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Chronologie

So rutschte Lufthansa in die Krise

Es begann mit gestrichenen China-Flügen im Januar. Seitdem hat die Corona-Krise vieles auf den Kopf gestellt und Lufthansa zum Fall für Staatshilfe gemacht. Eine Chronologie.

Wer Anfang des Jahres prophezeit hätte, dass Lufthansa mit Milliarden vom Staat gestützt werden muss, wäre ausgelacht worden. Doch innerhalb von wenigen Wochen hat sich die Luftfahrtwelt völlig verändert. Die Covid-19-Pandemie hat die Aussichten eingetrübt und die Branche unvorbereitet getroffen. Auch Lufthansa. Die Chronologie der Ereignisse:

29. Januar: Lufthansa streicht China-Flüge. Das neue Coronavirus verbreitet sich schnell in China und hat schon mindestens 130 Tote gefordert. Zudem gibt es einen Corona-Verdachtsfall an Bord eines Lufthansa-Jets. So teilt das Unternehmen mit: «Lufthansa, Swiss und Austrian Airlines werden ihre Flüge von und nach China (Festland) bis 9. Februar aussetzen.»

28. Februar: Flieger bleiben am Boden. Aufgrund der Einstellung der China-Flüge und der eingebrochenen Nachfrage Richtung Asien hält die Lufthansa-Gruppe 13 Langstreckenjets am Boden. Dabei bleibt es nicht. Lufthansa erklärt: «Wir werden die Kapazität auf der Kurzstrecke nach ersten Streichungen in den kommenden Wochen um bis zu 25 Prozent reduzieren müssen.» Auf der Langstrecke werde man zehn weitere Flugzeuge grounden.

4. März: 150 Flugzeuge zu viel. Die Lufthansa-Gruppe hat aufgrund der Corona-Krise inzwischen viel zu viel Kapazität. Austrian Airlines, Lufthansa und Swiss fliegen nicht mehr nach China sowie weniger nach Hongkong und Italien. Zudem werden auch andernorts Veranstaltungen abgesagt und viele Personen zögern aus Angst vor einer Ansteckung, sich in einen Flieger zu setzen. Die Flugzeuge der Lufthansa Group sind daher deutlich weniger gefüllt. Rechnerisch entspricht der Überhang 150 Flugzeugen.

6. März: Reisebeschränkungen sorgen für Komplikationen. Tobias Dingwerth, Infektiologe des Medizinischen Dienstes der Lufthansa, erklärt die komplizierte Flugplanung: «Wenn Sie eine Crew nach China schicken, darf sie in Israel nicht mehr einreisen. Italienische Staatsbürger unterliegen Einreiseverboten in Saudi-Arabien, Kuwait und Oman, Gäste aus China dürfen wiederum in der Regel nicht auf Flügen in die USA befördert werden.»

8. März: Lufthansa verzichtet auf A380. Lufthansa parkt ihre 14 Airbus A380 bis mindestens Mai. Der Grund: Mit einer aktuellen Auslastung von 35 Prozent lassen sich die Superjumbos nicht profitabel betreiben.

Airbus A380 von Lufthansa. Foto: Aeropuerto de Teruel

11. März: Jetzt ist es eine Pandemie. Die Weltgesundheitsorganisation WHO stuft die Verbreitung des neuen Coronavirus als Pandemie ein. Mittlerweile gibt es Fälle in 115 Staaten und insgesamt fast 4300 Tote.

11. März: 23.000 Flüge weniger. Aufgrund der «außergewöhnlichen Umstände durch die Ausbreitung des Coronavirus» passt Lufthansa Flugpläne weiter an. Die Passagierairlines der Gruppe streichen vom 29. März bis zum 24. April zusammen 23.000 Flüge.

12. März: Trump verkündet Einreisestopp. «Um zu verhindern, dass neue Fälle bei uns ankommen, werden wir für die nächsten 30 Tage alle Einreisen aus Europa in die Vereinigten Staaten aussetzen», verkündet der amerikanische Präsident Donald Trump. «Die neuen Regeln treten am Freitag um Mitternacht in Kraft». Das trifft Lufthansa und Co. ins Mark. Dank einer Ausnahme führt die Gruppe dennoch weiterhin einige Flüge durch.

13. März: Lufthansa kündigt Sparmaßnahmen an. In der vergangenen Woche lagen die Neubuchungen bei den Konzernairlines rund 50 Prozent niedriger als zum gleichen Zeitpunkt im Vorjahr. Darüber hinaus verzeichnen sie deutlich mehr Flugstornierungen. Das Angebot wird daher weiter um bis zu 70 Prozent gegenüber der Planung reduziert. Außerdem senkt Lufthansa Sach- und Projektkosten, beabsichtigt Kurzarbeit einzuführen und verhandelt über die Verschiebung geplanter Investitionen.

14. März: Lounges schließen. An den Flughäfen Frankfurt und München schließt Lufthansa vorübergehend Lounges. Ihre Tochter Swiss hat das bereits in Zürich und Genf getan.

15. März: Rückholflüge starten. Wegen der Reisebeschränkungen sitzen viele Deutsche im Ausland fest. Lufthansa holt mit 15 Sonderflügen 3000 bis 4000 Urlauber aus der Karibik und den Kanaren zurück.

16. März: Lufthansa reduziert Betrieb auf Minimum. Austrian Airlines stellt den Betrieb vorübergehend ein. Auch die anderen Fluggesellschaften der Lufthansa-Gruppe reduzieren ihr Programm noch einmal. Insgesamt wird die Sitzplatzkapazität der Gruppe auf der Langstrecke um bis zu 90 Prozent reduziert, innerhalb Europas um etwa 80 Prozent.

16. März: Staatliche Hilfe wird zum Thema. Der Luftfahrtkoordinator der deutschen Regierung, Thomas Jarzombek, stellt Fluggesellschaften «Liquiditätshilfen» in Aussicht. Infrage kommen beispielsweise Kredite. Selbst eine Beteiligung an Lufthansa ist als Extremszenario ein Thema.

19. März: Spohr kündigt kleinere Lufthansa an. «Der Flugplan von 1955 sah in etwa so aus wie der Flugplan, den wir ab nächster Woche anbieten», sagt Lufthansa-Chef Carsten Spohr. Es gebe so gut wie keine Buchungen mehr und man habe bereits für rund 31.000 Mitarbeiter Kurzarbeit beantragt. Neben Austrian Airlines haben mittlerweile auch Brussels Airlines und Air Dolomiti einen Betriebsstopp verkündet. Der Konzern hat drei Szenarien: für ein drei-, ein sechs- und ein zwölfmonatiges Grounding. Spohr sagt, zurzeit habe man eine Liquidität von mehr als 5 Milliarden Euro, daher sei weitere staatliche Hilfe derzeit noch nicht nötig. Aber man müsse abwarten, wie sich die kommenden Wochen entwickeln. Zudem macht der Konzernchef klar, dass die Lufthansa-Gruppe schrumpfen wird.


Lufthansa-Chef Carsten Spohr. Foto: Lufthansa/Oliver Roesler

24. März: Lufthansa Technik trennt sich von Zeitarbeitern. Die weltgrößte Wartungsfirma spürt die Corona-Krise. Lufthansa Technik entlässt fast alle ihrer 900 Zeitarbeiter.

27. März: Nebensitze bleiben leer. Noch etwas mehr als 40 reguläre Flüge pro Tag führt Lufthansa durch. Bei Eurowings kommen nochmals ein paar hinzu. Und dieses Minimalprogramm ist nicht einmal voll ausgebucht. Dies macht es den Fluggesellschaften einfacher, Social Distancing auch an Bord umzusetzen: Auf allen Flügen ab Deutschland bleiben die Nachbarsitze auch in der Economy und Premium Economy Class frei.

3. April: Neue Strecken müssen warten. Die Lufthansa-Gruppe nimmt diverse für Sommer 2020 geplante neue Strecken vorerst nicht auf. Dazu gehören: Ab Frankfurt Anchorage und Ottawa, ab München Detroit, Las Vegas, Orlando und Seattle, ab Wien Boston und ab Zürich die bereits kurzzeitig aufgenommene Verbindung nach Osaka.

7. April: Lufthansa kündigt Ende von Germanwings an. «Der Flugbetrieb der Germanwings wird beendet», teilt Lufthansa mit. «Alle daraus resultierenden Optionen sollen mit den Sozialpartnern besprochen werden.» So setze man den Plan beschleunigt um, den Flugbetrieb von Eurowings zu bündeln.

7. April: A380 und Boeing 747 müssen gehen Lufthansa legt sechs ihrer 14 Airbus A380 still. Sie wären ab 2022 ohnehin an Airbus verkauft worden, werden nun aber schon jetzt verabschiedet. Die Fluggesellschaft flottet zudem fünf ihrer 13 Boeing 747-400 und sieben von 17 Airbus A340-600 aus. Zusätzlich trennt Lufthansa Cityline sich von drei A340-300. Auch auf der Kurzstrecke baut der Konzern ab. Lufthansa flottet elf Airbus A320 aus. Bei Eurowings werde die Flotte ebenfalls «weiter reduziert», heißt es. Klar ist dabei schon, dass zehn A320 nicht mehr gebraucht werden.

16. April: Reduzierter Flugplan schrumpft weiter. Angesichts der geringen Nachfrage reduziert Lufthansa ihr Angebot weiter auf nur noch 15 wöchentliche Langstreckenverbindungen: jeweils drei Mal wöchentlich von Frankfurt nach New York/Newark und Chicago, São Paulo, Bangkok und Tokio. Die drei wöchentlichen Verbindungen nach Montreal werden gestrichen. Darüber hinaus bietet Lufthansa ab Frankfurt bis zu 36 tägliche Verbindungen zu den wichtigsten Städten in Deutschland und Europa an. Ab München werden ab dem 4. Mai nur noch sechs tägliche Verbindungen zu deutschen Städten angeboten.

17. April: Lufthansa-Airlines schließen Rückholflüge ab. Seit Mitte März wurden von den Lufthansa-Airlines rund 90.000 Urlauber und Reisende zurück nach Hause geflogen. 437 Sonderflüge starteten von 106 Flughäfen weltweit in Richtung Europa. Elf weitere folgen. Der zunächst letzte Sonderflug der Lufthansa wird am 20. April, aus Lima kommend, in Frankfurt erwartet.

28. April: Streit um Staatshilfe für Lufthansa. Die deutsche Regierung ist bereit, Lufthansa mit rund neun Milliarden Euro zu unterstützen. Dies will sie über eine direkte Beteiligung und Kredite tun, wie es in Medienberichten heißt. Dafür stellt Berlin allerdings Forderungen. Der deutsche Staat will 25 Prozent der Anteile an Lufthansa, zwei Sitze im Aufsichtsrat und eine Verzinsung des Darlehens von 9 Prozent. Das geht dem Management von Lufthansa zu weit. Vor allem der hohe Zinssatz des Kredites mache dem Vorstand unter Chef Carsten Spohr Sorgen, schreibt die Süddeutsche Zeitung.

29. April: Schweiz hilft Swiss. Die Schweizer Regierung stellt ihr Rettungspaket für die heimische Luftfahrt vor. Demnach erhalten die beiden Lufthansa-Töchter Swiss und Edelweiss von einem Bankenkonsortium ein Darlehen über 1,5 Milliarden Franken oder umgerechnet 1,4 Milliarden Euro. Der Bund agiert dabei als Bürge für 1,275 Milliarden.

Jet von Swiss und Schweizer Franken. Foto: Swiss/Montage aeroTELEGRAPH

1. Mai: Lufthansa erwartet Sommer am Boden. In seiner bereits veröffentlichten Rede zur Hauptversammlung vom 5. Mai erklärt Lufthansa-Chef Spohr: «Wir richten uns darauf ein, dass dieser Sommer gewissermaßen am Boden stattfindet. Frühestens ab Herbst hoffen wir auf einen spürbaren Neustart. Aber es wird eine sehr langsame Anlaufphase sein».

5. Mai: Lufthansa drohen Rückzahlungen in Milliarden-Höhe. Während die Verhandlungen über Staatshilfe andauern, verbraucht Lufthansa monatlich rund 800 Millionen Euro, wie das Unternehmen bei der Hauptversammlung erklärt. Hinzu kommen weitere Belastungen wie etwa fehlende Vorauszahlungen der Kunden. Alleine durch die Absicherung von nun doch nicht eingekauftem Treibstoff – dem sogenannten Fuel Hedging – erwartet Lufthansa für das Jahr 2020 eine Belastung von rund einer Milliarde Euro. Und ihr stehen hohe Erstattungen für stornierte Flüge ins Haus. Alleine für bis zum 31. Mai gestrichenen Flüge ergeben sich potenzielle Rückzahlungsverpflichtungen in Höhe von 1,8 Milliarden Euro.

7. Mai: Staat will 25 + 1 bei Lufthansa. In einer Pflichtmitteilung erklärt Lufthansa, man verhandle «mit dem Wirtschaftsstabilisierungsfonds des Bundes ein Stabilisierungspaket im Umfang von neun Milliarden Euro zur Finanzierung». Eine Einigung gibt es noch nicht. «Die Verhandlungen und der Prozess der politischen Willensbildung dauern an», so Lufthansa. Es gehe um eine stille Beteiligung und einen besicherten Kredit. Klar ist, dass der deutsche Staat eine Beteiligung am Grundkapital von Lufthansa will. Ziel sei es, «einen Anteilsbesitz von bis zu 25 Prozent plus einer Aktie zu schaffen», heißt es.

8. Mai: Lufthansa-Airlines holen 80 Flugzeuge zurück. An die Flughäfen in Deutschland und der Schweiz kehrt etwas Normalität zurück. Im Juni fahren Eurowings, Lufthansa und Swiss ihren Betrieb wieder ein wenig hoch. Dazu holen die drei Fluggesellschaften in der Corona-Krise 80 geparkte Flugzeuge zurück.

14. Mai: 1800 wöchentliche Verbindungen geplant. Die Airlines der Lufthansa Group bauen ihre Flugpläne im Juni deutlich aus. Mit über 106 Deutschland- und Europadestinationen sowie über 20 interkontinentalen Zielen erweitern sie das Angebot bis Ende Juni. Sie bieten dann wieder rund 1800 wöchentliche Verbindungen zu mehr als 130 Zielen weltweit an. Austrian Airlines lässt den Flugbetrieb aber mindestens bis zum 7. Juni ruhen.

20. Mai: A380 verschwindet aus Frankfurt. Lufthansa hat beschlossen, noch einen zusätzlichen Airbus A380 stillzulegen. Es werden künftig also nur noch sieben Superjumbos eingesetzt. Zudem werden sie alle in München stationiert. Damit zieht sie den Vierstrahler von Airbus ganz aus Frankfurt ab.

Lufthansa-Jet mit Bundesadler-Logo. Foto: Lufthansa/Montage aeroTELEGRAPH

20. Mai: Regierung ist sich einig. Die politische Hängepartie um Staatshilfen für Lufthansa scheint ein Ende zu haben. Wie das Magazin Der Spiegel berichtet, haben Bundeskanzlerin Angela Merkel, Finanzminister Olaf Scholz und Wirtschaftsminister Peter Altmaier eine Einigung innerhalb der deutschen Regierung erzielt. Merkel bestätigt kurz darauf, dass das Rettungspaket auf der Zielgeraden ist.

21. Mai: Austrian-Mitarbeiter verzichten. Die österreichische Fluggesellschaft kann ihre Ausgaben deutlich senken. Die Angestellten von Austrian Airlines verzichten dafür auf rund 80 Millionen Euro jährlich. Die Betriebsaufnahme wird auf den 15. Juni verschoben.

21. Mai: Details zum Rettungspaket. Lufthansa teilt mit, sie habe sich mit Vertretern des deutschen Wirtschaftsstabilisierungsfonds weitgehend geeinigt. Man befinde sich «in fortgeschrittenen Gesprächen». Es gehe um «Stabilisierungsmaßnahmen im Umfang von bis zu neun Milliarden Euro», so das Unternehmen. Man erwarte, die Verhandlungen «zeitnah» abzuschließen. Sie nennt auch etliche Details zu den Hilfsmaßnahmen – diese können Sie hier nachlesen.