TIA
Albaniens Tor zur Welt
Reportage vom Tirana International Airport.
Das neue Terminal wurde 2007 eröffnet
Music is in the air am TIA
Erstflug von Wien nach Tirana
Hilfseinsatz nach dem schweren Erdbeben 2019.
Das neue Terminal wurde 2007 eröffnet
Music is in the air am TIA
Erstflug von Wien nach Tirana
Hilfseinsatz nach dem schweren Erdbeben 2019.
Szenenwechsel: Wenige Stunde zuvor bin ich noch selbst an Bord eines Airbus am Weg von Wien nach Tirana gesessen. Die ungarische Billigfluglinie Wizz Air hat Mitte Dezember 2019 ihr Streckennetz ab dem Flughafen Wien ausgebaut und insgesamt neun zusätzliche Strecken aufgenommen. Immer mehr der 42 Verbindungen ab Wien zielen auf Destinationen ab, die einst «Cashcows» von Austrian Airlines waren. Tirana, Pristina, Chisinau, Ohrid, Kiev, Kharkiv, Tuzla oder Yerevan sind nur einige jener südosteuropäischen Flughäfen, auf denen Austrian bislang meist ohne namhafte Konkurrenz gutes Geld verdiente.
Mit dem Einstieg von Wizz Air auf diesen Routen erhöht sich nun der Druck auf die Lufthansa Tochter beträchtlich, denn Tarife von jenseits der 500-Euro-Marke sind seit dem Wizz-Air-Einstieg nicht mehr länger am Markt vertretbar. Als Resultat dessen rasseln die Preise in den Keller wie ein AviationNetOnline-Preisvergleich für Flüge zwischen Wien und Tirana (5.-7. März 2020) zeigt. Während Austrian Airlines seine Handgepäckstarife auf günstige 119 Euro heruntergeschraubt hat, bietet Wizz Air Tickets bereits um unter 30 Euro (beide Ticketvarianten jeweils mit Handgepäck retour) an. Diese Kampfpreise sorgen für starke Nachfrage auf der Strecke – und so mancher Albaner, der bislang per Bus oder Pkw gereist ist, steigt nun auf das wesentlich bequemere Flugzeug als Transportmittel um.
Die Geschichte der Tirana – Wien (VIE) Verbindung geht bereits auf das Jahr 1992 zurück, als Tyrolean Airways erstmals einen Direktflug in die albanische Hauptstadt angeboten hat, Austrian Airlines folgte später. Aufgrund der hohen Beliebtheit – gerade auch wegen des Umsteigeverkehrs in Richtung Nordamerika – rangiert die Destination VIE im Passagierranking des Flughafen Tirana (TIA) bislang schon auf Platz vier (170.534) unter allen angebotenen Destinationen. Mit den drei neuen wöchentlichen Wizz Air Verbindungen wird die geschichtsträchtige Strecke zukünftig weiter an Bedeutung gewinnen, da erstmals Billigflugtarife auf der Strecke zur Verfügung stehen.
Schon der Wizz-Erstflug am 19. Dezember 2019 bestätigte einmal mehr eindrucksvoll, welche Auswirkungen niedrige Flugtarife auf das Reiseverhalten der Menschen haben. Wie bei vielen Wizz-Air-Flügen üblich, war auch dieser Airbus A321 mit 230 Fluggästen bis auf den letzten Platz ausgebucht und die Crew hatte alle Hände voll zu tun, um die Passagiere pünktlich zum Start der Weihnachtsferien in die Heimat zu befördern.
Viele der Passagiere dürften Erstkunden oder besser gesagt – Erstflieger – gewesen sein. Denn so manche Bestimmungen wie in etwa die maximale Handgepäcksgröße oder der Ablauf beim Boarding, dürften für so manchen Fluggast neu gewesen sein, was zu einem leicht verspäteten Abflug in Wien führte. Doch die motivierte, internationale Wizz-Crew gab auf dem kurzen Flug ihr Bestes, um die kleine Verspätung wieder wett zu machen, weshalb Flug W6 2881 kurze Zeit später fast pünktlich in Tirana landete und mit einer Wasserfontäne der Flughafenfeuerwehr begrüßt wurde. Wie bei diesen Anlässen üblich, begrüßte das TIA Flughafenmanagement, vertreten durch Geschäftsführer Constantin von Alvensleben und COO Volker Wendefeuer die ersten Passagiere nach der Landung persönlich am Vorfeld.
Das erfahrene deutsche Vorstandsduo kann bereits auf eine langjährige Erfahrung in Albanien zurückblicken und stand nicht zum ersten Mal für einen Erstflug bereit. Bereits vor mehr als zehn Jahren waren die beiden Flughafenmanager vom früheren Betreiber TAP (Tirana Airport Partners), einem Konsortium bestehend aus den Unternehmen Hochtief AirPort, DEG Deutsche Investitions- und Entwicklungsgesellschaft und dem Albanian-American Enterprise Fund, in ihre Funktion bestellt worden. Nach einer mehrjährigen Unterbrechung wurde nun das frühere Vorstandsduo vom neuen Flughafenbetreiber China Everbright Limited (CEL), einer internationalen Investmentfirma mit Sitz in Hongkong die im Jahr 2016 den Konzession Vertrag von TAP übernommen hat, wieder in den Vorstand des Flughafens berufen.
TIA im Aufwind
Für den Flughafen endete mit der Aufnahme der neuen Wizz-Air-Direktverbindung nach Wien, ein erfolgreiches, wenn auch turbulentes Jahr in seiner inzwischen mehr als 60-jährigen Geschichte.
Zwischen 1955 und 1957 wurde der Flughafen nahe dem Ort Rinas, 17 Kilometer nördlich der Hauptstadt Tirana erbaut und bis in die 60er Jahre hinein von den Fluglinien Aeroflot, JAT, Malev, Tarom und Interflug regelmäßig bedient. Zwischen 1960 und 1978 brach der Flugverkehr am TIA drastisch ein, nachdem der damalige Machthaber Enver Hoxha mit dem Kommunisten politisch brach und sein Land in eine langjährige Isolation führte. Erst mit Beginn der politischen Veränderungen der neunziger Jahre fand Albanien wieder Anschluss an den internationalen Flugverkehr.
Nachdem zahlreiche Investitionen in die Infrastruktur des Flughafens zu tätigen waren, entschloss sich die albanische Regierung im Jahr 2005 dazu, den Betrieb und die Modernisierung des Flughafens einem privaten Betreiber anzuvertrauen. Bereits in den ersten zwei Jahren wurden von TAP Investitionen in der Höhe von 50 Millionen Euro in den Bau eines neuen Zufahrtsstraßensystems sowie eines neuen Flughafenterminals getätigt. Im Jahr 2007 wurde in einer großen Feier der neue, vom malaysischen Architekten Hin Tan entworfene Terminal offiziell seiner Bestimmung übergeben.
Mit seiner hellen und lichtdurchfluteten Architektur bietet der kleine, aber feine Terminal alles, was ein moderner Flughafen heute benötigt. Erst im Mai des vergangenen Jahres wurde ein modernes e-gate Zutrittssystem installiert, bei dem die biometrischen Daten der Passagiere gelesen werden und mittels gültiger Bordkarte der Zutritt in den Abflugs Bereich gewährt wird. Der Terminal verfügt über sechs Gates, eine moderne Shoppingfläche, zahlreiche Gastronomiebetriebe sowie einer überaus charmanten Business Lounge. Die als «Air Lounge» bezeichnete Einrichtung befindet sich im ersten Stock nach der Sicherheitskontrolle und bietet auch Gästen, die kein Business Class Ticket besitzen, gegen eine Gebühr von 15 Euro die Möglichkeit, diese zu nutzen.
Bei der Planung des Terminals hatte man das neue Gebäude für eine maximale Kapazität von bis zu drei Millionen Passagieren ausgelegt. Die Passagierentwicklung ging aber wesentlich rasanter von sich als zunächst angenommen, wie ein Blick auf die jüngsten Statistiken zeigt. Wurden im Jahr 2005 nur 785.000 Fluggäste abgefertigt, so konnten 2019 bereits mehr als drei Millionen Passagiere am Flughafen TIA begrüßt werden. Im Gespräch mit aeroTELEGRAPH blickt Constantin von Alvensleben zufrieden auf die vergangenen Jahre zurück: «Zu dem Zeitpunkt als wir den neuen Terminal im März 2007 in Betrieb genommen haben, hatten wir eine Verkehrsprognose, die wir inzwischen stark übertroffen haben. Gerade in den letzten drei bis vier Jahren ist der Verkehr hier am Westbalkan ja besonders stark angestiegen.»
Die Gründe für das Wachstum sind vielfältig. So konnte die albanische Wirtschaft in den letzten Jahren ein starkes Plus verzeichnen, Motor dieser Entwicklung war der wachsende Tourismus des Landes. Albanien gilt bis heute noch als ein touristisch unentdecktes Land, doch die Zeit bleibt nicht stehen und immer mehr Westeuropäer strömen interessiert in das Land, weshalb im Jahr 2018 die Zahl der internationalen Besucher um 16 Prozent auf 5,9 Millionen Gäste angestiegen ist. Dieses Interesse spiegelt sich naturgemäß auch im Passagierzuwachs (2017: +19,8 Prozent / 2018: +12 Prozent) des Flughafen TIA wider. Auch wenn die Verkehrszahlen von 2019 bislang noch nicht veröffentlicht wurden, so geht Constantin von Alvensleben von einem neuerlichen Passagierzuwachs von mehr als 13 Prozent aus.
Die Passagierzuwächse fanden in den letzten Jahre in allen Bereichen statt. So stieg das Charteraufkommen zwischen Juni und September 2019 um mehr als 50 Prozent an, während gleichzeitig die Zahl der Direktverbindungen der Netzwerkarrier als auch der Low-Coster stark ausgebaut werden konnten. Neben den beiden am TIA beheimateten albanischen Fluglinien Albawings und der Turkish Airlines Tochter Air Albania, haben vor allem die Billigflieger den Flughafen TIA für sich neu entdeckt. Im Jahr 2019 wurden neue Strecken von Air Albania (Rom, Mailand, Bologna), Alba Wings (Dortmund) oder Wizz Air (Memmingen, Wien) aufgenommen, gleichzeitig hat die englische Fluggesellschaft EasyJet ab 28 November mit den Anflug von Mailand und Genf begonnen. Ab 1. Mai 2020 startet EasyJet mit einer weiteren Verbindung nach London-Gatwick während Albawings mit Direktflügen nach Frankfurt und Hamburg beginnt. Auch die polnische LOT nimmt Tirana ab dem 13. Juni 2020 in ihr Streckennetz auf – während Norwegian Airlines im selben Monat eine wöchentliche Direktverbindung nach Helsinki beginnt. Erst vor wenigen Tagen hat zudem Wizz Air einen weiteren Expansionsschritt am Flughafen Tirana angekündigt. Fünf neue Verbindungen in Richtung Italien (Pisa, Bologna, Mailand, Verona, Venedig) werden im Sommer 2020 das Angebot des ungarischen Billigfliegers massiv aufwerten.
Doch neben stärker werdenden Billigfluglinien sind auch die Netzwerkfluglinien wie die Lufthansa Gruppe stark am Flughafen TIA vertreten. Mit etwas mehr als 290.000 Fluggästen pro Jahr halten Austrian Airlines (Wien) und Lufthansa (Frankfurt) etwas mehr als neun Prozent Marktanteil.
Aktuell erfreut sich der Flughafen Wien als Umsteigehub gerade bei den Geschäftsfliegern größter Beliebtheit: „Wien hat eine sehr große Bedeutung, ich würde sogar sagen, dass für den mittel- und westeuropäischen Verkehr der Hub Wien nicht zu schlagen ist. Mit den sehr guten Tagesrandzeiten der Austrian Airlines ist der Hub meiner Meinung nach für den Geschäftsreisenden sogar wichtiger als Frankfurt! Wir sind sehr glücklich das wir eine Anbindung an die beiden LH Hubs in Wien und Frankfurt haben, hätten aber auch nichts dagegen, wenn wir noch München dazu bekommen würden, so Constantin von Alvensleben gegenüber Austrian Aviation Net.
Fit for future
Um für die Zukunft gerüstet zu sein, investiert der chinesische Flughafenbetreiber CEL derzeit einen zweistelligen Euro Millionenbetrag in den Ausbau seiner Flughafeninfrastruktur. Noch vor dem Jahreswechsel 2019/20 wurde das Projekt «Airfield 2020» in Angriff genommen, bei dem die bestehenden Rollwege auf einer Länge von 1,5km erneuert, ein neues Lichtsystem installiert und zusätzliche Parkpositionen geschaffen werden. Weiters arbeitet man bereits an den Plänen zur Runderneuerung der 2750×45 Meter langen Piste. Auch der im Jahr 2007 in Betrieb genommene Terminal kommt zu manchen Spitzenzeiten bereits an seine Kapazitätsgrenzen, weshalb auch hier an einen Ausbau gedacht wird: «Im Terminal sind wir an manchen Spitzen schon an der Kapazitätsgrenze angelangt, weshalb wir nun mit den konkreten Planungen für einen weiteren Terminalausbau beginnen, dessen Baustart in den nächsten zwei bis drei Jahren beginnen könnte», so Alvensleben.
Aktuell beschäftigen den Flughafen Tirana und ganz Albanien aber auch noch ganz andere Sorgen. Am 26 November des vergangenen Jahres wurde Albanien von einem schweren Erdbeben der Stärke 6,2 heimgesucht, bei dem 52 Menschen ums Leben kamen und mehrere tausende Albaner obdachlos wurden. Das Epizentrum des Erdbebens lag nahe der Küstenstadt Durres, nur etwas mehr als 30 km vom Flughafen Tirana entfernt. Im Gegensatz zu so manchen historischen Gebäude in Durres, erlitt der Flughafen TIA keine strukturellen Schäden, weshalb nach einem kurzen Moment des Schocks, der reguläre Flugbetrieb ungestört weitergeführt werden konnte. Bereits 12 Stunden nach dem Erdbeben landeten die ersten Hilfsflüge aus dem benachbarten Ausland am Flughafen TIA. In den darauffolgenden Tagen wurden täglich zwischen sieben und zehn Hilfsflüge mit Suchmannschaften und schweren Gerät abgefertigt. Unter den Mitarbeitern des Flughafens bildete sich ein Freiwilligenchor unter der Leitung von Pressesprecherin Arlinda Causholli, dessen Truppe bereits am Tag nach der Katastrophe, Hilfsmittel im Wert von 23.000 Euro direkt vor Ort an die betroffene Bevölkerung verteilte. Dem nicht genug, setzte das Unternehmen mit einer großzügigen Spende von einer Million Euro ein wichtiges Zeichen für die Unterstützung der lokalen Bevölkerung.