Letzte Aktualisierung: um 22:02 Uhr

Sky Guru

App soll Menschen mit Flugangst helfen

Das Flugzeug wackelt und Sie denken gleich an Absturz? Oder steigen gar nicht erst ein? Die App Sky Guru soll Abhilfe schaffen. Wie, erklärt Erfinder Alex Gervash im Interview.

Flugangst nervt: 41 Prozent der Erwachsenen mit dieser Furcht verzichten auf Urlaub mit dem Langstreckenflieger, wie eine britische Studie zeigt. Auch Familientreffen und Hochzeitsbesuche in Übersee fallen dem zum Opfer. Einer der Tipps gegen Flugangst lautet: Informieren Sie sich. Denn viele Leute beruhigt es, wenn sie wissen, dass Turbulenzen nicht gleich in einer Bruchlandung enden. Im Interview mit aeroTELEGRAPH erklärt Alex Gervash, wie seine App Sky Guru genau an diesem Punkt ansetzt:

Ist Ihre App die Rettung für Menschen mit Flugangst?
Ich bin Pilot und Therapeut und ich weiß: Einen Menschen mit Flugangst zu behandeln ist wie ein Puzzle. Diese App ist ein Teil, das helfen kann, das Problem zu lösen.

Wie macht sie das?
Sie hilft zu verstehen, was bei einem Flug passiert. Sie sagt Dinge voraus. Und sie teilt dem Passagier während des Fluges mit: Dieses Geräusch ist ok, diese Bewegung ist ok, das sind Turbulenzen, das Flugzeug stürzt nicht ab.

Wie funktioniert das konkret?
Vor dem Flug, wenn Internet verfügbar ist, müssen Sie Ihre Flugnummer eingeben. Dann lädt die App die Route herunter und alle wichtigen Daten von Wetterdiensten und Flugplanungstools. Sie erhalten dann eine Vielzahl von Vorhersagen, zum Beispiel, wann während des Fluges Turbulenzen zu erwarten sind oder dass die Maschine nach dem Start eine Wende machen wird.

Und wie arbeitet Sky Guru während des Fluges – über Wifi im Flugzeug?
Nein, das ist nicht notwendig. Die App funktioniert im Flugmodus des Iphones, ohne externe Verbindung. Dazu verwendet sie die eingebauten Sensoren. Darüber nimmt sie wahr, wann das Flugzeug startet. Ab diesem Moment funktioniert sie kombiniert über die vorher heruntergeladene detaillierte Routenplanung und die Sensoren.

Geben Sie doch mal ein Beispiel bitte.
Die App errechnet im Voraus, dass 35 Minuten nach dem Start zum ersten Mal Turbulenzen zu erwarten sind. Die gesamte Zone zu durchfliegen dauert 1:10 Stunden, der Bereich mit den stärksten Turbulenzen nimmt aber nur 20 Prozent dieser Zeit in Anspruch. Die Turbulenzen erreichen auf einer Skala von 0 bis 5 maximal eine Stärke von 3. Diese Infos kann sich der Nutzer vor dem Flug ansehen und bekommt dann im Flug entsprechende Nachrichten, wenn er das Gebiet erreicht.

Und wenn Turbulenzen auftreten, die die Prognose nicht vorhergesehen hat?
Dann nimmt die App das über die Sensoren des Smartphones wahr und teilt dem Nutzer mit: Wir kommen in Turbulenzen. Nicht alle können vorhergesagt werden, denn das ist Mutter Natur. Dann folgen beruhigende Nachrichten, die etwa erklären, dass Turbulenzen eine Frage des Komforts sind, nicht der Sicherheit.

Und wenn ich mein Telefon schüttele, kann ich es dadurch nicht verwirren?
Es wird ein Schütteln nicht mit dem Start verwechseln. Aber leichte Bewegungen könnte es zum Beispiel für Turbulenzen halten. Daher empfehlen wir, das Smartphone auf den Tisch zu legen.

Und all dieses Wissen hilft Leuten, die Angst vor dem Fliegen haben?
Auf jeden Fall. Denn für Menschen mit Flugangst sind vorhersehbare und verständliche Dinge viel leichter zu ertragen als unvorhergesehene und unverständliche. Sie haben Fantasien und fragen sich: Was, wenn es nicht nur Turbulenzen sind, was wenn es etwas Schlimmeres ist? Unsere App erklärt ihnen jedes Geräusch, jede Bewegung. Insgesamt sind es rund 400 Nachrichten pro Flug.

Und wie viele davon sind unzutreffend?
Wir haben etwa 450 Testflüge gemacht. Ich würde schätzen, am Anfang lagen 90 Prozent der Benachrichtigungen daneben, jetzt sind es vielleicht noch 5 Prozent.

Interessieren sich auch Fluggesellschaften für Ihre App?
Wir haben erste Gespräche mit einigen Airlines geführt. Sie haben uns gesagt: Das ist ein großartiges Produkt, aber es fokussiert sich nur auf rund 20 Prozent der Passagiere. Dabei sind es gerade die Fluggesellschaften, die uns brauchen. Denn sie haben Passagiere, die leiden und deshalb weniger oder gar nicht fliegen. Leute mit Flugangst sind oft Perfektionisten, Menschen die sehr erfolgreich sind in Ihren Bereichen und daher nicht selten Premium-Passagiere, an denen den Airlines Einnahmen verloren gehen.

Gibt es andere Interessenten?
Wir arbeiten in einem Projekt mit einem Flugzeughersteller zusammen. Außerdem verhandeln wir mit Flughäfen. Die könnten an den Gates Touchscreens anbringen, die den Passagieren zeigen, wie das Wetter wird, wann es Turbulenzen gibt und wie lange ihr Flug wirklich dauern wird, wenn Wind, Verkehr und all dies einberechnet ist.

Wem hilft die App nicht?
Zum Beispiel Klaustrophobikern. Für die ist ein Flugzeug der engste Raum der Welt und sie können nicht raus. Aber auch bei Leuten mit sehr starker Flugangst kann es sein, dass die Stresshormone ihre kognitiven Fähigkeiten so sehr beeinträchtigen, dass sie die Nachrichten gar nicht wahrnehmen können, die unsere App ihnen zur Beruhigung schickt.

Wann wird es Sky Guru auch für Android-Smartphones geben?
Für die Entwicklung haben wir gerade 15’000 Dollar per Crowdfunding eingesammelt. Im Sommer soll die Android-App fertig sein.


Erfinder Alex Gervash.