Ein Lotse erzählt
«Privatflieger sind das Salz in der Suppe»
Die Kontrolltürme sind nicht nur für den Linienverkehr da, sondern auch für die Tausenden Hobbypilotinnen und -piloten. Welche Erfahrung macht ein Lotse mit ihnen und was wünscht er sich von ihnen?
Lotse Philipp Schmitt im Tower der Deutschen Flugsicherung am BER: Freude an Privatpilotinnen und -piloten.
Lotse Philipp Schmitt im Tower der Deutschen Flugsicherung am BER: Freude an Privatpilotinnen und -piloten.
In Deutschland gibt es etwa 500 kleine Flugplätze und knapp 7000 registrierte Kleinflugzeuge unter zwei Tonnen. Mit einer Privatpilotenlizenz (im Jargon PPL genannt) dürfen sich die meisten Hobbypilotinnen und -piloten nach Sichtflugregeln (visual flight rules, kurz VFR) relativ frei in der Luft bewegen. Es gilt aber das Motto: Sehen und gesehen werden.
Dennoch gibt es aber Regeln. In bestimmte Lufträume, den sogenannten kontrollierten Luftraum, darf man als VFR-Pilot:in nicht einfliegen. Das betrifft neben den Lufträumen Charlie und Delta, in denen die gewerbliche Luftfahrt unterwegs ist, auch bestimmte Gebiete um Verkehrsflughäfen.
Lotsen sind auch für VFR-Piloten da
Privatpilotinnen und -piloten dürfen nur einfliegen, wenn sie vorher per Funk beim zuständigen Kontrollturm per Funk eine Freigabe eingeholt haben. Wer diese hat, muss den Anweisungen folgen. Dann kann es schon mal passieren, dass ein Hobbyflieger in einer 50 Jahre alten Cessna 172 zwischen einem Airbus A320 und einer Boeing 787 gestaffelt wird.
Wenn man an einen Kontrollturm denkt, geht man automatisch davon aus, dass dort nur Linienverkehr abgefertigt wird. Ein Trugschluss, denn der Tower ist zwar auf dem Gelände der Verkehrsflughäfen, wird aber von der Deutschen Flugsicherung DFS betrieben und ist für die Sicherung des Luftraums zuständig.
Besonders viel am Wochenende
Das schließt auch privat Fliegende mit ein und ist sogar ein essenzieller Teil der Ausbildung, sagt Philip Schmitt, Fluglotse am BER. «Wir haben am Wochenende weniger Linienverkehr, da kann es schon sein, dass die Hälfte des Verkehrs auf VFR-Verkehr entfällt», sagt er im Gespräch mit aeroTELEGRAPH.
Philip Schmitt ist 39 Jahre alt und seit 17 Jahren Fluglotse. Zuerst in Leipzig, dann in Tegel und seit der Eröffnung am BER. Wir haben mit ihn über seine Arbeit, Erfahrungen und Wünsche mit Hobbypilotinnen und -piloten gesprochen. Er betont schon zu Beginn des Gesprächs, dass ihm die Arbeit mit Privatpiloten Spaß mache. «Ich beschreibe Privatflieger gern als Salz in der Suppe. Sie können einen faden Tag unglaublich toll werden lassen, wenn es zu viel wird, kann es auch ins Gegenteil umschlagen», so Schmitt.
Low-Approach meist gewünscht
Der Klassiker bezüglich der Anfragen sei es, die Kontrollzone von Nord nach Süd oder von Süd nach Nord zu durchfliegen. Beliebt sei zudem auch ein Tiefanflug (Low Approach), erzählt der Fluglotse. Das Flugzeug geht in den Sinkflug, fliegt einige Meter über der Piste und steigt dann wieder. Das ist allerdings an Sonn- und Feiertagen am BER verboten.
Kleinflugzeuge und Linienverkehr sind für die DFS-Lotsen gleichwertig. «Wir Fluglotsen müssen immer schauen, wie die Anfragen in den aktuellen Verkehr passen», sagt Schmitt und führt aus, dass die Anflüge für den BER meist schon zehn Minuten vor der Landung feststehen. Er warnt vor falschen Erwartungen. «Wir müssen in Berlin viel Verkehr handeln».
Immer auf Freigabe warten
Viele privat Fliegende glauben, dass es reicht zu sagen, was sie machen und warten dann nicht auf die Freigabe. Das sei auch nicht verwerflich, denn an den kleinen Flugplätzen sei so das Standardprozedere. Es reicht dort, wenn die Piloten oder Pilotinnen einfach nur sagen, was sie tun werden.
Um eine Freigabe (Clearance) für den BER zu bekommen, müssen VFR-Pilot:innen sich auf der Tower-Frequenz melden und sagen, was sie vorhaben und die Antwort des Lotsen oder der Lotsin abwarten. «Das ist ganz entscheidend», sagt Schmitt, denn fliegt der Steuernde ohne das Ok des Lotsen in die Kontrollzone, begeht er eine Luftraumverletzung, was rechtlich bedeutet, eine Ordnungswidrigkeit begangen zu haben.
Luftraumverletzungen können Verspätungen produzieren
«Es produziert für uns einfach sehr viel Arbeit», sagt der Lotse. «Jemand, der für zwei Minuten einfliegt, kann Arbeit für eine Stunde produzieren». Wenn ein Lotsin oder ein Lotse ein Kleinflugzeug nicht erreicht, müssen im schlimmsten Fall alle anderen Flieger den Bereich verlassen und das «weiträumig», wie Schmitt sagt. Gegebenenfalls sind Maschinen gezwungen, durchzustarten. Das gelte als schwerer Eingriff in den Luftverkehr und könne richtig teuer werden, so Schmitt.
Etwa 100 Lotsinnen- und Lotsen arbeiten im Tower am BER. Bild: DFS
Dabei versucht der Lotse wirklich viel, damit es gar nicht erst so weit kommt. Schmitt erzählt, dass er auch schon mal, wenn er den Heimatflugplatz eines Eindringlings kannte, dort angerufen und gebeten habe, dass sich die Pilotin bei ihm melden solle. Das Problem ist, dass VFR-Fliegende in der Region Berlin-Brandenburg keine Verpflichtung haben, irgendeine Frequenz zu rasten. Sie müssen sich erst am Berlin-Tower melden, wenn sie in die Kontrollzone fliegen wollen.
Wegen Sicherheitsbedenken abgelehnt
Wenn der Steuernde nicht die Frequenz Berlin-Tower eingestellt hat, kann man ihn nicht erreichen. Es gibt dann noch die Notfrequenz, aber weil die meisten kleinen Flieger meist nur ein Funkgerät haben, beginnt für den Lotsen dann «die große Suche».
Auf die Frage, wie er mit VFR-Piloten umgehe, die ein auffälliges Verhalten an den Tag legen, sagt Schmitt, dass sie Anfragen nur aus Sicherheitsbedenken ablehnen dürften, sich dieser Begriff aber weit fassen lasse. «Wenn ich mit jemandem schlechte Erfahrungen gemacht habe, kann ich die Anfrage ablehnen, wenn ich weiß, dass dadurch die Sicherheit anderer gefährdet wird», so der 39-Jährige. Letztlich gehe aber jeder Lotse anders damit um. «Es gibt Kolleginnen und Kollegen, die immer versuchen alles möglich zu machen und es gibt genauso Lotsen, die das anders handhaben.»
Up to date bleiben
Letztlich ist es aber nur ein ganz kleiner Teil an Leuten, deren Anfragen er aus Sicherheitsfragen ablehnen müsse, beteuert Schmitt. Insgesamt ist das Know-how der Hobbypilot:innen divers und nicht pauschalisierbar. Es gibt solche, die alles perfekt machen, aber es gibt auch solche, «bei denen wir froh sind, dass sie weg sind. Da hapert es an den Basics. Teilweise wird völlig unverständlich irgendwas hereingerufen und ich weiß nicht, was derjenige will».
Wichtig ist auch bei Leuten mit viel Erfahrung, dass sie auf dem neuesten Stand bleiben. Es sei ihm schon oft passiert, dass Leute einfliegen wollen, die mir die alten Kontrollpunkte von Tegel nennen. «Da frage ich mich dann schon, was noch alles nicht up to date ist», so der Lotse.
Reden, aber nicht diskutieren
Letztendlich gehe es ihm einfach um Kommunikation und darum, eine gewisse Aufmerksamkeit füreinander zu schaffen. «Ich weiß, dass sich viele Leute Angst haben, sich bei der Flugsicherung zu melden, wahrscheinlich aus Unsicherheit, was falsch ist. Diese Angst ist unbegründet», so Schmitt.
Gerade, wenn es sich um einen Trainingsflug handelt, sollen sich die Leute melden. «Ich weiß dann: Der ist aufgeregt, also nehme ich ihn an die Hand, rede ein Stück langsamer und mache das Stück für Stück. Das ist für alle entspannter». Sein Appel Bitte einfach mit uns reden, aber bitte nicht diskutieren.