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In der Kabine

Tagsüber fliegen Passagiere, nachts die Post

Viele Fluglinien nutzten derzeit Passagierkabinen für den Transport von Fracht. Dass nicht nur Reisende auf den Sitzen Platz nehmen, hat eine lange Tradition.

Auf den Sitzen von Lufthansa, Condor und Co. finden sich derzeit gelegentlich Kartons statt Passagieren. Da aufgrund der Corona-Krise Frachtkapazitäten fehlen, werden aus Passagier- nun Cargoflieger, etwa für medizinische Güter. Für manchen sind die beladenen Sitze ein außergewöhnlicher Anblick, bei anderen wecken sie Erinnerungen – an die Nachtluftpost.

«Dafür habe ich seit meiner Ausbildung zum Flugzeugmechaniker bei Lufthansa in Hamburg Anfang der 1970er-Jahre spätabends Flugzeuge vorbereitet», erzählt aeroTELEGRAPH-Leser Michael Walczak. Für die Nachtpostflüge hätten er und zwei oder drei Kollegen in Passagierflugzeugen die Abdeckungen der Sitzschienen entfernt und spezielle Schutzbezüge über die Sitze gezogen, erinnert sich der heutige Rentner.

Tagsüber Passagiere, nachts Briefe und Pakete

Sobald das Flugzeug, in dem kurz zuvor noch Reisende gesessen hatten, umgebaut war, wurde es mit Post beladen. Große Pakete gingen in den Frachtraum, Kästen mit Briefen landeten auf den Sitzen und wurden dort mit Gurten festgezurrt. «Die Maschine ging dann immer um kurz vor 23 Uhr in die Luft in Richtung Frankfurt», erzählt Walczak. Am größten deutschen Flughafen trafen sich Nachtpostflieger aus etlichen deutschen Städten.

«Auf einer Außenposition vor Terminal 2 wurde die Post zwischen den Fliegern umgeladen und dann ging es zurück zum Abflugort», so Walczak. Dort wurde die Post entladen, die Sitzbezüge wurden entfernt und die Abdeckungen der Sitzschienen wieder eingebaut. «Um 6 Uhr startete die Maschine dann meist wieder zum ersten Flug mit Passagieren.» Beim Be- und Entladen hätten die Loader in Hamburg oft Hilfe von der Flughafenfeuerwehr erhalten.

Post als größten Auftraggeber der Lufthansa

Die innerdeutsche Nachtluftpost startete 1961. «Die Deutsche Bundespost ist sozusagen ‘über Nacht’ zum größten Auftraggeber der Lufthansa geworden», war damals im Firmenmagazin «Lufthansa Nachrichten» zu lesen. «Sie hat die Lufthansa beauftragt, ein Nachtluftpostnetz einzurichten, das in der Nacht vom 1. zum 2. September in Betrieb genommen wurde.» Zuerst flogen vier Convair 440 Metropolitan und eine Viscount 814.

«Da diese Flugzeuge tagsüber im regulären Liniendienst fliegen, werden die Sitze mit Schonbezügen in der Länge der Kabine versehen – ein Verfahren, das der Nachtluftpost schon die Bezeichnung ‘Unternehmen Fliegender Teppich’ eingetragen hat», hieß es. Die Flieger steuerten montags bis freitags Frankfurt als Mittelpunkt des Nachtflugnetzes an.

Mehr Airports, mehr Flugzeuge, mehr Post

«Eine halbe Stunde nach Mitternacht treffen dort als erste Luftpost-Flugzeuge die Metropolitan aus Stuttgart und die Viscount aus München ein; um 0.45 Uhr folgt die Metropolitan aus Richtung Hannover – Köln/Bonn; fünf Minuten später landen die beiden Metropolitan aus Hamburg und Bremen – Düsseldorf», so die «Lufthansa Nachrichten».

Später kamen weitere Städte hinzu. 1991 wurden etwa Leipzig und Dresden an das Nachtluftpostnetz angeschlossen und ebenfalls Direktflüge zwischen Köln und Stuttgart, Nürnberg sowie Berlin aufgenommen. Natürlich änderten sich auch die Flugzeugtypen. So waren zum Beispiel Boeing 727, Boeing 737, Airbus A300 und Airbus A310 im Einsatz.

«Pro Nacht über 300 Tonnen innerdeutsche Briefpost»

Im Jahr 1999 waren es 18 Flugzeuge, die Post zwischen 13 deutschen Flughäfen verteilten. «Damit bewältigt Lufthansa Cargo 85 Prozent des täglichen Nachtluftaufkommens der Deutschen Post», hieß es damals in einer Mitteilung. «Das sind pro Nacht über 300 Tonnen innerdeutsche Briefpost.» Doch in den kommenden zehn Jahren änderten sich die Zeiten. So stellte die Post die innerdeutschen Nachluftpost-Flüge im Sommer 2009 schließlich ein, aus Kostengründen und aufgrund unausgelasteter Kapazitäten.

Doch damit endete diese Geschichte nicht. Denn schon am 1. Dezember 2009 hoben erneut Nachtluftpostflieger in Deutschland ab. «Von montags bis freitags werden wieder auf den drei Nord-Süd-Strecken Stuttgart-Berlin, Stuttgart-Hannover und München-Hannover (jeweils in beiden Richtungen) Maschinen für die Post unterwegs sein», schrieb die Nachrichtenagentur DPA. «Eingesetzt werden Flieger von Germanwings, Air Berlin und Tui.» Der Grund: Der Transport per Lkw hatte zu Verzögerungen bei der Zustellung geführt.

Drei Strecken existieren bis heute

Und tatsächlich gibt es bis heute solche Nachtluftpostflüge. «Grundsätzlich fliegen wir im Rahmen unseres Nachtluftpostnetzes noch die Relationen Stuttgart-Berlin Tegel, Stuttgart-Hannover und Hannover-München und nutzen hier jeweils Passagierflieger mit Kabinenbeladung», so ein Sprecher von Deutsche Post DHL gegenüber aeroTELEGRAPH. Aktuell werde aber wegen der Corona-Pandemie keine Post innerhalb Deutschlands geflogen. Der Flughafen Stuttgart sei zudem wegen eines Umbaus geschlossen.

Welche Fluggesellschaften die Post für DHL transportieren, erklärte das Unternehmen nicht. Ein Sprecher von Eurowings bestätigte aber, dass die Lufthansa-Tochter noch bis Anfang April Nachtpost zwischen Stuttgart und Berlin-Tegel flog. Man gehe davon aus, diese Flüge fortzusetzen, wenn der Flughafen Stuttgart wieder geöffnet sei. Tuifly erklärte auf Anfrage zu den Postverbindungen, man führe «noch vereinzelt Flüge durch».