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Saudi Arabian Airlines

Was Jaan Albrecht mit Saudia vorhat

Der Chef von Saudia und ehemalige Vorstandsvorsitzende von Austrian Airlines hat sich mit Michael Csoklich unterhalten.

Jaan Albrecht ist seit Jahrzehnten tief mit der Luftfahrt verwurzelt: Nach seiner Ausbildung als Pilot und diversen leitenden Funktionen bei mehreren Airlines wurde der Mexikaner mit österreichischen Wurzeln 2001 Chef der Star Alliance. Von 2011 bis 2015 war er Vorstandsvorsitzender von Austrian Airlines. Nach einem kurzen Intermezzo bei SunExpress führte ihn sein weiterer beruflicher Weg nach Saudi Arabien, wo er seit letztem Jahr den CEO-Posten bekleidet. Michael Csoklich bat den erfahrenen Airliner zum Gespräch.

Herr Albrecht, Sie sind jetzt rund eineinhalb Jahre bei Saudia, ihre Aufgabe ist der Umbau und die Neuausrichtung der Fluglinie. Was erweist sich als die größte Schwierigkeit dabei?

Schauen Sie, die Aufgabe die wir haben ist, die Fluglinie mit all ihren Altlasten umzubauen. Die größte Herausforderung ist es, einen Kulturwandel zu schaffen, denn viele Menschen fragen sich in Saudi Arabien, warum brauchen wir einen Wechsel, das Leben bisher war auch in Ordnung? Doch der neue Kronprinz Mohammed bin Salman hat sich vorgenommen, das ganze Land umzukrempeln und zu modernisieren. Und die Fluglinie spielt bei dieser Initiative des Kronprinzen eine wichtige Rolle.

Kulturänderung bedeutet auch profitabel zu werden. Was ist zu tun, damit Saudia Geld verdient?

Seit 2 Jahren und bis Ende 2019 läuft ein Sanierungsprogramm. Wir bereiten die Fluglinie darauf vor, irgendwann privatisiert zu werden, falls das Königshaus das so entscheidet. Aber um daran überhaupt denken zu können, muss man solide Zahlen und Finanzen vorzeigen können und auf dem Weg sind wir jetzt.

Wie viel Gewinn macht Saudia derzeit?

Die Fluglinie ist noch nicht profitabel, das haben wir uns für 2020 vorgenommen.

Wie unabhängig vom Königshaus sind Sie bei diesem Umbau? Was dürfen Sie, was nicht?

Ich bin der erste Ausländer als CEO bei Saudia in 74 Jahren und ich bin geholt worden wegen meiner Expertise und Erfahrung, eine Fluglinie zu sanieren und zukunftsfähig zu machen. Das ist eine sehr große Herausforderung, man muss als Ausländer gegenüber der Saudi Arabischen Kultur sensibel sein und darf nicht zu sehr an den kulturellen und verwurzelten Werten rütteln. Das respektierend habe ich aber einen großen Spielraum, mir ein Team aufzubauen und die Fluglinie auf neue Beine zu stellen.

Sie beschäftigen in der Fluglinie rund 16.000 Mitarbeiter, wie viele werden Sie abbauen müssen?

Es ist Teil der Altlasten und der jahrelangen Bürokratie, dass die Fluglinie eigentlich Mitarbeiter abbauen sollte. Wir tun das aber nicht, weil wir sehr stark wachsen. Wir haben in den letzten Jahren 62 neue Flugzeuge in Betrieb genommen, 20 davon ersetzen alte, 42 sind aber Wachstum. Heuer bekommen wir weitere 18 Flugzeuge, unsere Billigfluglinie Flyadeal acht und soll in den kommenden zwei Jahren noch einmal um bis zu 20 Flugzeuge wachsen. Das ist schon ein massives Wachstum, das wir mit dem bestehenden Personal bewerkstelligen können und deshalb keine Mitarbeiter abbauen müssen.

Ihre Ziele für 2020 lauten 45 Millionen Passagiere, 200 Flugzeuge, 1.000 tägliche Flüge. Werden Sie die Ziele erreichen?

Ja, davon gehen wir aus. Saudi Arabien ist ja ein wichtiges Land in der Region, allein schon von der Fläche und von den Einwohnern her. Die Fluglinie trägt den Namen des Landes, das ist wichtig in dieser Kultur. Unser Businessmodel ist aber nicht, eine vierte Golf-Fluglinie zu werden. Saudia ist ganz anders mit 17 Millionen Inlandsfluggästen und Millionen Pilgern als Passagiere, das haben die anderen Fluglinien nicht. Bisher hat Saudia da nicht richtig mitgespielt, das wird sie aber in Zukunft tun. Im letzten Jahr haben wir 4 Prozent Marktanteile gewonnen, weil wir uns auf diesen Markt konzentriert haben. Bei den anderen muss man umsteigen, mit uns geht es nonstop.

Wie wird der neue Flughafen in Jeddah das Wachstum von Saudia treiben?

Sehr! Das alte Terminal in Jeddah ist mit nur 11 Bus-Gates viel zu klein und wir können nur acht Flüge pro Stunde abwickeln. Das neue Terminal wird bis zu 48 Gates mit direkter Anbindung haben. Das ermöglicht bis zu 48 Flüge pro Stunde und wir werden Jeddah mit einem neuen Wellensystem drei mal am Tag anfliegen. Und der neue Flughafen, der Ende des Jahres voll in Betrieb geht, hat auch eine schnelle Zugverbindung nach Mekka, da sind sie in 30 Minuten in Mekka. Das bedeutet nicht nur für Saudia eine bessere Zukunft, sondern auch für die Sky Team Mitglieder. Denn mit Saudia als attraktivem Partner können sie über Jeddah mit Code Shares neue Destinationen anfliegen.

Sie fliegen ab 16. Juni 2018 wieder nach Wien, ist das eine Art coming home?

Das könnten Sie so sagen, ich war ja fast vier Jahre in Wien und ich freue mich, wieder eine Gelegenheit zu haben, nach Wien zu kommen. Am Anfang wird ein A320 im Einsatz sein, ab nächstem Jahr wollen wir mit einer Boeing 787 oder einem A330 fliegen. Wir freuen uns darüber, dass wir weiter expandieren und suchen ja nach weiteren Möglichkeiten.

Wie zum Beispiel nach Moskau, die Destination nehmen Sie wegen der Fußball WM auf.

Ja wir starten mit Beginn der Fußball WM, fliegen aber das ganze Jahr über. Letztes Jahr haben wir vier neue Destinationen ins Programm genommen, heuer schon zwei. Und wir wollen langfristig alle Destinationen täglich anfliegen. Wien ist da ein gutes Beispiel. Wir fangen mit vier Flügen an, wollen Präsenz im Markt zeigen, und dann langsam einen täglichen Flug aufbauen.

Welche Destinationen haben Sie noch auf Ihrem Wunschzettel?

Es gibt einige Möglichkeiten, die wir da haben. Nächstes Jahr werden wir Amsterdam aufnehmen, das Drehkreuz unseres Sky Team Partners KLM. Weitere Destinationen in Europa, Afrika und dem Nahen Osten aber auch in Saudi Arabien selbst prüfen wir.

Schmerzt eigentlich Saudia Arabien, dass die kleinen Länder wie Dubai, Abu Dhabi, Qatar so große Fluglinien haben? Ist das ein Motor, warum Saudia wieder groß werden soll?

Ja, das Land will, dass Saudia in der Region einen adäquaten Platz einnimmt. Ich habe dem Königshaus und dem Kronprinzen ein Businessmodell und Programm für drei Jahre vorgestellt. Allein der Binnenmarkt mit 27 Flughäfen und der religiöse Verkehr sind schon Faktoren, weswegen Saudia mindestens so groß und wichtig sein müsste wie die anderen Fluglinien. Das ist die Vision, die der Kronprinz hat und die wir umsetzen wollen.

Hat eine Fluglinie mit Basis in Saudi Arabien nicht die Schwierigkeit, zwischen der arabischen und westlichen Welt einen Spagat machen zu müssen?

Ich glaube, mir helfen da sehr die elf Jahre als Chef der Star Alliance, wo ich mit 27 total unterschiedlichen Kulturen gearbeitet habe. Das war eine wunderbare Schule. Dass man respektiert und versteht, dass die Leute anders agieren, andere Ziele haben, dass es andere Kulturen gibt. Diese Erfahrung hilft mir gerade in einem Land wie Saudi Arabien, das sehr religiös geprägt und sehr verwurzelt ist, dass man mit einem westlichen Hintergrund und einer westlichen Philosophie relevant sein kann und ernst genommen wird.

Saudi Arabien steht für Repressionen, für Frauenfeindlichkeit etc. Welche Rolle spielt das Image von Saudi Arabien in der Welt bei den Expansionsplänen der Fluglinie?

Was auch immer die Vergangenheit war oder der Status quo ist – ich würde die positive Seite sehen wollen. Die Vision des Kronprinzen ist faszinierend und sie ist der Grund, warum ich diese Arbeit sehr gerne angenommen habe. Diese Vision 2030 ist faszinierend. Es ist ein Land mit langer Tradition, das aber aufbrechen will, ein Land, das unabhängig vom Öl werden will, diese neue Stadt im Norden Saudi Arabiens bauen will und den Tourismus ankurbeln will. Die strikten Regeln für Frauen werden gelockert, sie dürfen wieder Auto fahren, vor kurzem wurde das erste Kino wieder eröffnet. Saudi Arabien ist ein Land im Umbruch, aber das kann man nicht über Nacht machen und wird lange dauern.

Ist die Liberalisierung der Wirtschaft des Landes nicht Voraussetzung für einen Erfolg der Modernisierung?

Absolut, und die Fluglinie spielt da eine wichtige Rolle. Das war der Grund, warum ich mit voller Energie in diese Arbeit eingestiegen bin. Weil man nicht nur eine Firma saniert in einem Land, das sich nicht bewegt. Im Gegenteil, das Land bewegt sich unglaublich schnell, und die Menschen unterstützten das. Sie müssen sich vorstellen, 70 Prozent der Bevölkerung sind unter 30 Jahre alt. Die wollen die Welt sehen und unterstützen diese Vision. Ich würde sagen, es ist der richtige Moment, um für diese Fluglinie zu arbeiten.

Sie haben die Frauenrechte erwähnt. Ist es für das Image der arabischen Länder nicht verheerend, wenn Qatar CEO Akbar Al Baker kürzlich gemeint hat, eine Fluglinie könne nicht von einer Frau geführt werden?

Ja! Aber die pikanten Aussagen von ihm kennt man ja, er hat sich im Nachhinein auch entschuldigt.

Große Aufregung gibt es in Europa auch darüber, dass Fluglinien wie Saudia oder Kuwait Airways keine israelischen Staatsbürger befördern. Klingt das nicht nach Mittelalter?

Jede Airline hat weltweit  nationale und internationale Vorgaben und Regeln einzuhalten. Wenn unsere Passagiere für ihren Flug einchecken, sind wir als Airline verpflichtet sicherzustellen, dass die zur Einreise benötigten Dokumente (Visum) vorhanden sind. Somit vermeidet man einen Einreiseverbot für den Kunden und heftige Strafen für die Airline. Bei diesem Beispiel reichen die Regeln weit zurück, da die Länder keine diplomatischen Beziehungen unterhalten.

Kritisiert wurden auch Kleidervorschriften von Saudia für weibliche Passagiere. Sie haben das dementiert – nützlich sind solche Diskussionen aber nicht, oder?

Wir waren total überrascht, denn da stimmt gar nichts, Null, gar nichts. Saudia hat keine Limitierung für Frauen und Bekleidung, da stimmt gar nichts.

Was aber zeigt, dass die Politik im Geschäft schon eine Rolle spielt.

Ja, natürlich. Es ist die nationale Fluglinie, der Staat ist der Eigentümer und wir sind eng verbunden mit dem Land, der Vision und dem Aufbau.

Wie sieht es mit dem erwähnten Plan einer Privatisierung aus?

Das ist Zukunftsmusik. Die Maßgaben, die uns das Königshaus gegeben hat, lauten, machen sie das Unternehmen fit für eine Privatisierung. Das bedeutet nicht, dass die Fluglinie wirklich einmal privatisiert wird. Um aber ein Unternehmen überhaupt zu privatisieren zu können, muss es gesund sein, zukunftsfähig und Perspektiven haben. Das ist unsere Aufgabe.

Hat der Umstand, dass Saudia lange vernachlässigt worden ist den Aufstieg  von Emirates, Etihad und Qatar erst ermöglicht?

Saudia hat ja alle Ingredienzen, um DIE Fluglinie am Golf zu sein. Dubai oder Abu Dhabi wären ohne ihre Fluglinie nicht zu dem geworden, was sie heute sind. Das ist der Weg, den jetzt auch Saudi Arabien geht. Mit dem Unterschied und den Vorteilen, dass es einen Binnenmarkt und die Pilger gibt. Im letzten Jahr sind 8 Millionen Visa für Pilger ausgestellt worden. Es gibt weltweit 1,8 Milliarden Muslime und jeder Muslim muss einmal im Leben die Pilgerfahrt gemacht haben. Die Zahl der Visa soll bis 2030 auf 30 Millionen im Jahr steigen, stellen Sie sich das Potential vor! Wir haben berechnet, dass das noch einmal eine ganze Menge Flugzeuge sein könnten wenn wir das richtig machen.

Da können Sie sich ja zurücklehnen, weil die Passagiere von alleine kommen.

Nein, so einfach ist es nicht. Wir arbeiten ja auch an einer Verbesserung des Produkts. Wie unser “Top Five”-Projekt, mit dem wir zu den besten Fluglinien aufschließen wollen. Das ist ein totaler Umbau dieser Fluglinie, auch vom Produkt. Die Kunden sind Gott sei Dank da und wir haben eine gute Chance. Aber ist eine ganze Menge harte Arbeit, die da vor uns liegt.

An die alten, glorreichen Zeiten wieder anschließen. So haben Sie das Ziel in einem Interview formuliert. Was sind die Stolpersteine am Weg dorthin?

Die Kultur zu wechseln. Und der Aufbruch, der jetzt vom Königshaus vorgeschrieben wird, ist auch der Aufbruch für die Fluglinie. Das macht die Aufgabe leichter. Was ist die Herausforderung? Es ist dieselbe wie für das Land. Das Image zu wechseln, dass man wieder in der Welt präsent ist, dass man Saudi Arabien von der guten Seite zeigt, und nicht nur über die negativen Schlagzeilen redet. Es ist ein Business Case für das Land, das sich viel vorgenommen hat. Ich persönlich glaube, wo ich jetzt eineinhalb Jahre hier gelebt habe, dass es der richtige Weg ist, der von der Bevölkerung unterstützt wird, die den Wandel will.

Wie lange läuft Ihr Vertrag?

Ich habe einen Dreijahresvertrag unterschrieben.

Wollen Sie verlängern?

Die Familie und ich fühlen uns wohl in Saudi Arabien, es ist ein Abenteuer! Die Arbeit ist aufregend und herausfordernd. Es ist motivierend, wenn Sie sehen, wie viel zu verbessern ist und dass es auch die Möglichkeiten dazu gibt es zu tun – und wenn langsam die ersten Erfolge kommen.

Sie wollen also länger als die drei Jahre bleiben?

Wenn ich gefragt werde, ja.


Über Saudia:

Die Fluglinie steht im Staatsbesitz und beschäftigt beschäftigt 16.000 Mitarbeiter. Der Staat deckt Defizite ab und finanziert die Flugzeuge. Zur Saudia-Gruppe gehören neben der Fluglinie das Catering, die Wartung, das Ground Handling, der Cargo-Bereich, Immobilen und Infrastruktur mit insgesamt fast 40.000 Mitarbeitern Saudia betreibt 148 Flugzeuge im Eigentum, zusätzlich 18 für den Pilger-Verkehr, sowie die Flugzeuge des Königshauses. Insgesamt sind es 185 Flugzeuge (47x Airbus 320, 15x A321, 32x A330, 13x Boeing 787, 41x B777, 2x B747F, 4x B777F).

2017 beförderte Saudia 32.5 Millionen Passagiere, 17 Millionen davon waren Inlandspassagiere, die andere Hälfte setzt sich aus internationalen Passagieren und Pilgern zusammen. Flyadeal wird (8 Monate nach dem Start) bald die Marke von 1 Million Passagiere erreichen.

Über Jaan Albrecht:

Jaan Albrecht ist 63 Jahre alt und hat auch österreichische Wurzeln. Sein Großvater war im 1. Weltkrieg Soldat der österreichisch-ungarischen Armee gewesen und wanderte 1927 aus Oberösterreich nach Übersee aus.

Jaan Albrecht hat einen Abschluss in Architektur der tech. Universität in Mexiko. Er startete 1973 seine Karriere bei Mexicana als Pilot. 20 Jahre lang flog er als First Officer, Kapitän und war Flottenchef der 727-Flotte sowie von 1990 bis 1994 Senior Vice President Operations.

Von 1995 bis 1998 war er Executive Vice President Commercial. Zweieinhalb Jahre war er in leitenden Funktionen bei Aero Peru. 1999 wurde CEO von Aeromexpress in Mexiko City.

2001 wechselte er als CEO zur Star Alliance, 2011 wurde er CEO von Austrian und 2015 von SunExpress. Seit 2017 ist er CEO von Saudia.