Letzte Aktualisierung: um 12:30 Uhr

Go-Air-Flug

Piloten schalteten falsches Triebwerk aus

Schwerer Fehler von zwei Go-Air-Piloten in Indien: Nach einer Kollision ihres Airbus A320 mit einem Vogel schalteten sie das falsche Triebwerk ab.

Den Ausfall eines Triebwerks während des Starts üben Piloten in ihrer Ausbildung unzählige Male. Auch nach dem Erhalt ihrer Fluglizenz müssen sie regelmäßig unter Beweis stellen, dass sie dabei stets alles unter Kontrolle haben und das Flugzeug wieder sicher zu Boden bringen können. In Indien wurde im vorletzten Jahr genau dieses Szenario für die Piloten eines Airbus A320 zur unangenehmen Realität. Nachdem beim Start ein Triebwerk beschädigt wurde, schalteten die Piloten in der Luft versehentlich das falsche Triebwerk ab. In geringer Höhe flog der Jet für kurze Zeit beinahe ohne Schub, bevor er unbeschadet wieder landete. Der Abschlussbericht der indischen Untersuchungsbehörde Direktorate General of Civil Aviation DGCA zeigt nun die gravierenden Fehler der Crew.

Go-Air-Flug 338 wurde bereits vor dem Abheben zum Problemfall. Der Airbus A320 des indischen Low-Cost-Carriers sollte am 21. Juni 2017 von Delhi zu einem Inlandsflug nach Mumbai aufbrechen. Als das Flugzeug mit 158 Passagieren und sechs Besatzungsmitgliedern am frühen Morgen zum Start ansetzte und auf der Startbahn beschleunigte, geriet ein Vogel in das rechte Triebwerk des Airbus. Für die Piloten machte sich dies schnell bemerkbar. Der beschädigte Antrieb fing umgehend an zu vibrieren und ungewöhnliche Geräusche von sich zu geben, lieferte aber immer noch Schub.

Anzeigen verwechselt

Zu diesem Zeitpunkt war der Airbus bereits 213 Kilometer pro Stunde schnell, aber immer noch innerhalb des zuvor berechneten Geschwindigkeitslimits für einen Startabbruch. Aufzeichnungen des Stimmenrekorders geben wieder, dass der Erste Offizier noch das Einleiten des Bremsmanövers auf der ungefähr 2800 Meter langen Start- und Landebahn vorschlug. Da laut Handbuch das gefährliche Abbremsen bei hohen Geschwindigkeiten nur bei schwerwiegenden Gefahrenlagen wie Feuermeldungen oder plötzlichem Schubverlust eingeleitet werden soll, entschloss sich der Kapitän jedoch dafür, den Start fortzusetzen, um sich in der Luft um das abnormale Verhalten des Triebwerks zu kümmern.

Wenige Sekunden nach dem Abheben bemerkten die Piloten auch die Warnmeldungen des Bordsystems, welche starke Vibrationen im rechten Triebwerk anzeigten. Umgehend entschied sich der Kapitän, dieses abzustellen und für eine Sicherheitslandung zum Flughafen Delhi zurückzukehren. Daraufhin machten sie schwere Fehler. Der erste Offizier verwechselte auf den Anzeigen des Cockpits beide Antriebe. Versehentlich berichtete er seinem Kollegen, dass das Triebwerk auf der linken Seite für die Probleme verantwortlich sei. Der Kapitän übernahm diese Angabe ungeprüft und stellte das unbeschädigte Triebwerk ab.

Erste Landung läuft schief

Zwei Minuten lang blieb der Fehler unbemerkt. Mit der Startleistung des immer noch stark vibrierenden rechten Triebwerks ließen sie den Airbus auf ungefähr 1000 Meter Höhe steigen, ehe sie die Verwechslung bemerkten. Schnell begannen sie, den unversehrten Antrieb wieder hochzufahren und nahmen beim eigentlichen Problem-Triebwerk den Schub raus. Dabei verlor das Flugzeug dramatisch an Bewegungsenergie. Auswertungen des Flugschreibers belegen, dass der Jet bis zum Anspringen des funktionierenden Triebwerks ungefähr 200 Meter Höhe verlor. Um nicht noch langsamer zu werden und weiter an Höhe zu verlieren, aktivierte sich ein Sicherheitssystem des Airbus A320 und begann automatisch, mit dem beschädigten Triebwerk wieder mehr Schub zu geben.

Der erste Landeversuch lief dann schief. Da sich der Airbus zu hoch im Anflug befand, musste die Besatzung durchstarten, ehe der zweite Versuch schließlich nach 45 Minuten Flugzeit gelang. Während des Vorfalls herrschten im Luftraum um Delhi schwere Turbulenzen. Da sich der Autopilot aufgrund der schweren Bedingungen immer wieder abschaltete, musste der Kapitän während des Fluges zum Großteil per Hand fliegen.

Scharf Kritik von Behörde

Die indische Untersuchungsbehörde kritisiert das Verhalten der Piloten scharf und spricht in ihrem Abschlussbericht von einem schwachen Umgang der Crew mit den vorgeschriebenen Verhaltensweisen. Zwar befürwortet sie die Entscheidung, den Start fortzusetzen. Das weitere Handhaben der Situation bemängelt sie jedoch. So hätten beide Piloten zu keiner Zeit ausreichendes Situationsbewusstsein gehabt. Auch die Zusammenarbeit und die Nichteinhaltung wichtiger Checklisten sollen laut den Ermittlern Gründe für die schwerwiegende Verwechslung sein.