die Dominikanische Republik. In Deutschland gibt es sehr gute Partner für die Langstrecke. In England ist das anders, da brauchen wir für unsere Betten auch Flugsitze.
Also fliegen keine Tui-Dreamliner ab Düsseldorf in nächster Zeit?
Das ist aktuell kein Thema.
Haben Sie gemerkt, dass sich durch die Pandemie die Ziele verändert haben, zu denen die Kundinnen und Kunden fliegen? Oder das Reiseverhalten generell?
Wir haben zunächst denselben Nachholeffekt bemerkt wie auch andere. Die Menschen sind länger verreist und haben sich auch höherwertige Unterkünfte gegönnt, zum Beispiel fünf statt vier Sterne. Der Trend ist intakt, die Menschen wollen reisen. Das haben wir 2022 gesehen.
Dreamliner von Tui Airlines Nederland. Bild: aeroTELEGRAPH
Merken Sie, dass Reisende aus bestimmten Märkten wie Deutschland oder den Niederlanden – wo die Klimabewegung sehr aktiv ist – eher auf andere Transportmittel oder auf grünes Reisen generell setzen?
Das wird sich noch zeigen. Ich glaube, die kommerziellen Rahmenbedingungen ändern sich bei dem Thema. Inzwischen lohnt es sich, in Nachhaltigkeit zu investieren. Wir wollen dabei führend sein und das beste Produkt haben. Und ich bin davon überzeugt, dass wir da auf einem guten Weg sind – weil es uns wirklich wichtig ist.
Und weil es auch neue Kunden anzieht?
Wie sich das auf die Kaufentscheidung auswirkt, müssen wir noch sehen. Aber so wie Gäste gern mit einer Fluggesellschaft fliegen, die zuverlässig ist, wählen sie bald vielleicht das Hotel mit der guten CO2-Bilanz. Das ist ein Teil des Ganzen, was die Kaufentscheidung ausmacht.
Können Ihre Kunden ihren CO2-Ausstoß kompensieren?
Kompensieren ist nicht unser Fokus. Es geht darum, zu vermeiden, nicht zu kompensieren. Denn nur weil wir Zertifikate kaufen, ändert sich ja nicht unser Fußabdruck. Wir wollen aber genau den reduzieren. Und investieren daher auch in Nachhaltigkeit und setzen uns wissenschaftsbasierte Einsparziele. Bei den Flugzeugen haben wir die Investitionen für mehr Klimaeffizienz schon getätigt und stellen auf moderne Boeing 787-8/-9, Boeing 737-8 und Embraer E195-E2 um.
Sebastian Ebel (59) studierte nach dem Abitur Betriebswirtschaft an der Technischen Universität Braunschweig und der Philipps-Universität Marburg. Nach seinem Abschluss als Diplom-Kaufmann begann er seine berufliche Laufbahn bei Salzgitter. Später wechselte er zum Preussag-Konzern, wo er diverse Funktionen ausfüllte. Nach einem kurzen Abstecher kehrte er 1998 da hin zurück. Nachdem Tui Preussag übernommen hatte, kehrte er zum Reiseriesen zurück und war ab 2003 Vorstandsmitglied. Nach einem siebenjährigen Abstecher in andere Branchen ab 2006 kehrte er 2013 zu Tui zurück. Seit 2014 sitzt er im Vorstand, seit dem 1. Oktober 2022 ist er der Vorstandsvorsitzende von Tui.