Letzte Aktualisierung: um 11:55 Uhr

Gulfstream G650

So fliegt es sich in Flexjets neuestem Jet in Europa

Für Europa hat sich der Businessjet-Charteranbieter einen neuen Langstreckenflieger zugelegt. Flexjet hat bei der Ausstattung der Gulfstream G650 nicht gespart.

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Die Passagierin greift in die Jackentasche. Sie entdeckt dort den Schnuller ihrer Tochter, den sie aus Versehen dabei hat. Und macht einen Witz: «Hilft beim Druckausgleich», sagt sie zum Flugbegleiter und grinst ein bisschen blöd. «Klar, macht Sinn», sagt der, als hätte er das schon tausend Mal gehört.

Erst als die Reisende sagt «war nur ein Scherz!» wird aus seinem höflichen Lächeln ein Lachen. Denn ziemlich sicher hat er schon ganz anders gehört. Und sind er und seine Kollegen noch Exzentrik ganz anderen Ausmaßes gewohnt.

Das WC muss man suchen

Flexibilität, keine Wartezeiten, Komfort an Bord – es gibt Dutzende Gründe, warum Menschen mit entsprechendem Einkommen oder Vermögen Privatjet und nicht Business oder First Class per Linie wählen. Ziemlich weit oben auf der Liste dürfte für viele aber auch die Diskretion der Crew sein – wie beim Schnullergespräch.


Flugbegleiter von Flexjet: Die Bordküche ist geräumig. Bild: aeroTELEGRAPH

Stattgefunden hat das Gespräch an Bord einer Gulfstream G650 von Flexjet. In der Kabine: Holzverkleidungen, weiche Ledersessel in dezentem Grau. Capri heißt dieses Kabinendesign. Der Businesscharter-Anbieter hat auch noch andere im Angebot.

Kundschaft kann Anteile an Jets erwerben

Große Fernseher, schnelles Internet und ein Bad, in dem man das WC suchen muss, weil es schicker aussieht als das, was die meisten bei sich zu Hause haben. Statt Schnuller kann man beim Start auch Champagner haben. Den muss man einfach gut festhalten.

Wenig überraschend: Die Zielkundschaft der Airline ist mehr als gut betucht. Flexjet bietet ihren Kunden so genannte Fracitonal Ownership an. Einzelpersonen oder Unternehmen können einen Anteil an einem Flugzeug erwerben. Bei Flexjets europäischer Tochter gehört dazu neuerdings auch die Gulfstream G650.

Seit Ende September in der Flotte

Obwohl die um die 10.000 Kundinnen und Kunden als Eigentümer gelten, steht ihnen nicht ein spezielles Flugzeug zu. Stattdessen erhalten sie Zugang zu einem Pool von typgleichen Fliegern. Sind sie einmal im Pool der Eigner, zahlen sie nur noch für die Flugstunden. Wobei «nur noch» natürlich relativ zu sehen ist. Preise nennt Flexjet nicht. Doch pro Flugstunde liegt man im Privatjet schnell im fünfstelligen Bereich.

Ende September hat Flexjet die erste Gulfstream G650 in Europa registriert. In den USA betreibt das Unternehmen bereits Flieger des Typs. Ein zweites Exemplar des Ultra-Langstrecken-Privatjets soll innerhalb der nächsten sechs Monate zur europäischen Flotte stoßen.

Malta lohnt sich für Airlines

Entschieden hat sich Flexjet schon Mitte 2021, beim Aufbau der europäischen Tochter, für den Standort Malta – wie auch viele andere Fluggesellschaften. Rund 660 Flugzeuge sind auf der Insel registriert, auch Ryanair und Eurowings haben dort inzwischen Tochtergesellschaften. Der Grund: niedrige bürokratische Hürden, attraktive Steuern und geringe Gebühren. 

Die großen Fenster schaffen in der Kabine ein besonderes Licht.  Bild: aeroTELEGRAPH

Rund 11.500 Kilometer beträgt die Reichweite der Gulfstream mit der Registrierung 9H-649FX. Für den Demonstrationsflug muss die Maschine nicht ganz so weit fliegen. Die Reise geht von Zürich nach Mailand. Um die Flugscham der Gäste möglichst gering zu halten, ist das Flugzeug mit dem größtmöglichen Anteil nachhaltigem Treibstoff betankt.

Fast so groß wie Embraer E175

Rund die Hälfte des Tanks sind mit sogenanntem Sustainable Aviation Fuel SAF gefüllt. Mehr ist per Gesetz noch nicht erlaubt. Das, so Flexjet, sei auch immer mehr Kunden wichtig. Denn zumindest manche Superreiche machen sich Gedanken über ihren ökologischen Fußabdruck.

Rund 30 Meter lang ist die Maschine und ist damit fast so groß wie eine Embraer E175, die etwas mehr als 31 Meter misst. Schon auf der kurzen Strecke zeigen sich jedoch die Unterschiede zu den Fliegern, die man als Linienpassagierin gewohnt ist. Da die Rolls-Royce-BR-700-Triebwerke am Heck der Maschine verbaut sind, ist es weiter vorne in der Kabine so leise, dass man selbst beim Start nicht lauter sprechen muss, um das Gespräch fortzuführen. Dabei hilft auch, dass die Kabine zusätzlich isoliert ist.

Angenehmer Kabinendruck

Die 71 Zentimeter breiten, ovalen Fenster – ein Markenzeichen von Gulfstream – bieten einen Ausblick, den man so an Bord sonst selten zu sehen bekommt. Überraschend für Businessjet-Neulinge, aber offenbar Standard: Die Scheiben sind beheizt. Viel Tageslicht erhellt die Kabine, bei Sonnenuntergang wird selbst das dezente Business-Grau der Sitze ein bisschen rosa.

Die Luft an Bord ist weniger trocken als an Bord vieler großer Langstreckenjets, auch der Kabinendruck ist deutlich niedriger als in anderen Flugzeugen. An Bord fühlt es sich auf Standard-Flughöhe an wie in 1250 Metern Höhe. Zum Vergleich: Bei älteren kommerziellen Jets liegt dieser Wert über 2000 Metern, bei modernen Fliegern wie dem Airbus A350 oder Boeing 787 Dreamliner sind es um die 1800 Meter. Die zusätzlichen 600 Meter sind tatsächlich spürbar – ein Schnuller wäre also sowieso vielleicht gar nicht nötig gewesen.

In der oben stehenden Bildergalerie sehen Sie mehr Aufnahmen der Gulfstream G650.