Letzte Aktualisierung: um 23:29 Uhr

Flug QF72

Wenn das Flugzeug plötzlich durchdreht

Vor neun Jahren ging ein Airbus A330 von Qantas mehrmals ungeplant in einen Sturzflug über. Jetzt redet der Pilot von Flug QF72 erstmals über das Ereignis.

Für die 303 Passagiere und 12 Besatzungsmitglieder von Flug QF72 war es wohl das schlimmste Flugerlebnis ihres Lebens. Er ist zwar schon neun Jahre her, aber beschäftigt Piloten und Behörden immer noch. Der Airbus A330 von Qantas war am 7. Oktober 2008 auf dem Weg von Singapur nach Perth, als sich zuerst der Autopilot ausschaltete und eine Warnung vor einem Strömungsabriss erklang. Die Cockpitbesatzung korrigierte das. Alles schien wieder normal zu verlaufen.

Doch dann setzte die Maschine in rund 11.300 Metern plötzlich zum Sturzflug an. 210 Meter sank sie in 23 Sekunden, fing sich dann aber wieder. Doch bereits zwei Minuten später ging das Flugzeug wieder in einen Sinkflug über. Dieses Mal sank es 122 Meter in 15 Sekunden. Wer nicht angeschnallt war, wurde durch die Kabine geschleudert und knallte an die Decke. 119 Menschen wurden beim Zwischenfall verletzt, 50 davon mussten nach der Notlandung im australischen Learmouth ins Krankenhaus. Nun hat der Kapitän des Flugzeuges erstmals darüber geredet, wie er den Vorfall erlebt hat.

Pilot leidet an posttraumatischem Stresssyndrom

Es war offensichtlich ein traumatisches Erlebnis. «Alles, was ich in meinem Leben jemals getan habe, wurde an diesem Tag auf die Probe gestellt», so Kevin Sullivan in einem Interview mit der Zeitung Sydney Morning Herald.  «Es ist das schlimmste was einem passieren kann – in einem Flugzeug zu sein und die Kontrolle nicht mehr zu haben.» Es habe sich angefühlt, als habe das Flugzeug versucht «uns zu töten», erinnert sich der Flugkapitän.

«Man ist in einem Flugzeug, das außer Kontrolle geraten ist und dein eigener Körper gehört dir nicht.» Sullivan kämpfte gegen den Computer. «Du kannst aufgeben oder du kämpfst . Ich habe gekämpft», so der Pilot. «Und ich tue es immer noch.» Sullivan leidet seit dem Zwischenfall an einem posttraumatischen Stresssyndrom.

Der einzige Fall in über 28 Millionen Flugstunden

Schuld an dem Desaster war laut dem Bericht der australischen Ermittlungsbehörde ATSB ein seltener Computerfehler. Der Algorithmus, der den Anstellwinkel des Fliegers berechnet, wurde innerhalb kürzerer Zeit mehrfach mit falschen Daten gefüttert. Normalerweise kann die Software mit solchen fehlerhaften Informationen, so genannten Spikes, umgehen. In diesem Fall trafen aber in kurzen Intervallen von etwas mehr als einer Sekunde mehrfach falsche Daten ein, was die falsche Berechnung zur Folge hatte.

Laut der Behörde war das der erste und einzige Fall in über 28 Millionen Flugstunden mit Airbus A330 und A340, in dem ein solcher Softwarefehler einen Zwischenfall verursachte. Es sei «sehr unwahrscheinlich, dass sich etwas Ähnliches wieder ereignet». Auch habe der Flugzeugbauer den Algorithmus so angepasst, dass es nicht noch einmal vorkomme.

Etwas aber bleibt unklar

Airbus hat nach dem Vorfall alle A330 und A340 einer genauen Untersuchung unterzogen. Wie genau es dazu kam, dass der Computer mit falschen Daten gefüttert wurde, ist aber weiter nicht bekannt.