CFM Leap
Piloten wussten über Detail von Triebwerken der Boeing 737 Max nicht Bescheid
Nach zwei Vogelschlägen stellten Boeing-737-Max-Betreiber in den USA fest, dass es in den Triebwerken ein System gibt, von dem die Piloten nichts wussten. Bei einigen weckt das unangenehme Erinnerungen.
Boeing 737 Max von Southwest Airlines: Zwei Vogelschläge.
Boeing 737 Max von Southwest Airlines: Zwei Vogelschläge.
Nach den zwei tödlichen Abstürzen von Boeing 737 Max in den Jahren 2018 und 2019 war es einer der großen Kritikpunkte: Die Pilotinnen und Piloten, welche die Boeing 737 Max flogen, waren über ein wichtiges System im Cockpit nicht informiert worden. Und eine Fehlfunktion dieses Systems war der Hauptgrund für die Tragödien von Lion Air und Ethiopian Airlines.
Boeing räumte im Nachgang ein, dass das ein Fehler war. Seither arbeitet der Flugzeugbauer daran, die Fehlerkultur und die Transparenz zu erhöhen – mit bislang mäßigem Erfolg, wie die Ereignisse der letzten Monate zeigen. Nicht helfen dürfte auch eine aktuelle Meldung zu Zwischenfällen, die sich im vergangenen Jahr ereignet hatten.
Leap-Triebwerke mit neuer Funktion
Laut einem Bericht der Zeitung Seattle Times fehlte im Handbuch für 737-Max-Crews eine Information über ein weiteres Detail am Flugzeug. Betroffen sind in diesem Fall die Triebwerke der Boeing 737 Max, die vom Hersteller CFM, einem Joint Venture von GE und Safran, hergestellt werden. Gewerkschaften kritisieren das.
Aufgekommen ist die Kritik, nachdem vergangenes Jahr zwei Boeing 737 Max von Southwest Airlines in voneinander unabhängigen Zwischenfällen nach einem Vogelschlag Triebwerksausfälle erlitten und sich die Kabine mit Rauch füllte. In beiden Fällen handelten die Crews vorbildlich und landeten sicher wieder am Startort – einmal in Havanna, einmal in New Orleans.
Handbücher überprüft
Der Rauch war in beiden Fällen keine Folge eines Brandes, sondern eines Öllecks in Folge des Vogelschlags. Boeing sandte im Februar dieses Jahres eine Warnung an die Fluggesellschaften aus, um sicherzustellen, dass die Piloten das richtige Verfahren in diesem Notfall kennen, um das Eindringen von Rauch und Dämpfen in Cockpit und Kabine schnell zu stoppen.
Die US-Betreiber des Flugzeugs haben daraufhin ihre Ausbildung und Handbücher überprüft und die Crews detailliert über die Meldung von Boeing informiert. Doch ein Detail ließ die Piloten aufhorchen. Denn Boeing erwähnt ein System, das in den Leap-Triebwerken verbaut ist, von dem die Crews nichts wussten. Es handelt sich um eine Sicherheitsfunktion, die starke Vibrationen am Triebwerk im Fall eines Schadens vermeiden soll.
Auch im Airbus A320 Neo verbaut
Wenn eine Triebwerksschaufel während des Fluges schwer beschädigt wird – etwa durch einen Vogelschlag – bringen die beschädigten Fanschaufeln möglicherweise die rotierenden Bestandteile des Motors aus dem Gleichgewicht. Das bringt den kompletten Mechanismus aus dem Gleichgewicht, Vibrationen entstehen. Das System, welches «Load Reduction Device», kurz LRD heißt, soll das verhindern. Es trennt die Schaufeln vom Rotor.
Die Leap-Triebwerke, welche deutlich effizienter als die Vorgänger-Versionen sind, sind die einzige Triebwerksoption für die Boeing 737 Max und eine von zwei Optionen beim Airbus A320 Neo. Auch in den Triebwerken für die Flugzeuge des europäischen Herstellers ist die LRD-Funktion enthalten.
Kein Einfluss auf die Arbeit der Piloten
Boeing erklärte in einer Stellungnahme gegenüber der Seattle Times, dass das LRD «keinen Einfluss auf die Handhabung des Flugzeugs hat, die Besatzung kann ihren Betrieb nicht beeinflussen, und die Verfahren der Besatzung ändern sich nicht infolge der LRD-Aktivierung». Daher habe man es im Handbuch nicht vermerkt. Im Wartungshandbuch findet das System denn auch Erwähnung.
Dass die Besatzungen sich trotzdem über das Fehlen der Information im Handbuch beschweren, dürfte auch damit zusammenhängen, dass die Abstürze und die Rolle des so genannten Maneuvering Characteristics Augmentation System MCAS vielen immer noch im Gedächtnis sind.
MCAS-Vorfall sitzt in den Knochen
Beim MCAS handelt sich um ein System, das Boeing in die 737 Max eingebaut hat und über das die Vorgänger nicht verfügen. Denn die größeren Triebwerksgondeln der Max bergen das Risiko, dass die Längsstabilität verändert und die Nase nach oben gedrückt wird. Um einen Strömungsabriss zu verhindern, drückt das MCAS unter bestimmten Umständen die Nase des Fliegers automatisch nach unten, indem es das Höhenruder entsprechend trimmt. In Fall der beiden tödlichen Abstürze gab es dabei eine Fehlfunktion.
Southwest möchte das Flughandbuch für die 737 Max mit Informationen über das Sicherheitssystem bei den Triebwerken aktualisieren. Aber geschehen ist das noch nicht. «Wir haben noch nicht viel erfahren», zitiert der Bericht Tom Nekouei, Vizepräsident der Gewerkschaft Southwest Airlines Pilots Union (SWAPA). «Wir befinden uns immer noch in der Schwebe.»