Letzte Aktualisierung: um 19:34 Uhr

Rundflug von Ukraine International

Einmal Tschernobyl und zurück

Zum 35. Jahrestag der Nuklearkatatstrophe führte Ukraine International einen Rundflug über Tschernobyl durch. An Bord waren auffällig viele junge Menschen.

Die Atomkatastrophe von Tschernobyl hat sich ins kollektive Gedächtnis der Ukraine eingebrannt. Zehntausende Einwohner mussten umgesiedelt werden, Tausende starben in den darauffolgenden Jahren,  jahrzehntelang musste aufgeräumt werden. Fast jeder Einwohner kennt jemanden, der vom 26. April 1986 zumindest betroffen war.

Bis heute existiert eine Sperrzone von 30 Kilometern rund um den Reaktor, in dem die Böden an gewissen Stellen noch immer heftig strahlen – mitunter auch, weil dort Tierleichen, Häuser oder Geräte vergraben wurden. 35 Jahre später erinnerte auch die ukrainische Nationalairline an das tragische Ereignis. Mit mehreren Sonderflügen führte Ukraine International Interessierte über das einstige nukleare Epizentrum.

Reiseflughöhe von rund 900 Meter

Am Sonntag (25. April) war es ein weiteres Mal soweit. Rund 100 Menschen waren am Sonntagmorgen um 6:30 Uhr zum Flughafen Kiev Boryspil gekommen, um auf dem Sonderflug dabei zu sein. Es waren keineswegs alte Menschen, die sich an die damaligen Ereignisse erinnern wollten. Im Gegenteil: Vor allem nach 1986 geborene hatten die Tickets gebucht, die ungefähr so viel kosteten wie ein Flug nach Deutschland.

Die Embraer E190 war vollbesetzt. Mit an Bord einige Piloten und Kopiloten von Ukraine International, die ausländischen Gästen übersetzen, was über die Lautsprecher durchgegeben wurde. Denn nach dem Start ging das Flugzeug auf seine Reiseflughöhe von rund 900 Meter. Umgehend begannen die Piloten zu erklären, was sich den Gästen zu sehen bot: Alle Sehenswürdigkeiten von Kiev von oben herab.

Direkt übers nukleare Epizentrum

Danach steuerte die Embraer E190 Richtung weißrussischer Grenze. Eine ausgebildete Tourführerin begann den Passagieren ausführlich zu davon erzählen, was sich an jenem 26. April 1986, davor und danach ereignet hatte. Von fatalen Fehlern bei der Konstruktion, von Fehlentscheidungen nach den Explosionen, von den Bewohnern von umliegenden Dörfern und von der 50.000 Einwohner zählenden Stadt Pripyat, die innerhalb weniger Stunden vollständig geräumt wurde.

Mehrmals kreiste die Embraer E190 über dem inzwischen mit einem neuen Sarkophag abgedichteten Katastrophenreaktor Nummer vier, Pripyat und der Stadt Tschernobyl, wo heute nur noch Mitarbeiter wohnen, die noch immer mit der Aufbereitung der Schäden beschäftigt sind. Die Tourführerin nutzte die Zeit, um die Ereignisse ausführlich Revue passieren zu lassen.

Schlimmer geht nicht

Am 26. April 1986 kam es im Reaktor Nummer vier des Atomkraftwerks von Tschernobyl nach einem misslungenen Test zu einer Explosion. Schuld waren schwerwiegende Verstöße der Angestellten gegen die Sicherheitsvorschriften und eine grundlegende Fehlkonstruktion des Reaktors.

Es ist eine Geschichte von apokalyptischem Ausmaß. Gigantische Mengen von radioaktiven Materialien gelangten in die Umwelt – verschlimmert durch die Kaschier-Mentlität der sowjetischen Parteifunktionäre. Je nach Schätzung starben 40.000 bis 60.000 Menschen an den Folgen der Katastrophe.

«Wahrer touristischer Magnet»

Sonderflug PS3999 war ein  eindrückliches Ereignis. Angesichts der Corona-Krise und der fehlenden Flugmöglichkeiten könnte es gut sein, dass Ukraine International ihn nochmals wiederholt. Dabei hätte sie Unterstützung von ganz oben. Der ukrainische Präsident Volodymyr Zelensky will Tschernobyl zu einem «wahren touristischen Magnet» machen.

In der oben stehenden Bildergalerie mit Videos sehen Sie Aufnahmen des Sonderflugs von Ukraine International über Tschernobyl.

Der Testflug sowie die An- und Abreise verursachten 305 Kilogramm CO2. Wie bei allen Dienstreisen kompensierte aeroTELEGRAPH diese Emissionen durch die Unterstützung von Aufforstungsprojekten und des Kaufs von Biokerosin über den Kompensationsanbieter Compensaid.

Das Flugticket wurde von Ukraine International  vergünstigt abgegeben. Die Fluggesellschaft nahm weder Einfluss auf den Inhalt des Artikels noch stellte sie irgendwelche Bedingungen. Das würde dem Verhaltenskodex von aeroTELEGRAPH widersprechen.