Air Force One
«Risiken, die Boeing wahrscheinlich nicht hätte eingehen sollen»
Boeings Verluste beim Bau der neuen Air Force One schießen in die Höhe. Konzernchef Calhoun blickt unzufrieden auf den Festpreisvertrag aus der Zeit seines Vorgängers.
Visualisierung aus dem Jahr 2018: Air Force One bereitet Boeing Kopfzerbrechen.
Visualisierung aus dem Jahr 2018: Air Force One bereitet Boeing Kopfzerbrechen.
«Boeing ist stolz darauf, die nächste Generation der Air Force One zu bauen und den amerikanischen Präsidenten ein fliegendes Weißes Haus zu einem hervorragenden Preis für den Steuerzahler zu bieten. Präsident Trump hat im Namen des amerikanischen Volkes ein gutes Geschäft ausgehandelt» – das schrieb Boeing in einem Tweet im Februar 2018.
Damals war Trump noch Präsident der USA und rühmte sich, Boeing beim Preis für die beiden Jets auf 3,9 Milliarden Dollar heruntergehandelt zu haben. Später wurde klar, was in dem genannten Betrag alles noch nicht enthalten war. Boeing-Chef war Dennis Muilenburg.
Festpreisvertrag für 747-8-Umbau
Dessen Nachfolger Dave Calhoun ist nicht glücklich mit dem damaligen Deal. Im Gespräch mit Analysten sprach er am Mittwoch (27. April) von «einer sehr einzigartigen Verhandlung, einer sehr einzigartigen Reihe von Risiken, die Boeing wahrscheinlich nicht hätte eingehen sollen». Dennoch werde man natürlich großartige Flugzeuge liefern – und die damit verbundenen Kosten anerkennen, erklärte Calhoun.
Diese Kosten sind zuletzt rasant gestiegen, wie aus einer Börsen-Pflichtmitteilung hervorgeht. Zuerst einmal nennt Boeing darin den realen Preis: «Der Festpreisvertrag für die Konstruktion, Fertigung und Entwicklung des Präsidentenflugzeugs VC-25B der US-Luftwaffe, allgemein bekannt als Air Force One, ist ein 4,3 Milliarden Dollar schweres Programm zur Entwicklung und Modifizierung von zwei 747-8-Verkehrsflugzeugen.»
Verlust schießt in die Höhe
Weiter heißt es: «Im ersten Quartal 2022 erhöhte sich der kumulierte Verlust aus dem Vertrag um 660 Millionen US-Dollar auf 1146 Millionen US-Dollar, was auf höhere Zuliefererkosten, höhere Kosten für die Fertigstellung bestimmter technischer Anforderungen und Verzögerungen im Zeitplan zurückzuführen ist.» Zudem bestehe das Risiko, dass Boeing beim Air-Force-One-Auftrag in Zukunft weitere Verluste verbuche müsse. Denn durch den Festpreisvertrag kann Boeing beim Auftraggeber Zusatzkosten nicht oder kaum geltend machen, wie es scheint.
Calhoun erklärte, er werde künftig «eine ganz andere Philosophie» zu Festpreisverträgen haben. Denn gerade bei diesem Kontrakt treffe die zuvor nicht absehbare Covid-Pandemie und das inflationäre Umfeld Boeing hart. So sei es schon generell oft schwierig, Gruppen von qualifizierten Mitarbeitenden zu ersetzen, die an Covid erkrankten. «Und für VC-25B, wo die Freigaben sehr hoch sind, ist es wirklich sehr schwierig», so der Boeing-Chef mit Blick auf die hohen Anforderungen für die Arbeiten an den Regierungsfliegern.