Letzte Aktualisierung: um 23:27 Uhr

Absturz

«Mit Boeing unwahrscheinlicher»

Die Katastrophe von Flug AF447 wäre mit einem Boeing-Flieger kaum so passiert, meint Starpilot Chesley Sullenberger.

«Theoretisch wäre es immer noch möglich gewesen, den Flieger unter den Bedingungen zu steuern», glaubt Chesley Sullenberger. Der berühmte Ex-Flugkapitän nahm für den amerikanischen Fernsehsender CBS den Abschlussbericht der französischen Behörden zum Unglücksflug AF447 unter die Lupe. Sullenberger selbst wurde durch eine Notwasserung auf dem New Yorker Hudson River im Januar 2009 weltberühmt. Nach einem Vogelschlag hatte er den Flieger von US Airways auf dem Fluss gelandet und so alle 155 Passagiere gerettet. Die Handlungen der beiden Piloten an Bord des Air-France-Airbus A330 kann der Kapitän nicht nachvollziehen. Hätten sie die Situation richtig eingeschätzt, so Sullenberger, wäre die Katastrophe vermeidbar gewesen, sagte er zu CBS.

Doch einen Teil der Schuld sieht er auch bei Airbus. Und er stellt eine harte These auf: In einem Boeing-Flieger, so Sullenberger, wäre ein Unfall wie der von Flug AF447 weit weniger wahrscheinlich. Das liege zu einem großen Teil am Design des Cockpits. «Die Kontrollinstrumente sind bei Boeing weit übersichtlicher», erklärt der Pilot dem amerikanischen Fernsehreporter anhand eines Airbus-Flugsimulators. Bei Airbus steuert der Pilot das Flugzeug mit einem Stick – ähnlich den Joysticks bei Computerspielen. Der Steuerknüppel ist außerdem an der Seite angebracht. So haben die Piloten keine Möglichkeit, zu sehen, wie der andere Kollege steuert. Ebenfalls werden die Steuerbefehle nicht auf den jeweils anderen Stick übertragen. Im Fall von AF447 merkten die Piloten im Cockpit darum nicht, dass der jüngste die Nase des Flugzeugs ununterbrochen noch oben zog – was zu einem Strömungsabriss führte. Er tat es auch noch nach der Warnung vor diesem Ereignis.

Verunsicherte Piloten

Gegenüber CBS wollten sich weder Airbus noch Boeing zu dem Thema äußern. Doch Sullenbergers Kommentare fallen in einen alten Glaubenskrieg zwischen den beiden Produzenten. Nach dem Absturz wurde immer wieder die Steuerung von Airbus ins Visier genommen – auch von Boeing. «Wir hören wiederholt von Airline-Piloten, dass sie dadurch verunsichert sind», so ein Informant aus dem Unternehmen vor einige Monaten gegenüber der britischen Zeitung The Telegraph.

Bereits in der Vergangenheit hatte der amerikanische Flugzeugbauer das europäische System kritisiert. Selbst im modernsten Flagschiff, dem 787 Dreamliner, setzt Boeing daher weiterhin auf eine konventionelle Steuerung. Auch die französische Pilotengewerkschaft Syndicat des pilotes de lignes zeigte Anfang des Jahres mit dem Finger auf Airbus und machte die Steuerung von Airbus zum Teil für das Unglück vom 1. Juni 2009 verantwortlich. Mit Chesley Sullenberger haben sie nun eine Berühmtheit ihrer Zunft auf ihrer Seite. Der Flieger, den Sully auf dem Fluss absetzte, war ein Airbus – ein A320-214.